man empfand, wenn ein Geliebter dem Feind entgegenritt. Sie scheute davor
zurück, diese Sorge erneut zu erleben oder gar der Grund dafür zu sein. Aber
niemand konnte die Zukunft weissagen.
Ihre Empfindungen gegenüber Hauptmann ta Geos waren eher
freundschaftlicher Art. Jedenfalls sagte sie sich dies immer wieder, denn es
hatte einige Nächte gegeben, in denen sie diesem Grundsatz untreu geworden
war. Nächte, in denen die Einsamkeit zu groß wurde, um nicht die Nähe eines
anderen Menschen zu suchen. Ta Geos mochte im Gefecht nicht sonderlich
fantasievoll sein, dennoch hatte er seine Qualitäten. Er war ein Meister im
Kampf, ein ausgezeichneter Berittführer und auf der Bettstatt ein exquisiter
Liebhaber. Vor allem aber, und dies schätzte Livianya besonders, nutzte er
diese sehr persönlichen Begegnungen niemals, um einen Vorteil daraus zu
ziehen. Manchmal erwog die Hochgeborene tatsächlich, sich mit ihm zu
verbinden. Er war ebenfalls adlig, wie die Bezeichnung »ta« verriet, und
somit eine standesgemäße Partie. Es mochte durchaus sein, dass sie ta Geos
sogar liebte. Die Garde hingegen liebte sie in jedem Fall. Sie konnte sich
nicht vorstellen, jemals die Rüstung abzulegen und nicht mehr mit ihren
Männern hinauszureiten. Doch wenn sie sich vermählte, musste sie dem
entsagen. Für Livianya war das unvorstellbar.
Als sie und Bernot ta Geos nun über den Vorplatz vor dem Turm schritten,
war die Anlage von der üblichen Betriebsamkeit erfüllt.
Die Pferde wurden gefüttert und getränkt, und einige der Tiere standen an
der Schmiede, da sie neu beschlagen werden mussten. Zwei von ihnen
wurden am Zügel über den Platz geführt und dabei kritisch von einigen
Gardisten und dem Heiler Maratrans beäugt, da sie ein wenig lahmten.
»Wir haben zwanzig neue Pferde aus Nerianaris bekommen«, erläuterte
Bernot. »Einige davon sind nur halb zugeritten. Der Hauptmann des Beritts
hat es bei der Abnahme nicht bemerkt.« Er registrierte Livianyas Blick und
lächelte. »Ich habe bereits mit ihm gesprochen. Das nächste Mal wird er mehr
Sorgfalt walten lassen.«
Aus der Waffenschmiede drang rhythmisches Hämmern. Die Laute
klangen etwas dumpfer als gewöhnlich. Offensichtlich versah der
Waffenmeister die Tellerlanzen nun ebenfalls mit der Quetschspitze. »Wir
werden mehr Weichmetall benötigen«, meinte Bernot. »Auch wenn ta
Andarat sich dagegen ausgesprochen hat, gehe ich davon aus, dass Ihr
weiterhin Jalanne bestreifen wollt.«
»Das werde ich.« Livianya blieb stehen und sah ihn forschend an. »Er hat
es nicht direkt verboten, und das kann er auch nicht. Er ist zu schlau, um das
zu tun. Ihr seid dagegen, Hauptmann?«
Er lächelte. »Ich teile Eure Meinung, Hochgeborene.«
In Anwesenheit anderer bemühten sie sich immer, die Form zu wahren,
auch wenn der eine oder andere Gardist ahnen mochte, dass zwischen ihnen
mehr war als reine Disziplin. Außerdem erleichterte es die Distanz Livianya
und Bernot, ihre Meinungen ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten
auszutauschen. Bernot mochte ein zu gradliniger Denker sein, aber er war ein
ausgezeichneter Praktiker, wenn es um das Töten des Feindes ging. Die
Hochgeborene schätzte sein Urteil ebenso wie seine Fertigkeiten.
»Oberkommandeur ta Enderos teilt meine Befürchtungen«, sinnierte
Livianya. »Ich weiß es. Er hat den Instinkt eines guten Gardisten.«
»Im Frieden kann er nicht allein entscheiden.«
»Frieden.« Sie spuckte das Wort förmlich aus. »Ein Frieden, in dem meine
Gardisten sterben oder verstümmelt werden.«
»Weil Ihr die Grenze überschreitet und die Männer nach Jalanne führt.«
»Würdet Ihr das nicht tun, Bernot?«
Er schwieg einen Moment. »Ohne Eure Unterstützung? Nein, ich glaube
nicht.«
Sie schätzte diese Offenheit an ihm. Er war kein Speichellecker. »Warum
nicht?«
Er sah sie ernst an. »Ihr seid Kommandant von Maratran. Ihr habt die
Liebe des Volkes und den Respekt der Garde. Und Ihr habt das Ohr des
Oberkommandierenden und des Königs.« Erneut lächelte er. »Darüber kann
sich auch ta Andarat nicht einfach hinwegsetzen. Ich hingegen,
Hochgeborene, bin nur ein einfacher Hauptmann und Berittführer.«
»Auch Ihr seid adlig, und Ihr seid mein Stellvertreter, vergesst das nicht.«
»Niemals«, versicherte er.
Das Pochen aus der Waffenschmiede verstummte, und ein schlanker
Mann, dem der Schweiß in dichten Bahnen über den Oberkörper floss, trat
hervor. Er hielt eine der abgeänderten Tellerlanzen in den Händen und
begutachtete sein Werk. Zufrieden nickend, reichte er die Waffe einem
Gehilfen, der ihm gefolgt war. Dann erblickte er Livianya und ta Geos und
eilte auf sie zu. »Auf ein Wort, Hochgeborene Herrschaften, auf ein Wort.«
Für einen Schmied hatte er eine beinahe zerbrechliche Statur, und doch
war er einer der besten Waffenmeister des Königreiches. Daik ta Enderos
hatte den Mann in Alneris ausfindig gemacht. Dort war er für seine Kunst
berühmt, wundervoll verzierte Waffen herzustellen, die von den Adligen des
Reiches gerne bei Paraden und Bällen getragen wurden. Ta Enderos’
spöttische Frage, ob er sich nicht auch für echte Waffen interessiere, hatte bei
dem Schmied zunächst Empörung und dann Interesse geweckt. Als er dem
Oberbefehlshaber der Gardekavallerie zur Demonstration ein Schwert
fertigte, dessen Qualität fast an die der elfischen Klingen herankam, hatte ta
Enderos versucht, den Waffenschmied zum Dienst in der Garde zu überreden.
Doch der Mann hatte rundweg abgelehnt und stattdessen angeboten, als
einfacher Handwerker nach Maratran zu gehen. Für ihn erwies sich dieser
Weg