Brocken brechen, daß sie den Strom ganz sperren und
unschiffbar machen sollten; da stemmte er nun seinen
Rücken an den Lurleifels und hob und schob und rüttelte
am Berge gegenüber. Schon begann dieser zu
wanken, da sang die Lurlei. Der Teufel hörte den Gesang,
und es wurde ihm seltsam zumute. Er hielt inne
mit seiner Arbeit und hielt es fast nicht länger aus.
Gern hätte er sich selbst die Lurlei zum Liebchen erkoren
und geholt, aber er hatte keine Macht über sie,
wurde aber von Liebe so heiß, daß er dampfte. Als
der Lurlei Lied schwieg, eilte der Teufel von dannen;
er hatte schon gedacht, an den Fels gebannt bleiben
zu müssen. Aber als er hinweg war, da zeigte sich, o
Wunder, seine ganze Gestalt, den Schwanz nicht ausgenommen,
in die Felswand schwarz eingebrannt,
womit er sein Andenken bei der Lurlei verewigte.
Nachher hat sich der Teufel sehr gehütet, der Sirene
des Rheins wieder nahe zu kommen, und hat gefürchtet,
wenn er von ihr abermals gefesselt werde, in seinen
Geschäften große Unordnung und Unterbrechung
zu erleiden.
Die Lurlei aber singt immer noch in stillen ruhigen
Mondnächten, erscheint immer noch auf dem Felsengipfel,
harrt immer noch auf Erlösung. Aber die Liebenden,
die sich von ihr betören ließen, sind ausgestorben;
die heutige Welt hat keine Zeit, ihren Fels zu
besteigen oder im Nachen sich in Mondnächten diesem
zu nahen. Der Räderumschwung des raschen
Dampfschiffes braust ohne Aufenthalt vorüber, und
durch sein Rauschen dringt keine Sang- und Sagenstimme
mehr.
96. Sankt Goars Wunder
Aus dem Lande Aquitanien kam ein frommer Mönch
in die Rhein- und Mosellande. Auch an der Lahn
nahm er eine Zeitlang den Aufenthalt, predigte, breitete
das Christentum aus und übte manches Wunder.
Ein Fels unterhalb der Lurlei zeugt noch von ihm;
man erblickt in diesem Felsen eine ausgehauene viereckige
Vertiefung und nennt dieselbe St. Goars Kanzel
oder auch St. Goars Bett. Dort soll der heilige
Mann lange Zeit gelebt und gewohnt haben, das
Evangelium zu verkünden und verunglückenden
Schiffern beizustehen. Noch ist, und für alle Zeiten,
des Heiligen Name fortlebend in den einander gegenüberliegenden
Ortschaften St. Goarshausen und St.
Goar am Rhein, und zu Pfalzfeld in der Nähe hinter
St. Goar soll ihm eine Denksäule errichtet worden
sein. In seiner Zelle zu St. Goar soll der Heilige verstorben
sein, worauf die Andacht ihm eine Kapelle
dort errichtete, die schon zu Kaiser Karl des Großen
Zeiten stand und berühmt war als ein Haus freigebiger
Milde und Gastlichkeit gegen Reisende, Schiffer,
Pilger und Wallfahrer. In der Gruft der von einem
Grafen von Katzenellenbogen, denen diese Landschaft
gehörte, erbauten Kirche steht die Bildsäule
des Heiligen lebensgroß, und waren auch sonst viele
Heiligtümer dort aufbewahrt, sind aber hinweggekommen.
Manche nennen St. Goar den Apostel von
Trier. Dorthin beschied ihn einst der Bischof Rusticus
durch Sendboten; dieser hatte von des Heiligen Wundern
gehört und konnte sie nicht glauben. St. Goar
folgte den Boten, aber der Weg war völlig wüst und
unwirtbar, es gebrach an Zehrung, und die Sendboten
sprachen: Wenn kein Wunder hilft, so verschmachten
wir. Da übte St. Goar gleich ein Wunder. Er rief in
den Wald hinein, und es kamen drei milchende
Hirschkühe, ließen sich melken, und ihre Milch rettete
die Botschafter. Als der heilige Mann zu Trier vor den
Bischof Rusticus geführt wurde, war ihm warm vom
Gange, denn es war heiße Sommerzeit, und er sah
sich im Versammlungssaale nach einem Ort oder
Nagel um, seinen Mantel dahin zu hängen, gewahrte
aber keinen solchen, und da hing er den Mantel auf
einen Sonnenstrahl, der schrägwärts herein in den
Saal fiel. Alle erstaunten, der Bischof aber zweifelte
noch immer, und da ward ein Säugling hereingetragen,
welcher am selben Tage gefunden worden war.
Lasse uns, o heiliger Mann, so du es vermagst, aus
dieses armen Säuglings Munde vernehmen, wer sein
Vater ist! sprach der Bischof. Da rührte St. Goar mit
dem Finger des Säuglings Lippen an, und die Versammlung
vernahm deutlich aus des Kindes Munde
die Worte:
Pater meus:
Rusticus,
Episcopus!
Da glaubte der Bischof ganz still an die Wundergabe
St. Goars und versuchte ihn nicht weiter, wünschte
auch nicht, daß der Säugling ferner spreche. –
Einst fuhr Kaiser Karl der Große von seinem Palast
in Ingelheim gen Koblenz, an St. Goars Zelle vorüber,
ohne dort vorzusprechen, das nahm der Heilige
übel und schuf einen so dichten Nebel, daß Karl landen
und auf freiem Felde eine Nacht zubringen mußte.
Seinen Söhnen hingegen, Karl und Pipin, welche
einen Haß gegeneinander trugen und zufällig in St.
Goars Zelle zusammentrafen, goß der Heilige Versöhnung
in das Herz. Auch heilte er mildiglich auf ihr
Anrufen des großen Kaisers Gemahlin Fastrada von
heftigem Zahnweh. Karl der Große schenkte dankbar
dem gastlichen Kapellenhause ein Faß guten Weines.
Dieses segnete der Heilige mit der Kraft des Nimmerversiegens.
Einst vergaß, vermutlich, weil er diese
Kraft allzusehr erprobt, ein Pater Kellermeister den
Hahn richtig zu schließen, so daß er stark tropfte, da
kam eine Spinne daher, die webte so eifrig unter der
Hahnöffnung fort und fort, bis sie das Gewebe so
dicht gemacht,