»Zur Burg, alter Freund Garodem?«, fragte Kormund mit gesenkter
Stimme, noch immer unter dem Eindruck von Garodems Worten.
Der Pferdefürst atmete erneut tief durch und schüttelte den Kopf. »Nein,
ich will erst nach dem Holzeinschlag sehen, Kormund, alter Freund.« Er legte
die Hand in einer kurzen und freundschaftlichen Geste auf Kormunds Arm.
»Wir dürfen das hier niemals vergessen.«
Kormund wollte Garodem in diesem Moment nicht darauf hinweisen, dass
es sehr wohl Menschen gab, die diesen Ort bereits aus ihrem Gedächtnis
verbannt hatten. »Das werden wir nicht. Kein wahrer Pferdelord wird das
Geschehen jemals vergessen.«
Garodem nickte. »Ihr könnt mit den anderen zur Burg reiten. Ich folge
euch dann später nach.«
Kormund nickte zögernd. Aber zwischen den Bäumen hindurch ertönten
das Schlagen von Äxten und die Stimmen von Männern und Frauen, sodass
Garodem wohl keine Gefahr durch ein Raubtier mit vier oder zwei Beinen
drohen dürfte. Er nickte erneut, winkte dann den anderen Männern, und die
kleine Schar trabte über die Brücke zur Burg hinüber, während Garodem sein
Pferd zum Holzeinschlag lenkte.
Diesseits der Brücke gab es keine gepflasterten Wege mehr, und so hatten
sich hier die Räder der Holztransporter tief in den Boden gegraben. Es war
leicht, dem Lärm zu folgen und den Ort zu finden, wo Männer und Frauen aus
Eternas die ausgewiesenen Bäume fällten. Garodem sah zu den Wagenspuren
und stieß ein missmutiges Knurren aus. Die Abdrücke unterschieden sich und
zeigten dem Pferdefürsten, dass hier Fuhrwerke aus der Hochmark neben
denen einer anderen Mark gerollt waren. Die Räder der Hochmark
hinterließen schmale Furchen, die anderer Fahrzeuge sehr viel breitere. Der
Grund lag in der unterschiedlichen Beschaffenheit der Räder. Der einstige
Holzmangel der Hochmark hatte zur Entwicklung von stabilen
Speichenrädern geführt. Das sparte kostbaren Rohstoff und machte die Räder
sehr viel leichter. Die waldreichen anderen Marken des Pferdevolkes
benutzten noch immer die traditionellen Scheibenräder aus massivem Holz,
die jedoch weniger stabil waren und daher fast doppelt so breit gebaut werden
mussten, wodurch sie sehr viel schwerer wurden. Auf diesem Pfad war ein
ebensolches Fuhrwerk gerollt, was den Unmut des Pferdefürsten hervorrief,
denn es hatte hier nichts zu suchen.
Garodem ließ seinen Hengst im Schritt gehen, und langsam wurde der
Lärm der Arbeiter deutlicher. Er vernahm das Schnalzen von Peitschen, Rufe
und das Schlagen der Äxte, dazwischen das Knarren und Brechen fallender
Stämme, gemischt mit dem Rauschen der Äste, sobald sie mit den Blättern
auf den Boden schlugen.
»Aus dem Weg mit dir, willst du erschlagen werden?«, drang ein wütender
Zuruf an Garodems Ohren, und ein Mann trat, mit seiner Axt gestikulierend,
zwischen den Bäumen hervor. »Der Baum wird gleich fallen.« Der
Holzarbeiter kniff die Augen zusammen und erkannte erst jetzt den
Pferdefürsten. Errötend neigte er den Kopf zum Gruß. »Verzeiht, mein Hoher
Lord, ich habe Euch nicht erkannt.« Er räusperte sich. »Dennoch, geht aus
dem Weg, zu Eurer eigenen Sicherheit.«
Der Mann hatte kaum ausgesprochen, als auch schon ein Knarren und
Rauschen zu hören war. Der Holzarbeiter trat in den Schutz eines dicken
Stammes, und Garodem lenkte sein Pferd zur Seite. Nur ein Stück von ihnen
entfernt schlug der gefällte Baum zu Boden. Eine Wolke von Blättern und
abspringenden Ästen wirbelte auf, und einige Holzsplitter flogen umher, ohne
jedoch jemanden zu verletzen, denn die gewarnten Holzarbeiter hatten sich
rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
Garodem nickte dem Mann zu, dann stieg er ab, ließ die Zügel hängen und
ging in Richtung des gefällten Stamms, von wo erneut das Schlagen von
Äxten sowie Stimmen ertönten. Er schritt an einigen Bäumen vorbei, deren
Rinde einen kreuzförmigen Schnitt aufwies. Garodem hatte sie persönlich auf
diese Weise markiert und sie so zum Schlag freigegeben. An einem der
Bäume kletterte gerade ein Mann hinauf, um starke Lederseile am Stamm
unterhalb der Krone zu befestigen. Danach würde man an dessen Basis mit
Äxten die beiden Kerben schlagen, die den Baum schwächten. Das Setzen der
Kerben würde die Fallrichtung bestimmen, und die Männer an den Leinen
sollten dafür sorgen, dass sich der Baum beim Sturz nicht drehte oder sich im
Geäst benachbarter Stämme verfing.
An dem soeben gefällten Baum waren andere Männer dabei, die Äste
abzuschlagen, und Garodem erkannte zufrieden einen seiner Schwertmänner
und den alten Schmied Guntram unter ihnen, welche diese Arbeit
beaufsichtigten. Die grauen Haare und die etwas gebeugte Körperhaltung des
muskulösen Schmiedes waren unverkennbar, ebenso seine spitze Zunge, für
die er bekannt war. Er galt als etwas streitsüchtig, und dass sein Mund fast
zahnlos war, ging auf einen kurzen, aber intensiven Disput mit dem Ersten
Schwertmann von Garodems Wache zurück. Doch trotz seiner zunehmenden
Kurzsichtigkeit war er noch immer einer der besten Waffenschmiede in der
Hochmark.
Gerade scheuchte Guntram einen der Holzarbeiter vom Stamm zurück.
»Bist du den dunklen Abgründen verfallen, du Narr? Siehst du nicht, wie gut
dieser Ast gewachsen ist? Er wird eine hervorragende Lanze abgeben, aber du
willst den schönen Schaft zerschlagen!«
Der Schmied hatte den Oberkörper entblößt, wie viele der anderen Männer
auch, und ließ dabei viele alte Narben sehen, die von vergangenen
Verletzungen herrührten. Späne und Blätter klebten auf der schweißnassen
Haut und verliehen Guntram das Aussehen eines fremdartigen Wesens. Der
neben ihm stehende Schwertmann ertrug die herrschende Hitze mit stoischer