verständnisvoll.
Da erklang hinter ihnen ein lauter Schrei, der den Lärm der Holzarbeiten
übertönte. Garodem wandte sich um, und auch Helderim blickte erschrocken
über seine Schulter und erkannte einen Baum, der sich erst zögernd zu neigen
schien, dann jedoch immer schneller und genau in ihre Richtung dem Boden
entgegenstürzte. Offensichtlich war eine der stabilisierenden Leinen gerissen.
Die andere Leine zog ein paar schreiende Männer hinter sich her, die den
Baum nicht mehr zu halten vermochten und schließlich fluchend losließen,
während der massige Stamm auf den Pferdefürsten niedersauste.
Garodem spürte den harten Stoß, mit dem der schmächtige Händler sich
gegen ihn warf, und instinktiv gab er dem Impuls nach, packte Helderim am
Überwurf seines Gewandes und zog ihn mit sich. Beide stürzten übereinander
in die Deckung eines Stammes, hörten das rasende Rauschen und spürten
dann die Wucht des Schlages, mit dem der Baum auf den Boden prallte.
Zweige peitschten ihre Körper und einer von ihnen riss eine blutige Strieme
über Garodems Wange. Federnd kam der Baum zur Ruhe, und Männer
hasteten herbei, um nach Garodem und dem Händler zu sehen.
Haronem war der Erste, der sich durch die Zweige hindurchkämpfte und
sich besorgt über Garodem beugte. »Ist Euch etwas geschehen, Garodem,
mein Hoher Lord?«
Helderim sah den Schwertmann giftig an. »Es geht uns beiden gut, danke
der Nachfrage.«
Guntram blickte über Haronems Schulter. »Ihr seid klein genug, um unter
jedem Ast hindurchzuschlüpfen, guter Herr Helderim.«
Ein Arbeiter prüfte die Äste, die Garodem und Helderim am Boden hielten.
»Habt noch einen Augenblick Geduld, mein Hoher Lord. Nur ein paar Hiebe,
und Ihr könnt Euch unbekümmert wieder erheben. Doch wartet, bis ich es
Euch sage. Einige der Äste stehen noch unter Spannung, und ein
vorschnellender Ast kann einem ausgewachsenen Mann den Kopf abreißen.«
Helderim, der eifrig versucht hatte, sich unter dem Baum hervorzuarbeiten,
erstarrte erschrocken und ließ sich hastig wieder zu Boden sinken. Garodem
blickte den zierlichen Händler ermutigend an. »Sagt, guter Herr Helderim, in
welche Mark soll Euch der Handel mit den Vergrößerungssteinen denn
führen?«
»Ich dachte an die Ostmark, Garodem, mein Hoher Lord«, gestand der
Händler. Er ahnte Garodems unausgesprochene Frage. »Dort in der Nähe gibt
es ausgedehnte Moore. Der Torf wäre eine gute Handelsware.«
Egal, in welcher Lage sich der gute Helderim auch befinden mochte, sein
Geschäftssinn würde ihn nie verlassen. Garodem hörte das Schlagen der Äxte
und spürte, wie der Druck der Zweige von ihm wich. Er lächelte Helderim
freundlich an. »Kommt morgen vor dem Mittag zu mir. Dann werden wir
alles in Ruhe besprechen.«
Aber zuvor würde Garodem einige Worte mit seiner Larwyn wechseln.
Und, wenn er es recht bedachte, durchaus noch mehr als Worte.
Kapitel 6
Eigentlich war es eine richtige Stadt, aber man hatte ihr nie einen eigenen
Namen gegeben, sondern nutzte die Bezeichnung des Ortes, an dem sie sich
erhob. Die Weißen Sände waren ein fester Begriff für das elfische Volk und
erstreckten sich am westlichsten Punkt ihres Landes, unmittelbar am Meer. Es
war eine große Bucht, die von einem Strand in der Form eines Halbmondes
eingefasst war. Die zum Meer weisenden Enden dieses Halbmondes
berührten einander fast, sodass nur ein schmaler Wasserweg das offene Meer
mit der geschützten Bucht verband. Der Strand bestand aus feinstem weißen
Sand, aus dem die elfischen Sandbrenner besten Klarstein für die zahlreichen
Fensteröffnungen in den Behausungen des Elfenvolkes fertigten. Doch
obwohl ihn die Sandbrenner schon seit so vielen Jahrtausenden nutzten, spülte
das Meer immer wieder genügend davon an, und daher wurde der Sand nicht
weniger.
Angrenzend an den Strand erhoben sich schroffe Klippen steil in den
Himmel und umgaben die Bucht wie eine schützende Mauer. Zur Landseite
hin fielen die Klippen scharfkantig und steil wieder ab, und kein Angreifer
konnte hoffen, sie zu erklimmen. Nur die zahlreichen Seevögel nutzten sie,
um hier zu nisten und ihren Kot zu hinterlassen. Das elfische Haus, das hier
lebte, hatte sich längst an den Schmutz und das Geschrei der gefiederten
Segler gewöhnt. An der Innenseite der Klippenwand befanden sich die Häuser
des Elfenvolkes. Zierlich und grazil aus feinen Hölzern erbaut, wirkten sie
äußerst zerbrechlich. Schmale Treppen verbanden die Häuser untereinander
und mit dem Boden, wobei die gedrehten Hölzer ihrer Geländer kaum den
Eindruck machten, als könnten sie einem Halt verschaffen. Häuser und
Treppen variierten in Größe und Form, sie wirkten willkürlich verteilt und
doch auf elfische Weise organisch, als seien die Gebäude aus den Klippen
hervorgewachsen, um deren Schroffheit Leben und Harmonie zu verleihen.
Kein Rauch kräuselte sich über den Kochstellen der Häuser, denn die Elfen
verstanden sich darauf, ihn zu vermeiden. Einige der Häuser waren den
Formen der Meerestiere nachempfunden und zeugten von der Verbundenheit
des Elfenhauses mit dem Meer. Das größte Gebäude wies die Form einer
Muschel auf und diente den hier lebenden Elfen als Versammlungsraum. Die
geschwungene Fassade war mit einem Gemisch aus dem Dung der Vögel und
dem weißen Sand des Strandes gestrichen, aber der einst unangenehme
Geruch war längst verflogen.
Unten am Strand gab es nur in einem begrenzten Bereich Gebäude, denn
die Elfen wollten die Schönheit der Weißen Sände nicht unnötig
beeinträchtigen. Hier schoben sich lange Stege in