Aus dem Off. Ruliac Ulterior. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruliac Ulterior
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752904697
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einiger Scheiben Knäckebrot habe ich gerade wieder ein grippeähnliches Gefühl. Ich werde von nun an auch den Weizen meiden, wenigstens vorläufig. Viel kann ich nicht mehr essen. Allmählich entwickelt sich das Thema Ernährung zu einem Albtraum.

      Freitag, 19. Oktober 2007, 10 Uhr 53

      Soeben hat mich die Sachbearbeiterin der Wohnungsgesellschaft angerufen. Ich habe die Wohnung bekommen! Anfang November fahre ich nach Berlin, um dort die Vertragsunterzeichnung, die Kautionszahlung und die Schlüsselübergabe abzuwickeln. Und Anfang Dezember werde ich mitsamt meines Hausrats in Berlin aufschlagen, genauer gesagt im Stadtteil Köpenick. Ich kanns noch gar nicht fassen!

      Freitag, 19. Oktober 2007, 20 Uhr 6

       Zuerst fuhr ich mit dem Bus zum Hauptbahnhof und zog mir dort für knapp hundert Euro am Automaten die Tickets für meine Fahrt nach Berlin Anfang November. Anschließend fand in meiner Wohnung ein Besichtigungstermin mit einem potentiellen Nachmieter und dem Hausmeister statt.

      Telefonisch habe ich meinem Stromversorger erneut gekündigt, diesmal zum neuen Umzugstermin. Als mich mein Vermieter zur Vereinbarung eines weiteren Besichtigungstermins für eine mögliche Nachmieterin anrief, informierte ich ihn darüber, dass sich alles um einen Monat nach vorne verschoben hat. Bisher konnte es mir gleichgültig sein, ob jemand meine Wohnung anmieten möchte. Nun aber bin ich darauf angewiesen, dass vor meinem Auszug ein Nachmieter gefunden wird.

      Im Anschluss an dieses Telefonat fuhr ich zur Autovermietung und verschob meine Reservierung für den Umzugs-LKW. In der Innenstadt kaufte ich für Petra dann noch original Aachener Printen, als kleines Dankeschön für ihre Hilfe bei der Wohnungssuche.

      Montag, 22. Oktober 2007, 15 Uhr 15

       Gestern und heute rotierte ich organisatorisch noch einmal. Zunächst fasste ich die ganzen chaotischen Notizen zusammen, die ich während der letzten Zeit gesammelt hatte, und ordnete sie. Dann folgte eine gründliche Finanzkalkulation. Und diese endete mit einem gewissen Erschrecken: Kaution, Möbeltransport, erste Miete, Zugfahrkarten - ein Spielraum sieht anders aus.

      Nach einem intensiven Blick auf die Verkehrsverbindungen in meinem zukünftigen Wohnumfeld recherchierte ich mir schließlich noch meine Anbieter für Strom und Telekommunikation zusammen. Den Internetzugang werde ich mir bei dem Provider holen, der meine neue Wohnung auch bereits mit Kabelfernsehen versorgt. Der Verfügbarkeits-Check auf der Website dieses Anbieters endete mit einem positiven Ergebnis. Mit etwas Glück werde ich durch den Umzug nur ein oder zwei Tage vom Internet getrennt sein. Telefonieren werde ich in Berlin ausschließlich über das Handy, und zwar mit einer Flatrate für Anrufe ins Festnetz. Das erleichtert mir auch die Organisation des Umzugs.

      Was den Strom angeht, bin ich jetzt endlich meinem Gewissen gefolgt und habe mir einen Anbieter für Ökostrom auserkoren. Bei meinen Verbrauchswerten zahle ich dort im Vergleich zum billigsten Normalstromanbieter zehn Euro mehr im Monat, aber das ist ein fairer Preis für ein gutes Gewissen, finde ich - eigentlich sogar ein echtes Schnäppchen.

       Heute war ich auf dem Amt und habe dort einen neuen Personalausweis abgeholt, den ich vor einigen Wochen beantragt hatte. Das dürfte mein letzter Behördengang in Aachen gewesen sein. Danach ging ich noch zum Zahnarzt, wegen der anstehenden jährlichen Kontrolluntersuchung samt Zahnsteinentfernung. Zahnarztbesuche sind für mich stets mit besonderen psychischen Belastungen verbunden, doch ich wollte das noch vor dem Umzug hinter mich gebracht haben. Ein neuer Ausweis sowie ein überprüftes und gereinigtes Gebiss - ich wappne mich für den großen Sprung. In fünf Wochen werde ich in Berlin wohnen!

       Dienstag, 23. Oktober 2007, 19 Uhr 40

      Es fing eigentlich ganz harmlos an: die üblichen Berlin-Recherchen im Netz, immer wieder unterbrochen durch Sprünge in die Excel-Tabelle, mit der ich meine Einnahmen und Ausgaben kalkuliere, gefolgt von der wachsenden Erkenntnis, dass es finanziell so auf Dauer nicht weitergeht.

      Im vorigen Jahr war hier in Aachen ja mein Antrag auf BAFöG aufgrund meines zu hohen Alters abgelehnt worden. Wie ich aber kürzlich von einer guten Forenbekannten erfuhr, werde das mit der Altersgrenze in Berlin trotz bundeseinheitlicher Gesetze anders gehandhabt. Heute begab ich mich auf eine ausgiebige Netz- und Telefonrecherche zu diesem Thema. Ein Berliner Kolleg in der Nähe meiner zukünftigen Wohnung und das dafür zuständige BAFöG-Amt waren schnell ausfindig gemacht. Durch zahlreiche Telefongespräche mit Kolleg-Sekretariaten und BAFöG-Bezirksämtern vermochte ich schließlich in Erfahrung zu bringen, dass man in Berlin tatsächlich BAFöG erhalten kann. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass man zuvor an einem Berliner Kolleg einen halbjährigen Vorkurs absolviert hat. Dann erhält man für die Dauer des dreijährigen Hauptkurses BAFöG, und das auch jenseits des dreißigsten Lebensjahres. Um den Vorkurs wäre ich sowieso nicht herumgekommen, alleine schon wegen der Jahrzehnte, die seit meinem letzten Schulunterricht verflossen sind.

      Bei der bundesweiten BAFöG-Hotline wusste allerdings keine der drei von mir befragten Mitarbeiterinnen etwas über die Berliner Verfahrensweise. Laut deren Auskunft sei so etwas durch keinen Paragraphen gedeckt. In Berlin hatte man mir auch nicht so recht klarmachen können, auf welcher Grundlage das dort anders gehandhabt wird als in Aachen. Schließlich klingelte ich sogar im Berliner Kultusministerium an, um eine endgültige Klärung zu erreichen. Dort war die Dame in der Telefonzentrale zwar sehr bemüht, sonst hob jedoch niemand den Hörer ab. Daraufhin entschied ich mich genervt, meine Nachforschungen einzustellen.

      Wenn die auf den Berliner Bezirksämtern mir übereinstimmend sagen, dass ich BAFöG kriegen würde und die in den Sekretariaten der Kollegs mir zudem bestätigen, dass ihre über dreißigjährigen Schüler auf dieser Grundlage tatsächlich ihr BAFöG erhalten, dann kann mich das bundesweite geltende BAFöG-Gesetz mal gepflegt am Arsch lecken.

      Dass meine niedrige Rente aufgrund eines Freibetrages nicht bei der Ermittlung meines BAFöG-Satzes angerechnet werden würde, weiß ich schon länger. Ebenso, dass mir dadurch mehr Geld zur Verfügung stände als jetzt.

      Es kostete mich am Ende keine große Überwindung mehr, das Bewerbungsformular des Kollegs herunterzuladen und auszufüllen, ein Begleitschreiben und einen tabellarischen Lebenslauf auszudrucken, Zeugnisse kopieren zu gehen und zwei Passfotos beizufügen, die ich kürzlich in einer Fotokabine anlässlich der Beantragung meines neuen Personalausweises aufgenommen hatte. Irgendwie mache ich ja in letzter Zeit sowieso schon nichts anderes mehr als solche Dinge. Zur Post habe ich es allerdings nicht mehr rechtzeitig geschafft. Das erledige ich dann noch morgen.

      Jeweils im Januar beginnen die Vorkurse. Ende dieser Woche läuft die Bewerbungsfrist aus. Ab Dezember in Berlin, ab Januar auf dem Weg zum Abitur. Da hat mich wohl jemand von der Kette gelassen.

      Nicht, dass ich keine Ängste mehr hätte, aber ich kann ganz einfach nicht mehr anders.

      Samstag, 3. November 2007, 14 Uhr 30

      Um kurz vor drei Uhr bestieg ich heute Morgen den Zug Richtung Berlin und seit heute Mittag habe ich den unterschriebenen Mietvertrag in der Tasche. Nun sitze ich bei Petra zu Hause an deren Laptop.

      Eben war ich zum ersten Mal in meiner neuen Wohnung, um sie auszumessen und eingehend zu begutachten. Ich bin erleichtert, dass alles geklappt hat, aber auch etwas ernüchtert. Es ist eben doch eine Traumwohnung, in der ich da noch in Aachen lebe. Als ich zu Fuß zum ersten Mal in die Straße einbog, in der nun bald wohnen werde, und mit den aneinandergereihten turmhohen Wohnsilos konfrontiert wurde, löste das in mir ein Gefühl der Beklemmung aus.

      Aber man zahlt für alles einen Preis und ich würde mich immer wieder so entscheiden, wie ich das getan habe. Ich bin so froh, endlich aus Aachen wegzukommen!

      Sonntag, 4. November 2007, 22 Uhr 11

      Auf meinem frühmorgendlichen Rückweg wurde ich in einer Berliner S-Bahn von einer besoffenen Engländerin vollgelallt. Sie hatte angeblich die Jacke ihres Freundes an, ihre eigene