Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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vollkommenen Consonanzen«11 kann Ueberdruß; aber eigentlich nur dem Ekel erwecken, bei dem Geschmack der Hauptsinn wäre, und die Süßigkeit der Töne nur empfände, so fern sie mit der Süßigkeit, in Ansehung des Geschmacks, Aehnlichkeit hätte. Ein solcher allein würde in der übermäßigen Consonanz auch eine Aehnlichkeit mit übermäßiger Süßigkeit, folglich an Tönen, Ekel empfinden; kein andrer! Ich sage mit Fleiße, empfinden, dunkel empfinden; denn von dem klaren Hinzudenken ist hier nicht die Rede.

      Gnug für mich: daß Ekel eigentlich nur dem Geschmacke, und dem Geruche, als einem mit dem Geschmacke verbundnen Sinne, zukomme. Das grobe Gefühl der übrigen Sinne empfindet Widrigkeit, und nicht Ekel; es sey denn, daß in diesem und jenem Subjekte das Gefühl eines Sinnes in der körperlichen Organisation, oder in dem zur Natur gewordnen Laufe der Begriffe mit dem Geschmacke, und dem Geruche, gleichsam in näherm Bande stehen. Es giebt nämlich Menschen, bei denen der Geschmack, mithin auch der Geruch, unter den groben Sinnen gleichsam die herrschendsten sind, und den sinnlichen Empfindungen insgesamt also Ton zu geben vermögen: bei solchen kann sich ein widerlicher Anblick, ein widriger Schall, ein widriges Gefühl mehr dem Ekel nähern: d.i. Bewegungen erregen, die vor dem Erbrechen voraus zu gehen pflegen. Allein, diese Besonderheit in der Stimmung des Nervengebäudes hindert nicht, daß auch in ihnen unmittelbare Widrigkeit des Gefühls, Gesichts, Gehörs, von der mittelbaren Widrigkeit in diesen Sinnen durch Hülfe eines fremden Sinnes, des Geschmacks, unterschieden seyn sollte. Das Ekelhafte kann sich mehr oder weniger, nach dem die Organisation gestimmt ist, in jede unangenehme sinnliche Empfindung einmischen; nicht aber jede unangenehme sinnliche Empfindung, jede Widrigkeit in einem Sinne ist deßhalb Ekel.

      Kommt also der Ekel vorzüglich dem Geschmacke, und andern Sinnen nur so fern zu, als sie mit ihm verbunden sind, oder sich an seine Stelle setzen können: so –

      XXIII.

       Inhaltsverzeichnis

      Das Häßliche kann in der Dichtkunst gebraucht werden, um das Lächerliche zu erwecken, und, wie gesagt, hat die Dichtkunst alsdenn in Veranstaltung der Formen keine andre Einschränkung, als Wahrscheinlichkeit und Gleichgewicht des Kontrasts, nämlich das scheinbar Schöne. Aber das Häßliche, ein Ingrediens des Lächerlichen bei dem Maler? Kann der Maler sein Häßliches in Kontrast des seyn wollenden Schönen setzen, daß das Lächerliche hervorblickt: so wohl. Da dies aber selten ist, da selbst bei der geistreichsten Hogarthschen Composition die Malerei immer augenscheinlicher häßliche Formen, als den lächerlichen Kontrast durch häßliche Formen schildert: so bleibt sie gleichsam körperlich, um dem Dichter des Lächerlichen folgen zu können. Der Dichter trift den Geist des Lächerlichen durch das Häßliche; der Künstler bleibt am Körper des Häßlichen kleben – und die Hauptsache ist unsichtbar. Jener stimmt meine Seele, und mein Mund lachet willig; dieser kitzelt mich häßlich, und ich soll lachen!

      Das Häßliche zum Schrecklichen? Nichts! in Poesie und Malerei nichts. Will aber der Dichter Abscheu erregen: eine abscheuliche, bösartige, grimmige Seele an sich schon, wird sich durch häßliche Verzerrungen äußern. Soll der Abscheu verstärkt werden; so gebe er ihr ganz einen häßlichen Körper: denn wie anders kann wohl das Wohnhaus seyn, das sie sich gebauet, in dem sie so lange gewirket? Soll der Abscheu sich in Mitleid brechen; will der Dichter in Entfernung eine Seele zeigen, die besser seyn könnte: so mildre er ihren Abscheu wenigstens durch Stralen ihrer guten Anlage, durch einen nicht häßlichen Körper. Der Maler hat hier Schranken seiner Kunst: denn wie selten will diese wohl Abscheu, höchsten Abscheu erregen? und wenn sich mit dem Häßlichen kein Schrecken, sondern nichts, als Abscheu, erreichen läßt: wie frei geht der Künstler aus?

      Das Ekelhafte endlich – hier bin ich mit Hrn. L. gar nicht einig. Das Wiesel, das Sokrates unterbrach, ist an sich kein ekelhafter Gegenstand, und die ekelhaften Züge, die Aristophanes sonst einmischt, sind ein Geschenk an den Griechischen Pöbel, das wir demselben