Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742705907
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weit aufriß, daß die Nase mitsamt der Snuff-box

       (Schnupftabaksdose) geradewegs hätte hineinspazieren können.

       "Ein Jahr? Ein ganzes Jahr? Zwölf ganze Monate?"

       "So ungefähr."

       "Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel?

       "Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel?

       Pflaster? Salbe? Brei auflegen?

       Wegschneiden?"

       "Nichts, gar nichts."

       "Aber jede Krankheit hat ihr Mittel!"

       "Diese nicht, Sir. Diese Beule ist nicht im mindesten gefährlich;

       aber wenn man sie zu zerteilen sucht oder gar ritzt und schneidet,

       dann kann sie sehr schlimm werden."

       "Hm! Was dann, wenn sie fort ist? Sieht man es noch?"

       "Das ist verschieden. Je größer die Beule, desto größer auch das

       Loch, welches zurückbleibt."

       "My sky! Ein Loch?"

       "Leider!"

       "O weh! Schauderhaftes Land hier! Miserable Gegend! Werde

       machen, daß ich nach Old England komme!

       Well!"

       "Nehmt Euch Zeit, Sir!"

       "Warum?"

       "Warum?"

       "Was würde man in Altengland sagen, wenn Sir David Lindsay

       seiner Nase erlaubt, sich eine Filiale anzulegen!"

       "Hm! Habt recht, Master! Die Straßenjungen würden mir

       nachtrollen. Werde also hier bleiben und mich - -

       "

       "Sihdi!" unterbrach ihn Halef. "Blicke nicht um!"

       Ich saß mit dem Rücken gegen den Waldesrand und dachte mir

       natürlich sofort, daß der kleine Hadschi hinter mir etwas

       Verdächtiges bemerkt habe.

       "Was siehst du?" fragte ich ihn darum.

       "Ein Paar Augen. Grad hinter dir stehen zwei Tschimars, und

       zwischen ihnen gibt es einen wilden Birnbusch. Dort steckt der

       Mann, dessen Augen ich gesehen habe."

       "Siehst du sie noch?"

       "Warte!"

       Er beobachtete so unauffällig wie möglich den Busch, und ich

       instruierte unterdessen die anderen, sich ganz so unbefangen wie

       vorher zu verhalten.

       "Jetzt!" sagte Halef.

       Ich erhob mich und gab mir den Anschein, als ob ich dürres Holz

       für das Feuer suchen wolle. Dabei entfernte ich mich so weit von

       dem Lager, daß ich nicht mehr gesehen werden konnte. Dann

       drang ich in den Waldsaum ein und schlich mich zwischen den

       Bäumen wieder zurück. Es waren nicht fünf Minuten vergangen,

       so befand ich mich hinter den beiden Tschimarbäumen und fand

       da allerdings Gelegenheit, das scharfe Auge Halefs zu

       bewundern. Zwischen den Bäumen und dem Busche kauerte

       eine menschliche Gestalt, welche unser Treiben am Lagerfeuer

       beobachtete.

       Weshalb geschah dies? Wir befanden uns hier in einer Gegend,

       wo in meilenweitem Umkreise kein Dorf zu finden war.

       Allerdings gab es rund umher verschiedene kleine kurdische

       Stämme, welche sich bekämpften, und es mochte wohl auch

       zuweilen geschehen, daß irgend ein persischer Nomadenstamm

       über die Grenze kam, um einen Raub auszuführen. Dabei gab es

       genug Umhertreiber, Ueberreste von vernichteten Stämmen, die

       Gelegenheit suchten, sich einem andern Stamm anzuschließen.

       Ich durfte nicht trauen; daher schob ich mich ganz leise an den

       Mann heran und faßte ihn dann rasch bei der Kehle. Er erschrak

       so sehr, daß er ganz steif wurde und sich auch gar nicht wehrte,

       als ich ihn in die Höhe nahm und an das Feuer trug.

       Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.

       Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.

       "Mann, rühre dich nicht, sonst ersteche ich dich!" drohte ich.

       Es war mir gar nicht so grimmig um das Herz, aber der Fremde

       nahm meine Drohung ernst auf und faltete bittend die Hände.

       "Herr, Gnade!"

       "Das soll auf dich ankommen. Belügst du mich, so bist du

       verloren. Wer bist du?"

       "Ich bin ein Turkomane vom Stamme der Bejat."

       Ein Turkomane? Hier? Seiner Kleidung nach konnte er allerdings

       die Wahrheit gesagt haben. Auch wußte ich, daß es früher

       Turkomanen zwischen dem Tigris und der persischen Grenze

       gegeben hatte, und es stimmte, daß es der Stamm Bejat gewesen

       war. Die lurische Wüste und die Ebene Tapespi waren der

       Schauplatz ihrer Umherschweifereien gewesen. Aber als Nadir-

       Schah in das Ejalet Bagdad einfiel, schleppte er die Bejat nach

       Khorassan. Er nannte diese Provinz wegen ihrer Lage und

       Beschaffenheit "das Schwert Persiens" und bemühte sich, sie mit

       tapferen, kriegerischen Bewohnern zu bevölkern.

       "Ein Bejat?" fragte ich. "Du lügst!"

       "Ich sage die Wahrheit, Herr."

       "Die Bejat wohnen nicht hier, sondern im fernen Khorassan."

       "Du hast recht; aber als sie einst diese Gegend verlassen mußten,

       so blieben doch einige zurück, deren Nachkommen sich jetzt so

       vermehrt haben, daß sie über tausend Krieger zählen. Wir haben

       unsere Sommerplätze in der Gegend von den Ruinen von Kizzel-

       Karaba und an den Ufern des Kuru-Tschai."

       Es fiel mir ein, davon gehört zu haben.

       "Jetzt befindet ihr euch hier in der Nähe?"

       "Ja, Herr."

       "Wie viele Zelte zählt ihr?"

       "Wir haben keine Zelte."

       Das mußte mir auffallen. Wenn ein Nomadenstamm sein Lager

       verläßt, ohne seine Zelte mitzunehmen, so deutet dies gewöhnlich

       auf einen Raub- oder Kriegszug. Ich fragte weiter:

       "Wie viele Männer seid ihr heute?"

       "Zweihundert!"

       "Und Frauen?"

       "Wir haben sie nicht bei uns."

       "Wir haben sie nicht bei uns."

       "Wo lagert ihr?"

       "Nicht weit von hier. Wenn du dort um die Ecke des Waldes

       gehest, so bist du bei uns."

       "So habt ihr hier unser Feuer bemerkt?"

       "Wir haben es gesehen, und der Khan schickte mich ab, um zu

       erfahren, was für Männer