Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Die Pferdelords
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750222137
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nach unten sackte.

      Ta Geos sah fragend zu Livianya, und diese nickte. Dann lächelte er die

      beiden Männer freundlich an. »Seht es uns nach, ihr guten Herren, doch die

      Hochgeborene und ich haben wichtige Angelegenheiten zu erörtern.«

      Der Seilmacher schien einen Moment irritiert zu sein, doch der Gardist gab

      ihm mit einer kleinen Geste zu verstehen, dass das Einziehen des Seils noch

      warten musste. Als sich die Tür hinter den beiden Männern schloss, deutete

      Livianya auf einen der geschwungenen Stühle, die vor ihrem Schreibtisch

      standen. Sie selbst schritt zu der Karte, die an einer der Längsseiten des

      Raumes hing.

      Der Amtsraum war, wie auch ihr Schlafquartier, bescheiden eingerichtet,

      verriet aber dennoch die ordnende Hand einer Frau, die es schätzte, das

      Praktische mit dem Schönen zu verbinden. Wenige Möbel standen hier,

      verziert, doch nicht mit Schmuck überladen, wie es die Adligen vorzogen.

      Dazu ein hohes Regal mit Schriftrollen und Büchern. Eines davon wies auf

      seinem Rücken elfische Zeichen auf. Es stammte noch von Livianyas

      verstorbenem Mann. Sie selbst hatte nie gelernt, die elfische Schrift zu

      deuten, obwohl sie es sich schon oft vorgenommen hatte. Aber es gab

      wichtigere Dinge zu erledigen. Im Regal standen zudem einige feinsinnige

      Schriften aus der Künstlerschicht von Alneris. Dazu die Standardwerke der

      alnoischen Garde. Handbücher zum Festungsbau, zur Ausbildung und zur

      Taktik. Das meiste davon war nach Livianyas fester Überzeugung dummes

      Zeug und diente nur dazu, den Namen des Schreibers zu verbreiten. Jeder

      Gardist von Verstand wusste, dass man im Winter besser warme Kleidung

      trug, und brauchte dafür kein Buch zu konsultieren. Die meisten Gardisten

      beherrschten die schriftliche Sprache, doch statt der militärischen Handbücher

      studierten sie lieber jene frivolen Schriften, die in der Unter- und Oberschicht

      von Alneris gleichermaßen beliebt waren.

      »Ich hatte mir von Daik ta Enderos Unterstützung erhofft«, begann

      Livianya und setzte sich neben Bernot. »Aber als die Sache an den Kronrat

      ging, da ahnte ich, dass es Schwierigkeiten geben würde. Als dann ta Andarat

      erschien, war mir klar, dass wir auf uns allein gestellt bleiben. Wir werden so

      lange keine Verstärkung erhalten, bis die Irghil Maratran direkt bedrohen.«

      »Ich denke nicht, dass sie das wagen würden. Maratran liegt sehr hoch, ist

      kaum zugänglich und schwer befestigt. Mit ihren Scheren werden die Bestien

      die Mauern nicht zu Fall bringen können.«

      Livianya seufzte. »Ihr müsst lernen, weiter zu sehen, Bernot. Habt Mut zu

      freien Gedanken. Ihr dürft nicht nur den Feind in der ersten Schlachtlinie

      betrachten.«

      Er runzelte verwirrt die Stirn. »Ich verstehe nicht …«

      »Ach, Bernot, beschränkt Euch nicht zu sehr auf Jalanne.« Die

      Hochgeborene erhob sich und ging zur Karte hinüber. »Hier, unser

      Königreich Alnoa. Und hier das vergangene Reich von Jalanne. Dazwischen

      der Große Wall und Maratran. Und jenseits von Jalanne, Bernot?«

      Er brauchte nicht auf die Karte zu sehen, um die Antwort zu geben. »Die

      Wüste von Cemen’Irghil. Auch dort leben nur Bestien. Sandbarbaren und die

      Orks des Schwarzen Lords.« Seine Stimme stockte. »Bei den Finsteren

      Abgründen, du glaubst doch nicht …?«

      Der Schock ließ ihn unwillkürlich ins vertrauliche Du übergehen. Livianya

      ignorierte es. Seine Aufregung war verständlich. »Immerhin ist es eine

      Möglichkeit, nicht wahr? Die Scherenbestien könnten sich mit den Orks

      verbündet haben.«

      »Aber … welchen Sinn sollte das haben? Ich meine, warum greifen sie

      dann nicht gemeinsam an? Ein Überraschungsangriff, wie damals, als Euer …

      Wie damals, vor Dergoret.«

      Dergoret. Der Tod ihres Gemahls. Für einen Moment flammte die

      Erinnerung schmerzhaft in ihr auf. »Dergoret und Maratran sind stärker

      befestigt als je zuvor. Sie sind nicht mehr im Handstreich zu nehmen. Die

      Signalfeuer würden entzündet, und in wenigen Tageswenden wäre

      Verstärkung hier. Ein Zehntag, und die Armee des Königs steht bereit.

      Dennoch liegt Ihr nicht ganz falsch, Bernot.« Livianya tippte gegen die Karte.

      »Die Garde bestreift Jalanne nicht. Wir reiten nur hinunter, wenn die

      Lemarier uns zu Hilfe rufen. Sie sind das Einzige, was noch zwischen Alnoa

      und seinen Feinden steht.«

      Bernot ließ ein Schnauben hören. »Sie sind wohl kaum ein Hindernis.«

      »Sie haben Augen, und sie haben unsere Signalspiegel.«

      »Die sie nicht benutzen.«

      »Die sie aber benutzen könnten. In jedem Fall muss der Feind damit

      rechen, dass sie uns warnen.«

      »Ihr glaubt, das ist der Grund, warum die Irghil die Lemarier töten wollen?

      Und dass sich die Scherenbestien mit dem Schwarzen Lord und seinen

      Legionen verbündet haben?«

      »Es wäre möglich, Bernot. Es wäre möglich. Denkt an die Worte ta

      Andarats.« Livianya lächelte kalt. »Würden die Orks gegen die Lemarier

      vorgehen, dann würde der Kronrat in Alneris Gefahr wittern. Maratran würde

      augenblicklich verstärkt werden. Doch so sind es nur ein paar Scherenbestien.

      Keine Bedrohung für das Reich. Ta Andarat hat es deutlich genug zum

      Ausdruck gebracht. Wir sollen schön in Maratran bleiben und die Lemarier

      ihrem Schicksal überlassen. Sie können ja zu uns kommen, wenn sie wirklich

      in Gefahr sind.«

      Ihre Stimme war kühl und beherrscht. Bernot ta Geos spürte Hitzewellen

      durch seinen Körper jagen. »Ihr meint, so lange die Lemarier leben, werden

      die Orks nicht in Erscheinung treten?«

      »Die Drecksarbeit, hilflose Männer, Frauen und Kinder abzuschlachten,

      überlassen die Orks diesmal den anderen Bestien.«