Im Schatten der Erinnerung. Rose Hardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rose Hardt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752934823
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Luisa, ich wollte dich nicht unterbrechen. Um was ging es denn bei eurem Gespräch?“

      „Hm“, grübelte Luisa, „eigentlich ging es um nichts Besonderes, es war nur die Art und Weise wie sie mir zu verstehen gab, wer die Chefin hier ist.“

      Carin lachte und sagte: „ist ihr Mann nicht dieser Doppel-Doc, der Kardiologe an der Uni-Klinik, der, der auf die Chefarztstelle spekulierte und dem man dann eine junge ausländische Ärztin vor die Nase pflanzte?“

      Luisa nickte, „ja, junge ausländische Ärzte sind halt nicht so anspruchsvoll!“, kopfschüttelnd fügte sie an: „ihr müsstet erst einmal sehen wie sie reagiert, wenn Holger – ihr Mann – anruft, dass sie am Telefon nicht salutiert ist alles. Tsss … am Lehrstuhl lässt sie die Chefin raushängen und bei ihrem Mann kuscht sie.“

      „Sag ich doch: Psychologen!“, bemerkte Pauline, „die sind nicht wie normale Menschen!“

      „Na, sicherlich ist er auch der Grund, warum sie so ist, wie sie ist“, kommentierte Carin, „Druck von oben, meine liebe Luisa, wird immer nach unten weitergegeben. Ich, an deiner Stelle, würde mir da keinen Kopf machen, sie ist nur die Vertretung – und Lehrstuhlvertretungen bleiben in der Regel nicht lange“, versuchte sie die Unglückliche zu trösten.

      „Du hast gut reden, wer weiß, wer nach ihr kommt! Außerdem hat nicht jeder so viel Glück wie du, mit deinem Chef“, fügte Luisa überspitzt an.

      „Man muss sich eben seine Chefs richtig erziehen“, lachte Carin und prostete den beiden zu.

      „Ha, ha, werde heute Abend drüber lachen“, bemerkte Luisa.

      Carin musterte neugierig Pauline, die immer noch eifrig Nüsse am Knabbern war, „und welchen Frust stopfst du wieder in dich hinein?“, fragte sie.

      Wie auf Knopfdruck hörte Pauline auf zu kauen, da erst bemerkte sie, dass sie fast alle Nüsse alleine vertilgt hatte. „Wenn du meine Mutter hättest, würde dir das Scherzen auch vergehen“, gab sie bissig zurück.

      „Warum suchst du dir nicht eine eigene Wohnung? Und überhaupt, warum bist du eigentlich wieder bei ihr eingezogen?“

      „Weil ich, im Gegensatz zu dir, ein Verantwortungsbewusstsein habe“, zischte Pauline zurück.

      „Quatsch, jeder ist für sich selbst verantwortlich“, winkte Carin mit einer lapidaren Handbewegung ab.

      „Ahhh, verstehe, deshalb hast du auch deine Kinder in London bei ihrem Vater zurückgelassen!“ – Das saß. Pauline hatte genau Carins wunden Punkt getroffen.

      „Das war jetzt unfair, sehr unfair“, entgegnete Carin verärgert, dann stand sie abrupt auf, ging schnurstracks zur Theke, beglich die Rechnung und verließ wortlos und ohne sich nochmals umzudrehen das Café.

      „Meine Güte, Pauline, musst du immer so unsensibel und direkt sein?“, kritisierte Luisa ihre Freundin, „du weißt schon, dass damals ihr Ex-Ehemann – als bekannter Anwalt – bei dem englischen Vormundschafts-Gericht seine Beziehungen hat spielen lassen! Daher hatte Carin absolut keine Chance ihre Kinder mit nach Deutschland zu nehmen – mal davon abgesehen, dass der älteste Sohn bereits kurz vor der Volljährigkeit stand, und glaub mir, sie leidet noch heute darunter.“

      „Jaaa“, entgegnete Pauline, „ich mag halt ihre affektierte Art und das ganze Getue nicht, und heute ging mir das absolut nicht ab.“

      Luisa legte ihre Hand auf ihre und fragte: „Was ist denn bloß los mit dir?“

      „Ach“, seufzte sie, „es ist wegen Mutter. Sie ist unausstehlich, ungerecht und undankbar, dabei mache ich alles was in meiner Macht steht, um ihr das Leben so erträglich wie nur irgend möglich zu machen.“

      „Vielleicht hat Carin Recht. Vielleicht solltest du sie mal vor vollendete Tatsachen stellen und dir wirklich eine eigene Wohnung suchen!“

      „Weiß nicht“, entgegnete Pauline achselzuckend, „ich kann sie doch nicht einfach im Stich lassen! Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage!“

      „Das sollst du auch nicht! Du suchst dir eine Wohnung, ihr eine Betreuerin und dann kannst du sie so oft besuchen wie es dir genehm ist – aber du, Pauline, hast endlich wieder dein eigenes Leben.“

      „Ja, ja“, seufzte Pauline, „wenn das alles so einfach wäre“, dann sah sie Luisa mit großen traurigen Augen an und sagte: „Weißt du, dass ich manchmal Angst vor mir selber habe?“

      „Wie meinst du das?“

      „Nun, wenn ich am Abend die Medikamente für sie zusammenstelle, kommt mir manchmal der Gedanke, einfach die Dosis zu erhöhen – ich meine viel zu erhöhen“, wobei sie vor Scham ihre Augenlider senkte.

      „Ach, mein armes Paulinchen“, sagte Luisa milde lächelnd und legte tröstend den Arm um sie.

      Pauline fühlte sich von Luisa verstanden und plapperte sogleich drauf los: „Stell dir vor, letzte Nacht, ja, da hatte ich einen furchtbaren Traum, ich habe davon geträumt, dass ich meine eigene Mutter getötet habe, danach bin ich schweißgebadet aufgewacht. Der Traum war so real, dass ich mich in ihr Zimmer schleichen musste, um nachzusehen, ob sie noch lebt!“

      „Kann ich gut nachvollziehen“, kommentierte Luisa mit einem verstehenden Kopfnicken, „und wie“, zeitgleich erinnerte sie sich an ihre Meuchel-Gedanken bezüglich ihrer Chefin.

       Wie oft hatte sie in den letzten Wochen daran gedacht sie zu lynchen, wobei ihre Fantasie geradezu grenzenlos war. Ja, mitunter konnte sie sich regelrecht in die Meuchel-Lust hineinsteigern, sodass sie dann völlig verkrampft dasaß, bis irgendwann ihr nüchterner Verstand ihr zu verstehen gab: hey, wach auf, das bist nicht du!

      „Doch zum Glück“, seufzte Pauline, „sind das nur wirre Träume. So etwas könnte ich niemals tun.“

      „Wie? … Was?“, fragte Luisa, und fühlte sich sogleich ihrer dunklen Gedanken ertappt.

      „Na, zum Glück sind das alles nur Hirngespinste die zu solchen Träumen führen“, antwortete Pauline.

      „Ja, ja, zum Glück“, kam es Luisa befreit über die Lippen, „alles nur dunkle Fantasien.“

      Gedankenversunken umklammerten beide ihre Sektgläser, erst als der Kellner ein weiteres Schälchen mit Nüssen auf den Tisch stellte, er seinen Zeigefinger kreisend darin bewegte und ihn danach mit einem lüsternen Blick – der Pauline galt – abschleckte, waren sie wieder im Hier gelandet. Sprachlos sahen sie ihn an. Daraufhin wandte er sich frech-grinsend um, und wohlwissend, dass ihre Blicke ihm wieder folgen würden, schlenderte er zum Tresen zurück.

      „Igitt, was war das denn?“, fragte Luisa während sie ihm fassungslos nachsah.

      „Ferkel“, bemerkte Pauline und rümpfte die Nase dabei.

      „Ach, du liebes Bisschen“, amüsierte sich Luisa, „er hat’s auf dich abgesehen“, dann hielt sie die Hand vor den Mund und giggelte wie ein Teenager.

      Paulines Seelchen fühlte sich plötzlich geschmeichelt, „glaubst du wirklich?“, hakte sie vorsichtig nach, wobei sie verstohlen zu dem gutaussehenden Kellner hinter dem Tresen linste – der Gedanke schien ihr jedenfalls zu gefallen, denn ihre Gesichtszüge wurden weich und in ihren Augen war bereits ein winziges Funkeln zu erkennen.

      Wie schön sie mit einem Male war, dachte Luisa vergnügt. „Na, er ist zwar kein Ritter auf einem weißen Ross“, bemerkte sie, „aber er hat es immerhin geschafft dich zum Lächeln zu bringen.“

      Mit einem kleinen Herzensseufzer stützte Pauline ihren Ellenbogen auf den Tisch, legte das Kinn in ihre Handinnenfläche und sah zu ihm hin. „Wenn er ja nicht so ein verdammter Macho wäre“, seufzte sie, „tja, dann könnte er mir vielleicht gefallen.“

      Luisa lachte und folgte ihrem Blick, „hm … allem Anschein nach scheinst du jedenfalls genau sein Typ zu sein.“

       Und plötzlich