„Ich freue mich so“, jubelte Carin, „und ich kann dir gar nicht sagen wie sehr ich mich auf den Aufbau der Lodge freue“, schwärmte sie und strahlte dabei übers ganze Gesicht.
„Aber nicht nur auf die Lodge!“, bemerkte Luisa augenzwinkernd.
„Klar, nicht nur!“, erwiderte sie, wobei eine leichte Röte ihr Gesicht und Hals zierte, „ich freu mich natürlich auch auf Billy, mal sehen wie weit sie mit den Umbaumaßnahmen sind“, genüsslich stach sie mit der Gabel in die Nudeln, danach drehte sie die Nudeln langsam und gedankenverloren auf.
„Wie schön“, seufzte Luisa und tief in ihrem Herzen beneidete sie Carin um ihr Abenteuer im fernen Kontinent.
„Wenn die Umbaumaßnahmen fertig sind, bist du herzlich eingeladen“, lächelte Carin.
„Meine Güte“, seufzte Luisa, „wie oft habe ich mir den Film Jenseits von Afrika, mit Meryl Streep, Klaus Maria Brandauer und Robert Redford, angesehen“, und während sie weiter ihre Nudeln aufdrehte und aß, zog vor ihrem geistigen Auge die afrikanische Steppe mit Nashörnern, Giraffen und Löwen vorüber, und beim Anblick des schneebedeckten Mount Kenya überfiel sie schließlich ein klein wenig Fernweh.
„Hallo … bist du noch anwesend?“, fragte Carin und schnippte dabei mit den Fingern vor Luisas Nase, „im Übrigen, der Film spielt in Kenia“, korrigierte sie ihre Freundin mit erhobener Gabel, „unsere Lodge befindet sich jedoch in Namibia! Wie gesagt, du bist herzlich eingeladen.“
„Und Pauline?“, fragte Luisa lieb lächelnd, „ist sie auch eingeladen?“
„Okay, okay, okay“, entgegnete sie, wobei sie genervt die Augen verdrehte, „aber nur gemeinsam mit dir.“
„Was hast du eigentlich gegen sie?“, hakte Luisa nach.
„Ich?“, fragte sie verdutzt, „nichts! Sie ist doch die ewig Muffige.“
„Naja, wenn ich dich an den gestrigen Nachmittag erinnern darf, da warst du ja auch nicht gerade unbeteiligt. Warum musst du sie auch immer so ärgern!?“ sagte Luisa und schüttelte dabei den Kopf.
„Ach, warum, warum, warum? Warum ist die Banane krumm“, lachte Carin, „weil sie der ideale Opfer-Typ ist! Es macht halt richtig Spaß sie zu necken, und jedes Mal fällt sie darauf rein.“
„Pauline hat schon Recht, wenn sie dich als Sadistin bezeichnet.“
„Ich gelobe Besserung, liebe Freundin“, entgegnete Carin und legte sogleich drei Finger auf ihr Herz.
„Na, du scheinst dich ja wirklich auf die Lodge und Billy zu freuen“, bemerkte Luisa mit einem Augenzwinkern.
„Und wie, meine Liebe, und wie!“, seufzte sie mit Freudentränen in den Augen.
Traummänner fallen nicht vom Himmel
Am frühen Abend saß Luisa mit einem Glas Rotwein auf der Terrasse, sie sah der untergehenden Sonne zu, nippte an ihrem Wein und dachte über Carin nach. Carin hatte in ihrem Leben viele Ungerechtigkeiten erfahren müssen, auch wenn sie aus einer gutsituierten Familie stammte, so wurde ihr dennoch nichts geschenkt. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie gleich nach dem Abitur als Au-pair nach England ging und nicht mehr zurück wollte.
Noch ein letztes Mal flammte die Sonne hinter den Baumkronen auf, was zurück blieb war ein orangefarbener Himmel und die Hoffnung auf einen besseren Tag. Luisa fröstelte, sie kuschelte sich in ihre Strickjacke, und dachte an Carl. „Wo bist du?“, flüsterte sie, gleichsam überkam sie ein sehnsüchtiges Zärtlichkeitsbedürfnis, ein Erwarten von lieben Worten und netten Gesten. Eingehüllt in die Atmosphäre der Abendstimmung und leicht beduselt vom Wein gab sie sich ihren Gedanken hin. Plötzlich ertönte Carls Lachen durch den Türspalt der Terrassentür. Sein Lachen klang so unverschämt unbeschwert und fröhlich, dass sie es schon als unwirklich empfand, abrupt wandte sie sich um, und soweit sie es erkennen konnte, war er am Telefonieren! Sie wusste, dass er als Architekt viele Außentermine hatte und er oftmals erst am späten Abend dazu kam seine Anrufe zu erledigen – aber dieses Telefonat, nein, das war kein Geschäftsgespräch, dafür schien er zu aufgekratzt, außerdem lachte er zu viel, zu laut und streifte aus Verlegenheit immer wieder durch seine Haare. Doch als er seine Frau auf der Terrasse entdeckte, erstarrte seine Mimik, mit ein paar genuschelten Worten und einem übertriebenen lauten Abschiedsgruß beendete er abrupt das Telefonat.
„Du bist da?“, fragte er überrascht.
„Wo soll ich denn deiner Meinung nach sein?“, erstaunte sich Luisa und zog dabei die Tür mit einem Ruck auf. „Wer war das?“ fragte sie nun ohne Umschweife.
„Das?“, fragte er verdutzt, „ach das … das war nur der Glaser, du weißt, der für die große Fensterfront im Museum verantwortlich ist – der Neubau unten am Hafen!“, fügte er zur besseren Verständigung an.
Carl war ein schlechter Schauspieler, bei Schwindeleien wurden seine Wangen und seine Ohren feuerrot, so wie jetzt.
Luisa nickte etwas ungläubig und fragte: „Hast du schon etwas gegessen?“
„Nein, ja … ach ich habe keinen Hunger!“, im nächsten Augenblick spurtete er die Treppe zu oberen Etage hinauf.
Kurze Zeit später stürmte er, wohlduftend und umgezogen, wieder an ihr vorüber, „ich muss nochmal weg. Der Bauausschuss tagt. Es kann spät werden, warte nicht auf mich.“
„Was ist eigentlich mit deinem Wagen? Ist er in der Werkstatt? Und überhaupt wie geht es dir nach dem Unfall?“, rief sie ihm nach.
„Der Wagen ist ein Totalschaden, zurzeit fahre ich einen Firmenwagen, und mir geht’s gut!“, mit dem Zuschlagen der Haustür hatte er das Gespräch beendet.
Fassungslos stierte sie auf die geschlossene Tür, doch zu weiteren Vertiefungen über sein Verhalten kam sie nicht mehr, denn ihr iPhone signalisierte einen Anruf von Pauline:
„Hey, Luisa, ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Hast du einen Moment?“
Luisas Blick klebte noch immer an der geschlossenen Tür, „jetzt, ja“, antwortete sie.
„Wie?“
„Ach, Carl ist gerade zu einem überaus wichtigen Termin“, fügte sie überspitzt an, „ich bin also alleine, wir können reden!“
„Stell dir vor, am Wochenende habe ich ein Date“, platzte Pauline mit der freudigen Botschaft heraus.
„Ah, sieh an, sieh an, das freut mich für dich“, bemerkte Luisa, „dann schieß mal los, ich bin ganz Ohr!“
„Am gestrigen Abend waren wir noch auf einen gemeinsam Absacker“, kurz hielt sie inne, um dann, wie ein Teenager der etwas Verbotenes getan hatte, ins Telefon zu flüstern: „ich habe mit ihm geschlafen, und weißt du was? Es war fantastisch!“
„Wie schön, das freut mich für dich! Und wer war oder ist der Glückliche?“
„Jo!“
„Jo!“, erstaunte sich Luisa, „wer ist Jo?“
„Der Kellner!“
„Wie, der Kellner aus dem Café?“, hakte Luisa nach.
„Jaaa“, jubelte Pauline leise, sodass ihre Mutter es nicht hören konnte.
Und ganz allmählich dämmerte es Luisa wer dieser Jo war, bruchstückhaft erinnerte sie sich wieder an den Artikel aus der Tageszeitung: „Kellner verhaftet! Kellner hat aus Eifersucht den neuen seiner Ex-Freundin brutal zusammengeschlagen!“
„Jo, Jo“, seufzte Pauline, „der Name klingt so handfest, so stark und so direkt! Findest du nicht auch?“
Luisa war für einen Moment sprachlos, wie sollte sie ihr nun erklären, dass dieser Jo im Knast saß?
„…