Das Lachen der Sonne. Dennis Klofta. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dennis Klofta
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754173930
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seinen Fokus auf das linke Auge, ›und kaum fällt der Blick auf das Fremde, scheint es doch bereits bekannt zu sein, während das zuvor bekannte plötzlich selbst fremd erscheint.‹

      Langsam schwankte er nach vorne, lehnte sich mit der Hüfte ans Waschbecken und beugte sich ganz nah an den Spiegel heran, in der Hoffnung beide Augen gleichzeitig zu sehen.

      »Wie unglaublich fremd doch alles wirkt. Von dem, der hier steht, sich fühlt und dieser Figur, die mir da Gegenüber steht. Naja, wer sieht denn schon immer das Gleiche. Wer ist sich selbst denn nie Fremd?«

      Aber sich selbst nie fremd sein und sich immer fremd zu sein, sind zwei große Unterschiede.

      –

      Stumm starrte er in sein fast leeres Glas und betrachtete gedankenleer die goldene Flüssigkeit, die sich über den gläsernen Boden legte. Mit einem Arm umklammerte er das Glas, während der Andere entspannt auf dem Tisch lag. Die verqualmte Luft brannte in seinen Augen. Vom sich im Zimmer ausbreitenden Zigarettenrauch waren sie bereits leicht rot angelaufen. Nur kurz, wenn jemand hinein oder hinaus ging, konnte der Qualm durch die Tür fliehen, sonst schwebte er leblos im Zimmer herum. Neben dem ekelhaften Qualm, war die Luft zudem noch vom verschütteten Alkohol geradezu durchtränkt. Kein schöner, reiner Spiritusgeruch, sondern eine Mischung aus allen Möglichen Alkoholgerüchen, gepantscht mit viel zu viel Zucker, so dass alle Tische verklebt waren. Steif, ohne sich im Raum sichtbar zu machen, hob er sein Glas und nahm einen tiefen Schluck.

      »Ah« – er verzog sein Gesicht, während die Flüssigkeit brennend seinen Hals hinunterlief.

      Die gute Laune mit der er sein Zimmer verlassen hatte, war längst verflogen – eigentlich war sie in dem Moment verschwunden, in dem er den Raum betreten hatte und ihn der Zigarettenqualm ins Gesicht geschlagen war. Gegen den Alkohol hatte er nichts, ganz im Gegenteil, aber der Qualm … und dann gab es noch nicht einmal die Möglichkeit, ein Fenster zu öffnen, weil das Meer die ganze Zeit gegen die Bullaugen schlug und den Raum in kurzer Zeit unter Wasser gesetzt hätte. Schwefelgelbes Licht ersetzte die totale Dunkelheit – fast schreiend unterhielten sich die kleinen Gruppen an den Tischen. Sie störten sich gegenseitig und mussten sich von der Lautstärke immer wieder gegenseitig übertrumpfen, damit sie überhaupt noch etwas verstehen konnten. Er saß mitten drinnen in diesem Lärmkegel und starrte in sein Glas. Es war nicht das richtige Glas, aber naja, man kann ja nicht alles haben, besonders nicht mitten im blauen Nichts. Immerhin hielt der Lärm ihn von seinen eigenen Gedanken fern und half ihm sich zu fokussieren, sich zu isolieren.

      »Hèn?«

      »...ob du schon mal mit dem Kapitän gesprochen hast?«

      Nochmal nahm er sein Glas und kippte den letzten Rest hinunter, atmete nach dem Schluck tief durch und grinste die Gruppe schief an.

      »Ja hab ich.« Er griff nach der Flasche und schenkte sich neu ein. »Wann war das nochmal – gestern? oder heute morgen? – draußen am Deck.« Wieder nahm er einen Schluck aus dem neu gefüllten Glas.

      »Kein Wunder, so oft wie du da draußen rumhängst. Der Einsame schützt den König vor dem Pöbel.«

      »Ja oder der König den Einsamen vor dem Pöbel.«, schallte es lachend aus der Gruppe.

      Verwirrt und unsicher, wie er das verstehen sollte, schaute er die Runde entlang.

      »Ja und? Was war?«, kam ihm aus dieser nach kurzem Zögern entgegen.

      »Wie was war?«

      »Ouah Alder, lebst du hinterm Mond oder wat? Was hat er gesaacht?«

      »Getan?«

      »Was ist passiaat?«

      »Ja nichts. Wir haben kurz gesprochen, dann ist er wieder gegangen.«, wehrte er sich gegen die Gruppe.

      »Ouah ey, „Nichts“ scheint dein Lieblingswort zu sein, wa? Was habt ihr denn besprochen?«

      »Ja nichts.« Er griente ironisch, obwohl er es unabsichtlich gesagt hatte. »Er wollte, wie alle hier, wissen, warum ich denn immer vorne am Deck stehe«, wieder nahm er einen Schluck und verzog sein Gesicht »und dann hat er mich noch für den Wachdienst eingeteilt.«

      »Und – warum lungerst du immer vorne am Deck rum?«

      »Keine Ahnung«, antwortete er nach kurzem Überlegen, »es ist ruhig und friedlich.«

      »Ruhig und friedlich,« lachte ihn sein Gegenüber an, »hast du mal durchs Glas gesehn, da is Sturm draußen.«

      »Mann kennt ihr das nicht? – Ihr steht vor etwas großem Unüberwindbaren und ihr kommt euch plötzlich ganz klein und unwichtig vor, ihr erkennt, dass ihr nur ein ganz kleiner Teil seid, machtlos gegenüber diesen Gewalten.«

      Es war still geworden am Tisch und alle schauten ihn verwirrt an. Das Problem war nicht unbedingt, dass sie ihn nicht verstanden, das merkwürdige war nur, dass sie ja eben nicht machtlos waren. Sie waren auf einem riesigen Schiff mitten im Meer, mit dem völlig natürlichen und normalen Ziel es zu überqueren. Dazu kam noch, dass sie gerade einem Sturm trotzten und trotzdem keine Gefahr bestand. Das Schiff war dem Meer nicht schutzlos ausgeliefert, es brauchte keine Angst davor zu haben. Aber genau darum ging es ihm nicht –

      Unverstanden nahm er einen großen Schluck, stellte das Glas mit einem Ruck auf den Tisch, dass es einen lauten Knall gab, verzerrte sein Gesicht stärker als nötig gewesen wäre und schob seinen Stuhl zurück.

      »Will noch jemand was zu trinken? – Nein? Ok!«

      Dann zog er sein Glas über den Tisch und ging zur Theke.

      »Ich hätte in meinem Zimmer bleiben sollen.«, murmelte er, stellte sein Glas auf den Tresen und lehnte sich gegen ihn.

      Im Grunde freute er sich sogar, dass seine Kollegen es nicht nachvollziehen konnten. Er fühlte sich bestätigt. Es war Seins und nur Seins. Plötzlich fing er laut an zu lachen – stoppte dann aber abrupt wieder und trank sein Glas in einem Zug leer. Er spürte den Alkohol in seinen Beinen und seinem Gesicht. Trotzdem fühlte er sich noch klar, wusste noch genau was er tat und wie er es tat, auch wenn die Umsetzung seiner Bewegungen unsicher und verzögert waren. Das, was der Alkohol wirklich tat, auch das konnte er genau spüren, war ihm seine Scham zu nehmen, die sich hinter seiner sonstigen Ruhe versteckte.

      ›Schade‹, dachte er, man müsste immer betrunken sein…‹ unkontrolliert begann er zu grinsen, bevor er lachend zum leerem Glas sagte: »oder betrunken nüchtern.« ›Frei von allen Zweifeln und Ängsten und trotzdem klar. Wild und ungezähmt und trotzdem ganz bewusst. Alles sehen und trotzdem blind.‹ Dann schenkte er sich erneut ein und nahm wieder einen tiefen Schluck.

      Zuerst war er traurig gewesen, dass sie nicht zwischen den Anderen saß, doch jetzt freute er sich darüber. Es erleichterte ihn. Auch wenn er sich immer nach ihr sehnte, war sie doch ein Gewicht auf seiner Brust, ein Anker, der ihm das Atmen schwer machte oder ein Tuch, das sich auf seine Auge legte und ihn das sehen erschwerte. So konnte er sich in Ruhe betrinken. Erschöpft atmete er aus und starrte traurig in sein Glas. Er wusste wirklich nicht, was das zwischen ihnen war – Was wusste er denn schon von ihr? Nur weil sie sich ohne zögern auf ihn einließ? Was hatte das schon zu bedeuten? Ein paar freundliche Augen! Das schien alles viel zu nüchtern und dabei waren es schon die Gedanken eines Betrunkenen. War es denn wirklich so kompliziert?

      ›Der Betrunkene ist wie ein Kind‹, dachte er – was war er von beiden?

      »Nicht so trübselich,«

      Er war so in Gedanken, dass er die fremde Stimme gar nicht bemerkt hatte.

      ›Wie lässt sich etwas anfassen, was man fühlt?‹

      »dat Meer is ock kin freedsamer Ort.«

      ›Es fehlt an Wahnsinn.‹

      »Was?« verwirrt drehte er sich nach der Stimme um.

      »Ick hab vorhin gehört, wat de über dat Meer gesacht has und gloub mir, ick bin schon sou lang ob ihr unterwechs, ick kenn sie besser als meene eegene Fruu.«

      »Sie?«