Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Die Pferdelords
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750222137
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doch ausschließlich das Problem der

      Lemarier zu sein. Es besteht keine Veranlassung, dass sich die tapferen

      Männer der Garde ihretwegen in Gefahr begeben. Oder deren schöner

      Kommandant«, fügte er hinzu.

      »Eines Tages könnten diese Bestien unsere Grenze direkt bedrohen«, gab

      Livianya zu bedenken. »Jetzt sind sie vielleicht noch zu schwach dazu.«

      Er wedelte mit dem Tuch. »Wenn dies wirklich einmal der Fall sein sollte,

      so wird Euch der Kronrat die erforderlichen Truppen bewilligen. Aber dieser

      Tag scheint mir doch noch sehr weit entfernt zu sein.« Er seufzte. »Bedenkt,

      Hochgeborene, der Unterhalt der Garde kostet eine Menge goldener

      Schüsselchen. Ich bin dem Kronrat und Ihrer Majestät gegenüber

      verantwortlich, sie nicht zu verschwenden.«

      Einer der Gardisten schnaubte verächtlich, und als ta Andarat den Mann

      ansah, erwiderte dieser trotzig seinen Blick. Ta Andarat räusperte sich und

      sah erneut in das Land von Jalanne hinunter. »Wie ich es bereits erwähnte,

      wenn sich eine wirkliche Bedrohung ergibt, so werden König und Kronrat

      Euch sofort zur Seite stehen.« Abermals bemühte er sein feines Tuch. »Doch

      nun sollten wir uns zurückziehen. Es ist ein wenig zugig hier, und ich

      verspüre ein Kratzen in der Kehle.«

      Er ging zum Aufzug und blickte dann noch einmal zu dem

      Vergrößerungsrohr zurück. »Ein beachtenswertes Gerät. Vielleicht sollte ich

      es mit mir nehmen. Um es, äh, herumzuzeigen. Es könnte auch den anderen

      Festungen nützlich sein.«

      Livianya sah ihn abweisend an. »Nun, das müsst Ihr den Hochgeborenen

      Lord ta Enderos fragen. Er hat es geschenkt bekommen.«

      »Ja, sicher. Nun, es ist auch nicht von besonderem Belang.«

      Die Plattform glitt wieder nach unten. An der Basis des Turms setzte sie

      inmitten des Podestes auf, das einen bequemen Zutritt ermöglichte.

      »Wir haben ein bescheidenes Mahl und ein Quartier für Euch vorbereitet,

      Hochgeborener«, sagte Livianya mit gezwungener Freundlichkeit. Das Mahl

      war in der Tat bescheiden, ebenso wie das Quartier. Nicht besonders schlecht,

      aber auch nicht das Beste, was Maratran zu bieten hatte. Er erhielt die gleiche

      Behandlung wie ihre Männer. Sie sah keinen Grund, ta Andarat mehr

      zuzubilligen, als er verdiente. Mochten andere ihm das Gesäß ausputzen, um

      seine Gunst zu gewinnen, sie würde das nicht tun.

      »Ich bedauere zutiefst, Hochgeborene, doch in Alneris erwarten mich

      dringende Amtsgeschäfte.«

      Wohl eher die Schenkel eines Weibes, dachte Livianya verächtlich und

      war erleichtert, den ungeliebten Gast so schnell wieder los zu sein.

      Zusammen mit einer Ehrenwache begleitete sie den Adligen zum Tor. Als

      er und seine Eskorte ihren Blicken entschwanden, trat Hauptmann Bernot ta

      Geos zu seiner Kommandantin. Als er ihren grimmigen Gesichtsausdruck sah,

      nickte er lächelnd. »Ich ahnte, dass wir von ihm nichts zu erwarten haben.«

      »Nein, nicht von einem wie dem. Aber ich musste es wenigstens

      versuchen«, gestand sie ein. »Kommt mit, Bernot, wir haben einiges zu

      besprechen.«

      Einst hätte sich die Hochgeborene Livianya nicht träumen lassen, jemals

      eine Rüstung zu tragen und gemeinsam mit der Garde zu kämpfen. Ihr

      Gemahl ta Barat war stellvertretender Kommandeur eines Regiments gewesen

      und hatte in der Festung von Dergoret gedient, die den Großen Wall im

      Norden versperrte. Vor vielen Jahren hatten die Legionen der Orks versucht,

      über den Pass von Dergoret in das Reich Alnoa vorzustoßen. Sie waren

      äußerst geschickt vorgegangen und hatten die Garde aus der Festung gelockt.

      Dann waren sie über sie hergefallen und hatten die Männer abgeschlachtet.

      Nur eine Handvoll entkam und zog sich nach Dergoret zurück. Darunter

      Livianyas schwer verwundeter Gemahl. Man hatte das Signalfeuer entzündet

      und gehofft, die Truppen des Königs würden rechtzeitig kommen, um die

      Besatzung der Festung zu retten. Ununterbrochen rannten die Orks an, und

      die Moral der Gardisten sank. Livianyas Gemahl gelang es, trotz seiner

      Wunden, den Kämpfern ein Vorbild zu sein. Doch es überforderte seine

      Kräfte. In der Nacht vor dem letzten Ansturm der Legionen starb er in

      Livianyas Armen. Wäre sein Tod bekannt geworden, hätte der Mut die letzten

      Verteidiger verlassen. Als der Morgen dämmerte, trat Livianya in der

      Rüstung ihres toten Gemahls in die Reihe der Männer. Sie hielten stand. Trotz

      allen Elends und ihrer Verzweiflung. Sie hielten stand, bis die Truppen des

      Königs kamen.

      Als offensichtlich wurde, wer in der Rüstung ta Barats gekämpft und

      Orkblut in Strömen vergossen hatte, gewährte der König ihr einen Wunsch.

      So trat sie der Garde bei, gegen den Widerstand vieler Adliger und Gardisten,

      die den Traditionen verhaftet waren. Sie diente als Führer eines Halbberitts,

      stieg zum Hauptmann und Berittführer auf und gewann in Kämpfen den

      Respekt ihrer Soldaten. Sie wurde zu einer Heldin, und das einfache Volk

      liebte seine Helden. Als der alte Kommandant von Maratran starb und sie sich

      um den Posten bewarb, genoss sie die Unterstützung des Volkes und der

      Garde. So erhielt sie das Kommando über Maratran und handelte sich

      zugleich die Gegnerschaft jener ein, die es ihr neideten oder ihr die Rüstung

      nicht zuerkannten. Livianya war dies gleich. Sie vermisste die Hohe

      Gesellschaft in Alneris nicht und empfand Verachtung für jene, die ihre

      Soldaten leiden ließen, um den eigenen Wohlstand zu mehren.

      Sie hatte sich nie wieder an einen Mann gebunden, obwohl es manche

      Angebote gegeben hatte. Von einer gezackten Narbe am Schulterblatt

      abgesehen, war ihr Körper von makelloser Schönheit, und trotz aller Härte

      besaß sie jene Weiblichkeit, die die fürsorglichen Gefühle eines Mannes

      weckte. Im Grunde war die Hochgeborene nicht abgeneigt, sich erneut zu

      binden.