Die Maske des Pharaos. Micha Rau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Micha Rau
Издательство: Bookwire
Серия: Tommy Garcia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742746306
Скачать книгу
dann passierte, verursachte mir eine Gänsehaut. Als würde ein unsichtbarer Künstler mit einem großen Stift auf den Boden malen, zeichnete sich von selbst über den vier Kreisen eine schnurgerade Linie. Nach vielleicht zwei Metern machte sie plötzlich einen Knick und raste nach unten, direkt auf mich zu! Vor Schreck wollte ich aufspringen, aber ich war immer noch in der Hocke, strauchelte und fiel schmerzhaft auf den Po. Hilflos musste ich zusehen, wie die Linie direkt unter meinem Bein entlangfuhr, dann wiederum einen Knick machte und parallel zu der oberen den Boden ritzte. Atemlos verfolgten wir, wie die Linie wieder nach oben abbog und schließlich ihren Ausgangspunkt erreichte. Entstanden war ein perfektes Rechteck. Eingebettet in dieses Rechteck waren die vier Kreise und die Handabdrücke.

      „Na, Joe, ein ganz normaler Keller?“, lachte Tommy. Ich lächelte gequält. Ich war der einzige, der sich so erschreckt hatte. Die anderen hockten vor dem eigenartigen Bild und beachteten mich gar nicht. Aber schon in der nächsten Sekunde gab es noch drei, die sich erschreckten.

      Janine stieß plötzlich einen spitzen Schrei aus und kippte genau wie ich vorher nach hinten auf den Hosenboden.

      „Es bewegt sich!“

      Wie von der Tarantel gestochen fuhren wir alle zurück und beobachteten, wie sich das Rechteck anhob. Nicht nur das, während die Platte aus dem Boden trat, veränderte sich ihre Farbe zu einem Bronzeton und die eingeritzten rätselhaften Zeichen wirkten jetzt plastisch. Dann stand die Platte vielleicht zwei Zentimeter über dem Boden hervor und rührte sich nicht mehr. Vorsichtig hockten wir uns wieder neben sie. Selbst auf die Hunde war die Spannung übergesprungen. Lazy setzte sich rechts von mir und betrachtete das seltsame Ding, und Jever schmiegte sich an Tommys Beine und kläffte einmal kurz.

      „Ja, mein Kleiner“, sagte Tommy stolz und streichelte seinen Liebling, „du bist der Beste! Du hast die Tafel entdeckt! Dafür kriegst du zu Hause auch eine ganze Leberwurst! Aber jetzt sind wir Zweibeiner dran. Na, was fällt euch dazu ein?“

      Ich fuhr mit den Händen leicht über das Metall. Das Ganze sah aus wie eine Gedenktafel. Aber woran sollte sie erinnern? Unter jedem der Kreise befand sich eine Hand. Sie sahen alle gleich aus. Es waren die Abdrücke von rechten Händen, der Daumen zeigte nach links. Dann bemerkte ich, dass sich zumindest die Kreise unterschieden.

      „Hey, seht mal! Die beiden hier sind in der Mitte halbiert!“

      „Ja“, nickte Janine neben mir. „Und der eine ist dunkler als der andere. Was kann das bedeuten?“

      Wir hockten vor der Tafel und grübelten. Nach einer Weile wurde mir das unbequem und ich kniete mich hin. Die anderen folgten meinem Beispiel. So schnell würden wir das Problem wohl nicht lösen.

      „Da haben wir nun unser Rätsel“, murmelte Tommy. „Aber wie lösen wir es?“

      „Na, mit Denken!“, meinte Sanne herausfordernd. „Wie wär’s, wenn ihr mal nachdenkt! Da sind vier Hände und wir sind vier Leute. Damit könnten doch wir gemeint sein, oder?“

      Tommy schaute Sanne mit ehrlicher Bewunderung an und seufzte. „Ich werde alt. Na klar, Sanne, das ist es! Legt doch mal eure rechten Hände auf die Platte! Mal sehen, ob sie passen!“

      Aber ganz so einfach, wie Tommy sich das vorgestellt hatte, war das Rätsel nicht zu lösen. Die Abdrücke auf der Platte besaßen alle die gleiche Größe, aber unsere Hände waren völlig unterschiedlich.

      „Hm“, machte Tommy und lehnte sich zurück. „Das war’s schon mal nicht. Aber ich könnte wetten, dass Janine Recht hat. Die vier Hände sind ein Zeichen für uns vier. Aber die Kreise müssen auch damit zu tun haben.“

      „Vielleicht so etwas wie die Hieroglyphen?“, fragte ich.

      „Hm“, machte er noch einmal. Dann begann er, laut nachzudenken. „Lasst uns logisch denken. Das hier ist eine Gedenktafel. Sie soll uns an irgendetwas erinnern. Aber an was? Was können Kreise noch bedeuten? Es muss ein Symbol für etwas sein, das wir kennen.“

      Plötzlich klingelte es bei mir und mir wurde heiß.

      „Der Mond!“, schrie ich, und die anderen zuckten zusammen. „Die Mondphase! Denkt doch mal nach! Für die Phase eines Mondes wird beseelt der Auserwählte ...

      Tommy haute sich auf den Oberschenkel, und Sanne und Janine strahlten sich an.

      „Mensch, Joe! Klasse! Das muss es sein! Ich werde wirklich alt.“

      „Macht nichts!“, grinste Sanne. „Aber warum sind es vier Monde?“

      Diesmal wusste Tommy sofort eine Antwort und fuhr mit der Hand über die vier Kreise.

      „Natürlich gibt es nur einen Mond. Das hier sind vier verschiedene Mondphasen. Joe ist doch der Spezialist für Mondphasen. Weißt du noch, mit welcher Phase es beginnt?“

      Die Gelegenheit, mehr zu wissen als Tommy ließ ich mir nicht entgehen. „Klar. Das hier sind nicht vier verschiedene Mondphasen, denn es gibt ja nur eine. Sie beginnt mit Neumond und endet mit Neumond. Also sind das hier Phasen der Phase!“

      Ich lachte, als ich die Gesichter der anderen sah. „Ist doch leicht! Seht her, der erste Kreis ist leer. Also Neumond. Der zweite ist in der Mitte geteilt, also Halbmond. Der dritte ist dunkel ausgefüllt, das muss den Vollmond darstellen, und der letzte ist wieder geteilt, das ist dann der zweite Halbmond, wenn er wieder abnimmt.“

      Ich war hundertprozentig sicher, dass ich Recht hatte. Meine Freunde schwiegen und betrachteten das Relief.

      „So weit, so gut“, meinte Janine. „Aber wo ist dann der zweite Neumond? Damit erst endet doch eine Mondphase!“

      Das stimmte, aber darauf wusste ich auch keine Antwort.

      „Und jetzt?“, drängte Sanne.

      „Jetzt hab ich das Rätsel gelöst!“, meinte Tommy todernst. Wir starrten ihn an.

      „Was?“, entfuhr es mir. „Echt?“

      Tommy nickte und seine Augen blitzten. „Es könnte zumindest sein, dass ich nah dran bin. Wir sind vier. Da sind vier Hände. Klar?“

      Wir nickten erwartungsvoll.

      „Ich weiß, wann du Geburtstag hast, Joe. Und Sannes Geburtstag kenne ich auch. Ist ja nur eine Woche auseinander. Jetzt ratet mal, wann ich Geburtstag habe!“

      Ich kannte Tommy erst drei Monate. Ich war noch gar nicht auf die Idee gekommen, ihn zu fragen.

      „Wann denn?“

      „Am neunzehnten Dezember.“

      Das war genau eine Woche nach mir und zwei nach Sanne. Ich brauchte ein paar Sekunden, aber dann dämmerte es mir. Sanne schaute ratlos von einem zum andern. Tommy und ich grinsten uns an und beinahe wie aus einem Mund fragten wir Janine.

      „Und du?“

      „Ich? Ich hab am achtundzwanzigsten November.“

      „Bingo!“, rief ich und ballte die Faust. „Alle sieben Tage auseinander und genau eine Mondphase lang!“

      Das war unglaublich! Wir waren furchtbar aufgeregt, und eine wahnsinnige Spannung stieg in mir auf. Das könnte die Lösung des Rätsels sein.

      „Deswegen die vier Herzen ... “, flüsterte Janine.

      „Wir gehören wirklich zusammen“, sagte Sanne feierlich. „Ob Mondphase oder nicht. Das ist mir völlig egal. Und was haben wir jetzt davon, dass wir das Rätsel gelöst haben? Wie geht’s jetzt weiter?“

      Gute Frage. Jeder von uns blickte Tommy an. Der hob den Zeigefinger wie ein Lehrer.

      „Vier Hände, vier Leute, vier Geburtstage. Wer ist hier der Jüngste?“

      Das war Janine, dann kam Sanne, dann ich, und Tommy war der Älteste.

      „Wir können zwar jetzt nicht nachforschen, aber ich wette, Janine ist bei Neumond geboren, Sanne bei Halbmond, Joe bei Vollmond und ich ...