Endlich: ekelhafte Gegenstände fürs Auge. Hr. L. glaubt,12 »daß ein Feuermaal in dem Gesichte, eine Hasenscharte, eine gepletschte Nase mit vorragenden Löchern, ein gänzlicher Mangel der Augenbraunen, sich wohl so nennen ließen: daß wir etwas dabei empfinden, was dem Ekel nahe komme, daß, je zärtlicher das Temperament ist, wir desto mehr von den Bewegungen im Körper fühlen werden, die vor dem Erbrechen vorhergehen.« Ich mag bei so unsichern Sachen des dunkelsten Gefühls über Namen nicht streiten: indessen dünkt mich, daß das zärtlichste Temperament, und dazu im zartesten Zustande der Empfindung, z.E. eine schwangere Frau, solche Gegenstände eher widrig, als ekelhaft nennen, eher davor zurück schaudern, und in Ohnmacht fallen, als sich drüber erbrechen werde: daß die unangenehme Empfindung immer also eher Widrigkeit des Gefühls, Abscheu des Anblicks, als Ekel, zu nennen sey. Es sey indessen darum, daß ein solcher Anblick Bewegungen erregen kann, die vor dem Erbrechen voraus gehen: giebt Hr. L. eben damit das Erbrechen nicht für die sicherste Wirkung des Ekels an? Und da das Erbrechen eigentlich nur dem Sinne des Geschmacks zukommt: so muß, wenn das Auge Ekel empfände, es blos durch eine Association von Geschmacksideen solchen empfinden, und über die Zärtlichkeit des Temperaments mag ich nicht streiten.
Gnug für mich: daß Ekel eigentlich nur dem Geschmacke, und dem Geruche, als einem mit dem Geschmacke verbundnen Sinne, zukomme. Das grobe Gefühl der übrigen Sinne empfindet Widrigkeit, und nicht Ekel; es sey denn, daß in diesem und jenem Subjekte das Gefühl eines Sinnes in der körperlichen Organisation, oder in dem zur Natur gewordnen Laufe der Begriffe mit dem Geschmacke, und dem Geruche, gleichsam in näherm Bande stehen. Es giebt nämlich Menschen, bei denen der Geschmack, mithin auch der Geruch, unter den groben Sinnen gleichsam die herrschendsten sind, und den sinnlichen Empfindungen insgesamt also Ton zu geben vermögen: bei solchen kann sich ein widerlicher Anblick, ein widriger Schall, ein widriges Gefühl mehr dem Ekel nähern: d.i. Bewegungen erregen, die vor dem Erbrechen voraus zu gehen pflegen. Allein, diese Besonderheit in der Stimmung des Nervengebäudes hindert nicht, daß auch in ihnen unmittelbare Widrigkeit des Gefühls, Gesichts, Gehörs, von der mittelbaren Widrigkeit in diesen Sinnen durch Hülfe eines fremden Sinnes, des Geschmacks, unterschieden seyn sollte. Das Ekelhafte kann sich mehr oder weniger, nach dem die Organisation gestimmt ist, in jede unangenehme sinnliche Empfindung einmischen; nicht aber jede unangenehme sinnliche Empfindung, jede Widrigkeit in einem Sinne ist deßhalb Ekel.
Kommt also der Ekel vorzüglich dem Geschmacke, und andern Sinnen nur so fern zu, als sie mit ihm verbunden sind, oder sich an seine Stelle setzen können: so –
Gilt erstlich auf die Frage: Warum ist in den schönen Künsten und Wissenschaften der Ekel nicht schön? die Ursache13 so allgemein nicht; weil der Ekel blos den dunkeln Sinnen zukommt: denn dem dunkelsten Sinne unter allen, dem Gefühle, kommt er nicht zu.
Noch minder ist der Widerwille, den Häßlichkeit wirket, so gänzlich von der Natur des Ekels, als Hr. L. meinet;14 denn Häßlichkeit äußert sich blos dem Auge; Ekel eigentlich nur dem Geschmacke.
Am mindesten also kann sich zur Nachahmung das Ekelhafte vollkommen so, wie das Häßliche, verhalten.15 Lasset uns jede der dreierlei Nachahmungen des Lächerlichen, Häßlichen, Ekelhaften durchfragen.
1 Laok. p. 232. 233.
3 Die meisten Homerischen Götter sind schrecklich; aber deßwegen auch häßlich?
4 Laok. p. 238.
5 Laok. p. 237
6 p. 236.
7 Laok. p. 247.
8 Litt. Br. Th. 5. S. 107.
9 Litt. Br. eb. das.
10 Litt. Br. eb. das.
11 Litt. Br.
12 Laok. p. 247. 48.
13 Litt. Br. Th. 5. eb. das.
14 Laok. p. 247.
15 Laok. p. 258.
XXIII.
Das Häßliche kann in der Dichtkunst gebraucht werden, um das Lächerliche zu erwecken, und, wie gesagt, hat die Dichtkunst alsdenn in Veranstaltung der Formen keine andre Einschränkung, als Wahrscheinlichkeit und Gleichgewicht des Kontrasts, nämlich das scheinbar Schöne. Aber das Häßliche, ein Ingrediens des Lächerlichen bei dem Maler? Kann der Maler sein Häßliches in Kontrast des seyn wollenden Schönen setzen, daß das Lächerliche hervorblickt: so wohl. Da dies aber selten ist, da selbst bei der geistreichsten Hogarthschen Composition die Malerei immer augenscheinlicher häßliche Formen, als den lächerlichen Kontrast durch häßliche Formen schildert: so bleibt sie gleichsam körperlich, um dem Dichter des Lächerlichen folgen zu können. Der Dichter trift den Geist des Lächerlichen durch das Häßliche; der Künstler bleibt am Körper des Häßlichen kleben – und die Hauptsache ist unsichtbar. Jener stimmt meine Seele, und mein Mund lachet willig; dieser kitzelt mich häßlich, und ich soll lachen!
Das Häßliche zum Schrecklichen? Nichts! in Poesie und Malerei nichts. Will aber der Dichter Abscheu erregen: eine abscheuliche, bösartige, grimmige Seele an sich schon, wird sich durch häßliche Verzerrungen äußern. Soll der Abscheu verstärkt werden; so gebe er ihr ganz einen häßlichen Körper: denn wie anders kann wohl das Wohnhaus seyn, das sie sich gebauet, in dem sie so lange gewirket? Soll der Abscheu sich in Mitleid brechen; will der Dichter in Entfernung eine Seele zeigen, die besser seyn könnte: so mildre er ihren Abscheu wenigstens durch Stralen ihrer guten Anlage, durch einen nicht häßlichen Körper. Der Maler hat hier Schranken seiner Kunst: denn wie selten will diese wohl Abscheu, höchsten Abscheu erregen? und wenn sich mit dem Häßlichen kein Schrecken, sondern nichts, als Abscheu, erreichen läßt: wie frei geht der Künstler aus?
Das Ekelhafte endlich – hier bin ich mit Hrn. L. gar nicht einig. Das Wiesel, das Sokrates unterbrach, ist an sich kein ekelhafter Gegenstand, und die ekelhaften Züge, die Aristophanes sonst einmischt, sind ein Geschenk an den Griechischen Pöbel, das wir demselben