unserigen wieder nehmen."
Er nickte stumm und kehrte zurück. Ich steckte Dolche und
Revolver wieder in den Gürtel und stieg zu Pferde. Dann winkte
ich den Gefährten. Die Atmosphäre war so rein und klar, daß sie
selbst auf eine solche Entfernung hin meine Armbewegung
erkennen konnten. Sie folgten dem Winke und kamen herbei.
Bald hielten wir in einer Reihe nebeneinander und fünf Bebbeh
uns gegenüber.
"Welcher ist der andere Franke?" fragte der Anführer.
Ich deutete auf Lindsay und antwortete:
"Dieser!"
Ueber die ernsten Züge der Kurden glitt eine Art von Lächeln,
und der Sprecher meinte:
"Ich glaube, daß er ein Franke und ein Christ ist, denn er hat die
Nase eines Khansir (* Schwein.), die man Rüssel nennt."
Das war denn doch mehr, als ich ihm erlauben durfte.
"Diese Art von Nasen habe ich in Alep und Diarbekr bei vielen
Gläubigen gesehen," antwortete ich.
Gläubigen gesehen," antwortete ich.
Er fuhr empor:
"Schweig, Giaur!"
Ich ließ mein Pferd einen Schritt vortreten.
"Höre, Mann, du sagtest vorhin, daß du lesen könnest. Hast du
vielleicht auch den Kuran gelesen?"
"Was geht es dich an!"
"Ich frage allerdings nicht viel nach dem Buche des Propheten,
denn ich bin ein Christ; du aber bist ein Moslem und solltest tun,
was Mohammed befiehlt! Hat er nicht gesagt: »Wer einen Feind
ehrt, den lieben die Tapferen; wer aber einen Feind schändet,
den lieben die Feiglinge!« Du hast deine Lehre von dem
Propheten erhalten und denkst, du hättest die richtige; wir haben
die unserige von Isa Ben Marryam erhalten und glauben, daß sie
die richtige sei; wir haben also beide das Recht, uns Giaurs zu
nennen. Du hast es getan, ich aber nicht; denn es ist nicht fein
und schön, einen Menschen ärgern zu wollen. Wer seinen
Mitmenschen in den Staub tritt, der beschmutzt sich selbst.
Merke dir das, Bebbeh!"
Er blieb vor Erstaunen über meine vermeintliche Kühnheit eine
ganze Weile wortlos; dann aber riß er zornig den Dolch aus dem
Gürtel.
Gürtel.
"Mensch, willst du, du, du mir Lehren geben? Du, ein Christ, den
Allah und der Prophet verdammen mögen! Soll ich dich
zerreißen, wie man einen Lappen zerreißt? Ich war bereit, euch
ziehen zu lassen; nun aber gebiete ich euch: Macht euch von
hinnen, ihr Unreinen! Euren Abstand sollt ihr wieder erhalten;
dann aber möge euch der Scheïtan in die Dschehenna führen!"
Ich sah, daß dies seinen vier Männern aus dem Herzen
gesprochen war; aber ich sah auch, daß die Blicke der beiden
Haddedihn und Halefs mit zorniger Erwartung auf mir hafteten.
Auch der Engländer beobachtete mich scharf, um sein Tun ganz
nach dem meinigen zu richten. Da er von der Unterhaltung nichts
verstand, so mußte ich ihn aufmerksam machen:
"Sir, wenn ich schieße, so schießt auch, aber nur auf die Pferde!"
"Yes! Schön! Prachtvoll!" antwortete er.
Nun erklärte ich dem Bebbeh in ruhigem Tone:
"Gut, wir werden reiten; vorher aber muß ich dir eins erst sagen:
Glaube nicht, daß wir um Frieden gebeten haben, weil wir uns
vor euch fürchten! Wir lieben nur deshalb den Frieden, weil wir
nicht das Blut von Menschen vergießen wollen. Du hast es
anders gewollt; so siehe nun, was die Folgen sind!"
"Ihr? Euch nicht fürchten?" höhnte er. "Hast du nicht hier dich vor
"Ihr? Euch nicht fürchten?" höhnte er. "Hast du nicht hier dich vor
uns in den Staub gesetzt und um Barmherzigkeit gebeten, Giaur?"
"Sage dieses Wort nicht noch einmal, Bebbeh, sonst kommt es
über dich wie der Blitz über den Baum! Ich wollte den Frieden
haben, um euretwillen, und ich will euch beweisen, daß wir euch
verachten. Wir wollen nicht einen Vorsprung von euch geschenkt
haben, sondern der Kampf mag sofort beginnen. Kommt heran!"
"So sei es!" rief er und griff nach seinem Dolch. In demselben
Augenblick aber schoß mein Pferd mit einem langen Satze an
dem seinigen vorüber; ich ergriff ihn beim Arm und riß ihn vom
Pferde. Vier Schüsse krachten - noch zwei, und als ich den
Rappen rasch wandte, sah ich die Pferde der Bebbeh sich mit
ihren Reitern am Boden wälzen.
"Fort! Schnell!"
Wir jagten vorwärts. Ich riß den Bebbeh zu mir empor und gab
ihm einige saftige Ohrfeigen mit den Worten: "Das ist für den
»Giaur«!" Dann ließ ich ihn fallen. Er kam hart neben den Hufen
des Pferdes, doch ohne von ihnen verletzt zu werden, zur Erde
nieder. Das alles war so schnell geschehen, daß erst jetzt die
Bebbeh unter einem lauten Wutgeheul ihre Pferde in Bewegung
setzten.
"Habe ich recht oder unrecht gehandelt?" fragte ich die
Haddedihn während des Reitens.
"Emir," antwortete Mohammed Emin, "du hast recht gehandelt;
der Mann hat nicht nur dich, sondern auch uns beleidigt. Er darf
kein Krieger mehr sein, denn er ist von einem Christen in das
Gesicht geschlagen worden. Das ist schlimmer als der Tod und
wird fürchterlich gerächt. Hüte dich, jemals in die Hände der
Bebbeh zu fallen; du müßtest unter entsetzlichen Martern
sterben!"
In zehn Minuten hatten die Bebbeh wieder zwei Abteilungen
gebildet; nur war die vordere jetzt weniger zahlreich, da fünf ihrer
Pferde erschossen waren. Ich wartete noch eine Weile, bis der
Abstand zwischen ihnen sich noch mehr vergrößert hatte, und
gebot dann Halt. Die sechs vordersten Reiter hätten uns den
ganzen Tag nicht aus den Augen verloren, denn ihre Pferde
waren ausgezeichnet. Darum mußten wir diese Tiere erschießen.
Dies erklärte ich den Haddedihn, stieg vom Pferde und ergriff die
Büchse.
"Schießen?" fragte Lindsay, der diese Anstalt beobachtete.