riesige glitzernde Fläche, die aus einer unendlichen Zahl von kleineren
Wasserflächen und Inseln schwammigen Landes bestand. An etlichen Stellen
erkannte man jedoch auch festen Boden, den man wohl trockenen Fußes
überqueren konnte, an anderen Stellen hingegen war der Grund trügerisch.
Zwar gab es einen Pfad durch diesen Sumpf, aber er war schmal und unsicher,
zumal selbst am Tag oft ein dünner Nebelschleier über den Weißen Sümpfen
stand, der sich nachts verdichtete und undurchdringlich zu werden schien.
»Der Pfad ist schmal«, murmelte Mor. »Er lässt es nicht zu, ihre Truppen
schnell nach Merdonan zu führen.«
Bulldemut nickte. »Und Merdonans Mauern sind mächtig. Die Bestien
müssten schon eine große Armee versammeln, um die Stadt mit Erfolg
berennen zu können. Das würde uns genug Zeit lassen, das Feuer zu
entzünden und die Losung der Pferdelords zu geben.«
Der Pferdefürst nickte den Schwertmännern der Turmwache zu. »Haltet
die Augen offen. Und achtet mir auf den Nebel. Wenn er sich weiter
verändert und dichter wird, meldet es mir oder dem Hohen Herrn Mor.« Er
sah seinen Ersten Schwertmann an. »Lasst uns wieder hinuntergehen. Ein
wenig Wärme wird meinen alten Knochen guttun.«
Als sie begannen, die Stufen der alten Ostwache hinabzusteigen, räusperte
sich Mor. »Ihr meint also, Merdonan ist nicht in Gefahr?«
»Jeder ist in Gefahr, solange es den Schwarzen Lord und seine Orks gibt«,
brummte Bulldemut.
Mor lächelte, denn er spürte, dass der alte und erfahrene Pferdefürst ihm
auswich. »Was meint Ihr, Hoher Lord? Geschieht es bald?«
Bulldemut stockte mitten im Schritt und sah Mor ernst an. »Ja, bald. Ich
weiß es nicht genau, aber ich kann es spüren. Doch vielleicht ist das auch nur
das Alter meiner armen Knochen.«
Bulldemut war keineswegs so gebrechlich, wie er sich gelegentlich gab,
das wussten sie beide. Vielmehr spürten sie stilles Einvernehmen. Die Orks
würden kommen, daran gab es keinen Zweifel. Sie fühlten es. Eine schwer zu
definierende düstere Stimmung, die sich zusammenzog wie jene finsteren
Wolken im Osten und sich langsam, aber unaufhaltsam, Merdonan näherte.
Kapitel 5
Hoch über dem Tor der Festung Eternas wehte das Banner des Pferdefürsten
Garodem in der sanften Brise, die durch den Talkessel strich. Der Wind ließ
auch die anderen Wimpel und Tücher flattern, mit denen man die Burg und
die davorliegende Stadt Eternas geschmückt hatte. Selbst an dem mit Steinen
gepflasterten Weg, der Stadt und Wehranlage miteinander verband, hatte man
Lanzen aufgestellt, die mit bunten Stoffstreifen verziert waren. Aber niemand
achtete auf den farbigen Schmuck, denn alle Augen waren auf den Weg
gerichtet, der aus dem vorderen Burghof zur Stadt und durch sie hindurch ins
Tal von Eternas führte.
Tasmund, der Erste Schwertmann der Hochmark, schlug mit der flachen
Hand auf die steinerne Brüstung der Wehrmauer. »Ich setze auf Dorkemunt«,
rief er vergnügt. »Der Bursche ist klein, ein exzellenter Pferdelord, und er
reitet auf seinem zähen Wallach.«
»Unsinn.« Meowyn sah ihn spöttisch an. »Dorkemunts Wallach ist so zäh,
weil er schon so alt ist.«
Tasmund errötete ein wenig und räusperte sich. »Ah, nichts gegen Euren
Nedeam, Hohe Frau Meowyn, gewiss nicht. Auch er ist ein guter Pferdelord,
gar einer der besten.« Tasmund lächelte entschuldigend. »Aber er hat nicht
des guten Herrn Dorkemunts Erfahrung.«
»Dorkemunt hat wohl tatsächlich das bessere Pferd«, warf Larwyn, die
Gemahlin des Pferdefürsten Garodem, ein. Sie deutete nach Süden, zum
Eingang des Tals von Eternas, den man vom erhöhten Standort über dem
Burgtor gerade noch erkennen konnte. »Ich glaube, er liegt vorne.«
»Wie ich es mir dachte.« Tasmund zuckte entschuldigend die Schultern.
»Verzeiht, Hohe Dame Meowyn, doch der gute Herr Dorkemunt wird Euren
Nedeam schlagen.«
»Er hat recht, Hohe Frau Meowyn.« Garodem beschattete seine Augen.
»Der Reiter vorne ist sehr klein.«
»Nedeam wird sich über das Pferd gebeugt haben«, wandte Meowyn ein.
»Das lässt ihn klein erscheinen. Könnt Ihr das Pferd erkennen, Hoher Lord
Garodem?«
Im Augenblick fiel es schwer, zu bestimmen, welcher der Reiter vorne lag.
Eigentlich sah man nur dunkle Schemen, um die herum der Staub aufwirbelte.
Doch die Reiter näherten sich Stadt und Burg in scharfem Ritt, und sehr bald
schon würde man sie voneinander unterscheiden können.
Der Ritt war aus dem freundschaftlichen Wettstreit einiger Pferdelords
entstanden, welche die nun jährlich stattfindenden Wehrübungen als
Gelegenheit sahen, einander wiederzusehen und sich in ihren Fertigkeiten zu
messen. Während die Schwertmänner, die man an ihren mit
Rosshaarschweifen verzierten Helmen erkennen konnte, die ständige
bewaffnete Wache eines Pferdefürsten stellten, bestand die Hauptmacht des
Pferdevolkes aus den einberufenen Pferdelords. Hirten, Handwerker, Bauern
und Händler, die im Falle der Gefahr durch die Losung zu den Waffen
gerufen wurden. Im Gegensatz zu den Schwertmännern, die von Garodem
ausgerüstet wurden, mussten die einfachen Pferdelords selbst für Waffen und
Rüstung sorgen, was dazu führte, dass ihr Erscheinungsbild ausgesprochen
individuell ausfiel. Einheitlich waren nur die grünen Rundschilde, die mit den
Symbolen der Weiler, Gehöfte oder Einzelpersonen bemalt waren, und die
grünen Umhänge, die als Wahrzeichen der Pferdelords galten.
Für