Nebeneinander trabten der Fürst und sein Scharführer die Hauptstraße
entlang, wobei Kormund einmal hastig die Lanze mit dem Wimpel einziehen
musste, als sie dicht unter einem Hausvorsprung hindurchritten. Er stieß ein
leises Knurren aus und wurde wieder ernst. »Zu viele Menschen.«
»Was wollt Ihr damit sagen, guter Herr Kormund?« Garodem sah seinen
Scharführer auffordernd an.
»Sie werden wiederkommen. Bald, mein Hoher Lord. Ich spüre es in den
Knochen.«
»Nichts gegen Eure Knochen, mein alter Freund«, seufzte Garodem. »Aber
auch ich spüre meine Knochen, und das liegt bestimmt nicht am Nahen der
Orks.«
»Es ist schon zu lange ruhig, Garodem, mein Herr. Fast drei Jahre lang
sind wir ohne guten Kampf gewesen.«
Garodem lachte leise auf. »Nichts für einen richtigen Pferdelord, nicht
wahr? Euch juckt die Lanze in den Händen.«
Kormund nickte und wies mit einer unbestimmten Geste um sich. »Seht
Euch um, mein Hoher Lord Garodem. Viel zu viele Menschen, und sie
werden satt und träge. Als wir um unser tägliches Brot kämpfen mussten,
waren die Menschen hartgesottener. Oh, die Männer und Frauen in den
Gehöften und Weilern sind noch immer hart, Garodem, mein Herr. Aber die
Menschen hier in Eternas üben sich kaum noch im Gebrauch der Waffen. Sie
schätzen nicht mehr die Kraft der Lanze, sondern nur noch die Weichheit der
Gewänder und den Genuss des Blutweins aus Malvins Schänke.«
Garodem sah den Scharführer nachdenklich an. »Ich verstehe, was Ihr
meint, alter Freund. Ihr mögt nicht ganz unrecht damit haben.«
Der Pferdefürst blickte freundlich um sich, nickte den Menschen zu und
begriff, dass Kormund sie mit anderen Augen sah. Und als Garodem die
Bewohner der Stadt nun selbst näher betrachtete, fielen ihm mit einem Mal
Veränderungen auf, die er bislang nicht beachtet hatte. Einiges an Kormunds
Worten war nur allzu wahr. Die Menschen von Eternas begannen sorglos zu
werden. Garodem musterte die Gebäude. Manche der Türen waren längst
nicht mehr so massiv und widerstandsfähig gebaut, wie dies noch vor
wenigen Jahren der Fall gewesen war. Sie waren leichter, zierlicher und
bequemer zu betätigen. Auch manche der Fensterläden wiesen diesen Makel
auf, und Garodem erkannte überrascht, dass in vielen der Fensterklappen
nicht einmal mehr Schießscharten vorhanden waren, durch die Pfeile auf
einen Angreifer abgeschossen werden konnten.
Der Pferdefürst räusperte sich nachdenklich und sah seinen Scharführer
ernst an. »Ich fürchte, an Euren Worten ist mehr wahr, als mir lieb sein kann.
Ich werde mit Larwyn darüber sprechen.«
Kormund verlor kein Wort darüber, dass sein Pferdefürst ein ernstes
Problem mit seiner Gemahlin besprechen wollte. Ein guter Pferdelord
besprach alle Probleme mit seinem Weibe, denn schließlich teilten sie nicht
nur die Bettstatt miteinander, sondern hatten auch eine gemeinsame
Verantwortung für ihr Leben und das ihrer Kinder. Kormund spuckte aus.
Vielleicht galt dies für die Bewohner Eternas ja gar nicht mehr. Aber Larwyn
war keine Bewohnerin der Stadt, sie war eine rechtschaffene Frau des
Pferdevolkes, und es war gut, wenn Garodem sich mit ihr besprach.
Der Scharführer war froh, die bedrückende Enge zwischen den Häusern
der Stadt hinter sich lassen zu können, und vielleicht ging es Garodem
ebenso, denn der Fürst trieb sein Pferd zu einem raschen Galopp, der die
kleine Gruppe über den breiten und mit geebneten Steinen ausgelegten Weg
hin zur Burg führte.
Doch zuvor lenkte Garodem sein Pferd noch über die steinerne Brücke an
das gegenüberliegende Ufer des Flusses Eten. Kormund bemerkte die
überraschten Blicke der Torwache, als sie kurz vor dem Ziel noch einmal
abbogen und die kleine Schar Garodem über die Brücke folgte.
Am anderen Ufer erstreckten sich die Baumbestände der Hochmark. Jene
Bestände, die aufgrund ihres hohen und geraden Wuchses so wertvoll waren.
Gerades und starkes Holz für gute Pfeile und gute Lanzen. Vor den dichten
Baumreihen erstreckte sich ein flacher langer Hügel. Ein viel zu langer Hügel,
denn seine Erde bedeckte die Opfer der Schlacht um Eternas: Männer, Frauen
und Kinder, die im Kampf gegen die Orks gefallen waren.
Garodem stoppte sein Pferd, ließ die Zügel fallen und saß ab. Sein Pferd
würde dort selbst im dichtesten Schlachtgetümmel stehen bleiben, bis er es
wieder herbeirief, denn es war zum Kampf ausgebildet.
Der Pferdefürst schritt zu dem Hügel hinüber, und seine Gedanken waren
bei jenen, die nach dem Glauben des Pferdevolkes nun zwischen den
Goldenen Wolken einhereilten.
»In des Lebens Wonne und des Todes Not, soll Eile sein stets das Gebot,
in Treue fest dem Pferdevolk, der Hufschlag meines Rosses grollt, soll Lanze
bersten, Schild zersplittern, so wird mein Mut doch nie erzittern, ich stehe fest
in jeder Not, mit schnellem Ritt und scharfem Tod.«
Es war der Treueid des Pferdevolkes, den jeder Pferdelord leistete, wenn er
den grünen Umhang erhielt, und Kormund und die anderen Begleiter
Garodems lauschten ergriffen den leisen und festen Worten ihres Fürsten.
Keiner von ihnen würde diesen Eid jemals brechen oder vergessen, dass die
hier ruhenden Toten gestorben waren, um dem Pferdevolk eine Zukunft zu
ermöglichen. Kormund wusste, das der Pferdefürst und viele seiner
Schwertmänner oft an diese Stätte der Erinnerung kamen, um den Toten Ehre
zu erweisen, aber er konnte sich nicht erinnern, in den letzten beiden Jahren
einen der Stadtbewohner hier gesehen zu haben, und das erfüllte ihn mit
wachsendem Grimm.
Garodem blickte an dem langen