dem sie das erkennen wird.«
Nedeam stieß ein leises Schnauben aus, was Stirnfleck dazu veranlasste,
ihn mit animalischer Verwunderung anzusehen. Er strich seinem Reittier über
die Nüstern und tätschelte ihm dann die Flanke.
Für einen Moment führten sie die Pferde schweigend und nickten
bisweilen ein paar Stadtbewohnern zu, die sie zu ihrem Ritt
beglückwünschten. Schließlich sah Dorkemunt seinen jungen Freund
grinsend an. »Für dich wird es auch langsam Zeit, Nedeam, mein Freund. Ich
kenne etliche Weiber, die ihre Hälse nach dir langmachen.«
»Unsinn.«
Das Thema war Nedeam unangenehm, und Dorkemunt, der dies bemerkte,
lächelte still. Früher oder später würde auch sein Freund Nedeam das Feuer
der Liebe verspüren. Das ging allen Menschenwesen so. Hoffentlich
verbrannte er sich dann nicht die Finger. Frauen waren ein wunderliches
Ding. Das hatte der alte Pferdelord oft genug erfahren müssen.
»Ich denke, wir sollten uns beeilen.« Dorkemunt wies auf die Gebäude der
Stadt. »Barus wird schon im ›Donnerhuf‹ sein, und wir sollten ihn nicht allein
der Gefahr aussetzen.«
»Esyne«, seufzte Nedeam.
»Ja, Nedeam, mein junger Freund, Frauen können ein Quell des Glücks
sein«, deklamierte Dorkemunt grinsend, »oder sie heißen Esyne und sind
Schuhmacherin.«
Sie kamen an dem Haus vorbei, dessen Vordach der unglückliche Lotwin
bei seinem Sturz beschädigt hatte. Die Menge hatte sich inzwischen verstreut,
und die meisten der Pferdelords waren der Einladung Garodems in die Burg
gefolgt, mit Ausnahme der Schwertmänner, welche die nächtliche Ordnung
zu sichern hatten. Und jener Pferdelords, die es noch ein wenig früher zum
»Donnerhuf« zog, fast ausschließlich Männer der Hochmark, die den
Nagerjäger kannten und die Wette, auf die er sich eingelassen hatte.
Eigentlich war es ja gar nicht Barus’ Schuld. Wenn man überhaupt von
Schuld sprechen konnte, so traf sie Malvin, den Schankwirt.
Es war einer jener geselligen Abende gewesen, bei dem Blutwein und
Gerstensaft reichlich geflossen waren und ein Wort das andere gab, bis
schließlich ein paar Möbelstücke und Gäste lädiert wurden. Nichts
Ernstliches, was man nicht mit etwas Holzleim oder ein paar Tagen mit
weicher Nahrung hätte beheben können.
Esyne, eine der besten Schuhmacherinnen von Eternas – keiner wagte,
dem zu widersprechen –, war eine blonde, äußerst ansehnliche Frau, die jeden
Mann dazu verführen konnte, in Brunstgetöse auszubrechen und um sie zu
balzen. Doch ihre offensichtlichen körperlichen Vorzüge waren mit einer
scharfen Zunge, spitzen Zähnen und nachhaltiger Schlagfertigkeit gepaart.
Man musste schon wagemutig oder stark betrunken sein, um sich mit Esyne
anzulegen. Dennoch war sie nicht wirklich unbeliebt, denn die Lederwaren,
die sie fertigte, waren von bester Qualität. Zudem hatte sie einen hohen
Unterhaltungswert, zumindest, wenn man nicht der Adressat ihrer Argumente
war.
An jenem Abend hatte Esyne einige ihrer schlagkräftigsten Argumente
vorgebracht und dabei einen stämmigen Händlergehilfen zu Boden geschickt,
was allgemeines Erstaunen hervorrief. Esyne hatte sich jedoch nur
triumphierend umgesehen und behauptet, jeden Mann bezwingen zu können.
Die anderen Gäste hatten auf den am Boden Liegenden gestarrt und keine
Lust verspürt, ihrer Ansicht zu widersprechen. Malvin hingegen hatte die
blonde Schönheit angestrahlt und nur ein einziges Wort in den Schankraum
geworfen. »Barus.«
So waren Barus und Esyne zum Gegenstand einer Wette geworden, ohne
dass der stämmige Nagerjäger hiervon nur eine Ahnung hatte, und als er es
erfuhr, gab es für ihn keine Möglichkeit mehr, sich aus der Falle zu befreien.
Sein einziges Argument, er schlage keine Weiber, wurde von Esyne selbst
ausgehebelt, indem sie den Vorschlag machte, den Wettstreit durch
Armdrücken zu entscheiden.
Seitdem hielt sich hartnäckig das Gerücht in Eternas, die blonde
Schuhmacherin sei dem Nagerjäger zugetan und habe mehr als nur ein Auge
auf ihn geworfen. Das mochte durchaus stimmen, denn Barus gehörte zu den
wenigen Personen, die im Großen und Ganzen von Esynes Temperament
verschont blieben. An diesem Abend jedoch würde es keine Schonung geben,
und die Wetten im »Donnerhuf« gingen hoch.
»Vier zu zwei für Barus«, rief Malvin durch den Schankraum und
zwinkerte Dorkemunt und Nedeam zu, die gerade den Raum betraten. Er
ritzte mit einem Metallstift eine Kerbe in eine weiche Tontafel, um den
Wettstand zu dokumentieren. »Ihr guten Herren und Frauen, noch werden
Wetten in die Tafel geritzt. Wenn Barus und Esyne die Arme kreuzen, ist es
zu spät, dann werden keine mehr angenommen.«
An einem der hinteren Tische erhoben sich zwei kleine und stämmige
Gestalten, und bevor Nedeam und Dorkemunt sich versahen, wurden sie von
kraftvollen Zwergenarmen umschlungen, soweit dies möglich war.
»Unsere bartlosen Axtschläger«, rief einer der Zwerge bewegt. »Seid uns
willkommen. Ah, kommt, Ihr guten Herren Pferdelords, setzt Euch hierher, an
unseren Tisch. Lasst uns mit Blor auf diesen Augenblick anstoßen.«
Bevor die beiden Pferdelords sich versahen, zogen die Zwergenmänner sie
an ihren Tisch und zupften freudig an Dorkemunts Bart, während sie den glatt
rasierten Nedeam etwas ratlos ansahen.
»Ihr guten Herren Zwerge«, sagte Nedeam freudig überrascht. Beim
Rennen waren ihm die beiden Männer nicht aufgefallen, doch nun freute es
ihn, zwei der Zwerge zu sehen. »Was führt Euch ins Land des Pferdevolkes?«