HOO. Siegfried, Hans Hofmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siegfried, Hans Hofmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750235311
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krabbelten vereinzelt über Blätter und an Blattstielen entlang. Vor diesen gierigen Blattlausfressern mussten Birne und Mucks ganz besonders auf der Hut sein. Das Leben im Apfelbaum barg für Blattläuse ständig drohende Gefahren.

      HOO WAR MIT SEINEM AUSGIEBIGEN SAFTFRÜHSTÜCK FERTIG. Die sehr spezielle Körperreinigung durch seine Blattlausfreunde hatte ihm gutgetan. Nun saß er am Rand der ausgeschöpften Stängelkuhle und lehnte zufrieden am braunen Apfelstiel. Rundlich und dick, die Hände auf dem vollen, blanken Bauch verschränkt, wippte er wie auf einem Schaukelstuhl lässig vor und zurück.

      „Jetzt bin ich aber pappsatt!“, prustete er. „Und, äh, so schön sauber. Dank eurer Putzerei sehe ich aus wie geleckt. Schaut doch mal! Ich habe so viel getrunken, dass der Saft honiggelb durch meinen Bauch schimmert. Und, äh, wenn ich ihn bewege“, schmunzelte er und ließ seine Bauchmuskeln, fast wie bei einem orientalischen Schautanz hüpfen, „höre ich es leise gluckern.“

      Die Blattläuse hatten erschöpfende Arbeit geleistet. Vollgesaugt waren sie auf den zweiten Trinkhalm gekrabbelt, um sich ein wenig auszuruhen. Dabei hockten sie Hoo etwa in Augenhöhe gegenüber. Über seine drolligen Bauchbewegungen amüsierten sie sich prächtig. Leise und vergnügt kicherten sie vor sich hin.

      „Schön, dass es dir so gut geht“, sagte Mucks und lächelte ihm freundlich zu. „Hm. Von der Menge Apfelsaft, die du getrunken hast, kannst du ja bestimmt tagelang zehren. Schließlich musst du ordentlich bei Kräften sein, wenn du dich auf den Weg machen willst.“

      „Ja, lieber Hoo, ähm, es ist jammerschade, dass du nicht bei uns bleiben kannst“, bedauerte Birne zutiefst. „Wir haben dich nämlich so richtig in unsere Herzen geschlossen.“

      „Oh, äh, danke, ihr lausig lieben Saftsauger“, beliebte Hoo zu scherzen. Er freute sich wie ein Wasserkönig über die wohlwollenden Worte. „Das ehrt mich wirklich sehr. Ihr seid ein so herziges, hilfsbereites Läusepärchen. Hier bei euch im schattigen, duftenden Apfelbaum gefällt es mir auch richtig gut. Es ist nur, äh, ihr wisst ja, dass ich, äh, dass mein, äh, dass mich, äh ...!“

      „..., dass du ein fließfreudiger Regentropfen bist und dich nichts aufhalten kann“, half Birne voller Verständnis nach. Es fiel ihm sichtlich schwer, für seine Aufbruchsgedanken die passenden Worte zu finden. Traurig senkte Birne ihre Augenlider, als sie sagte: „Dich, mein lieber Hoo, ruft das große Wasser, ist es nicht so?“

      „Das große Wasser“, murmelte Hoo und lächelte. In Gedanken versunken stierte er auf einmal tranceäugig vor sich hin. Als er mit seinen himmelblauen Augen rollte, war es, als könne man dahinter das Meer rauschen hören. Auf seinen erweiterten Pupillen lag ein seidener Glanz. Ein langes, tiefes Schnaufen durchströmte seinen leicht ausgefahrenen Schnorchel.

      Die Blattläuse starrten ihn verwundert an. Nun begann er auch noch undeutlich vor sich hinzumurmeln. Nur durch aufmerksames Hinhören konnten sie ein paar Sprachfetzen erhaschen. Worte, wie „Meersalz“, „schwimmen“, „Wirbel“, „Wellen“, „Ozean“, „Gischt“, „Lagune“, oder gar „Leuchtturm“ ließen eindeutig darauf schließen, dass er sich tagträumerisch in ozeanischen Gefilden bewegte.

      Abrupt wurden seine Träumereien unterbrochen. Ein aufgeregtes, hysterisches Amselgezeter, Flügelschlagen und Knacksen im oberen Astwerk holten ihn zurück in die Wirklichkeit.

      „Oh, äh, 'Tschuldigung, liebe Freunde.“ Er räusperte sich. „Ich habe wohl gerade etwas fantasiert, wie? Ha, ha, ha, das kann schon mal vorkommen. Was habe ich denn, äh, ich meine, was wollte ich eigentlich sagen?“

      Wie ein nachsinnender Gelehrter nahm er eine Art Denkerpose ein, indem er die rechte Hand unter sein rundliches Gesicht führte. Dazu bildete sich auf seiner hohen Stirn die typische Denkerfalte. Kaum eine Grübelsekunde später – Birne und Mucks hingen immer noch mit verdatterten Gesichtern am Trinkröhrchen gegenüber – rief er ihnen wie erleuchtet zu: „Potz Blitz! Äh, jetzt ist es mir wieder eingefallen!“ Begleitet von lebhaftem Gestikulieren sprach er: „Also, äh, erstmal wäre mir echt wohler zumute, wenn ich mich für eure wunderbare Gastfreundschaft irgendwie erkenntlich zeigen könnte. Nur muss ich, äh, leider gestehen, ich, äh – ich weiß nicht wie.“ Hoo schaute Birne und Mucks fragend an. „Und, äh, außerdem ist mir auch immer noch nicht klar, wie ich es anstellen soll, möglichst unbeschadet von hier wegzukommen. Ohne zusätzliche Hilfe ist das leichter gesagt als getan. Ich, äh, kann ja leider nicht fliegen!“ Er machte einen nachdenklichen Eindruck. „Ich bitte euch, liebe Läuse, habt ihr denn wenigstens eine Ahnung, vielleicht irgendeinen Lösungsvorschlag, wie ich das wohl schaffen könnte?“

      Birne und Mucks guckten Hoo achselzuckend an. „Null Ahnung, lieber Hoo, null Ahnung!“, piepste Birne leicht beschämt.

      „Ja, wir sind untröstlich!“, sagte Mucks. „Leider ist uns noch nichts Konkretes dazu eingefallen. Wir sind aber noch fleißig am Überlegen!“

      „Das will ich hoffen! Ich auch, ich, äh, überlege ja auch schon seit den Morgenstunden“, erwiderte Hoo sichtlich angestrengt. Dann jedoch bat er sie mit ruhiger Stimme etwas grundlegend Entscheidendes in ihren Überlegungen zu berücksichtigen. „Also, liebe Freunde, um ehrlich zu sein: Euch jetzt Lebewohl zu sagen, mich mir nichts, dir nichts zum Wiesengrund hinabtropfen zu lassen, um ins feuchtdunkle Erdreich durchzusickern oder dort womöglich von einer Pflanzenwurzel als Wachstumstropfen aufgesaugt zu werden, quasi sang- und klanglos aus eurem Leben zu entschwinden, ist nicht meine Absicht. Schließt diese Möglichkeit von vornherein kategorisch aus, ja? Bitte! Das empfände ich euch gegenüber als äußerst taktlos! Im Übrigen wäre mir dies selbst zu langweilig, erdgebunden und gewöhnlich zugleich! Meine Ansprüche habe ich da schon etwas höhergesteckt. So ich denn schon mal hier bin, möchte ich, so wahr mir der Globale Wettermeister helfe, meinen Weg doch lieber oberirdisch fortsetzen und gerne noch mehr erleben!“

      Genau in dem Moment, als Hoo ihnen offenkundig und mutig seinen Reisewunsch mitgeteilt hatte, flog ein Siebenpunkt-Marienkäfer mit leisem Brummen geradewegs auf den stabilen Trinkhalm zu. Gezielt landete er nur ein Stückchen unterhalb der Stelle, wo Birne und Mucks sich aufhielten. Zügig faltete er seine hauchzarten Flügel unter den roten Deckflügeln zusammen. Zweifellos wollte der hübsche Marienkäfer dem Blattlauspärchen an den Kragen!

      Voller Todesangst krabbelten die Blattläuse fluchtartig am Trinkhalm hinauf, um dem gierigen Räuber zu entfliehen. Dabei schrien sie, so laut sie nur konnten. „Hiiilfe! Hiilfe! Hoo! Schnell! Bitte rette uns! Schnell, sonst sind wir verloren!“

      Hoo erkannte die Lebensgefahr und Ausweglosigkeit, in der sich seine beiden kleinen Freunde befanden – und reagierte prompt. Flink sprang er auf seine patschigen Füßchen. Megaschnell zoomte er seinen Schnorchel zu voller Länge. Aus seinem prallgefüllten Bauch presste er eine größere Menge Flüssigkeit in seinen Mund. Gezielt spuckte Hoo den lauen Apfelschorle-Wolkenwassermix auf den gefährlichen Blattlausvertilger, der, von kleinerer Gestalt als er selbst, bereits dabei war, seinem gefundenen Fressen nachzulaufen. Unmittelbar danach spritzte Hoo ihm mit seinem Multifunktionsschnorchel gleich noch eine druckvolle Ladung Wasser entgegen.

      Der hungrige Marienkäfer wusste nicht, wie ihm geschah. Überrascht und verdattert torkelte er auf den Apfel hinab. Regungslos blieb er mit zusammengefalteten Flügeln auf seinem Rücken liegen.

      „Ha! Hat funktioniert! Juhuuhh, ich habe ihn getroffen!“, triumphierte Hoo voller Stolz. Mit geballter Faust streckte er seinen Arm zur Siegerpose hoch. Er zog seinen Schnorchel wieder ein und wischte sich über seinen nassen Mund. Dann schaute er sich nach seinen Blattlausfreunden um. Er konnte sie nirgends entdecken.

      „Birne, Mucks! Wo seid ihr denn?“, rief er besorgt. „Wohin habt ihr euch denn verkrochen?“

      Völlig verschreckt und aufgeregt hatten sie die Trinkhalmöffnung erreicht und waren hineingekrabbelt.

      Der gefräßige, schlaue Räuber hatte sich allerdings nicht verletzt, sondern sich, in selbstschützender Verhaltensweise, nur kurz totgestellt. Schleunigst drehte er sich auf seine sechs Beinchen. Ruckzuck brachte er seine stabilen, feuchtklebrig nassen Flügeldecken in Ordnung. Dann schlug er sie auf, entfaltete und spreizte die eigentlichen, darunter