1 Laok. p. 143. 151.
2 Klotz. epist. Homeric. var. loc.
3 Riedels Leben Meinhards p. 60. 61.
4 Laok. 143.
5 Laok. p. 180.
6 Laok. p. 181.
7 The Iliad. translat. by Pope: Book. 1. v. 61–72.
8 Iliad. Γ. 21.
XVI.
Ueberhaupt muß man nicht denken, daß ein Philosoph, der den Unterschied zwischen Poesie und einer schönen Kunst zu entwickeln unternimmt, damit das ganze Wesen der Dichtkunst vollständig erklären wolle. Hr. L. zeigt, was die Dichtkunst gegen Malerei gehalten nicht sey; um aber zu sehen, was sie denn an sich in ihrem ganzen Wesen völlig sey, müßte sie mit allen schwesterlichen Künsten und Wissenschaften z.E. Musik, Tanzkunst und Redekunst verglichen, und Philosophisch unterschieden werden.
»Malerei wirkt im Raume; Poesie durch Zeitfolge. Jene durch Figuren und Farben; diese durch artikulirte Töne. Jene hat also Körper, diese Handlungen zu eigentlichen Gegenständen«. So weit ist Hr. Leßing in seiner Entwicklung gekommen. Nun nehme ein Philosophischer Tonkünstler sein Werk auf: wie fern haben Poesie und Tonkunst gemeine Regeln, da sie beide durch die Zeitfolge wirken? Wie geht jene ab, da sie Handlung singet? Der Redekünstler fahre fort: jede Rede kann Handlung schildern: wie denn die Poesie? wie in ihren verschiednen Gattungen und Arten? – Endlich diese Theorien zusammen: so hat man das Wesen der Poesie.
Auch bei der jetzigen einen Seite der Vergleichung ists indessen, als ob mir an dem Wesen der Poesie immer etwas zur Berechnung fehle. – – Ich nehme Leßingen da das Wort auf, wo er die Sache aus ihren ersten Gründen herzuleiten verspricht.1
Er schließet so. »Wenn es wahr ist, daß die Malerei zu ihren Nachahmungen ganz andre Mittel, oder Zeichen gebrauchet, als die Poesie; jene nämlich Figuren und Farben in dem Raume, diese aber artikulirte Töne in der Zeit; wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes Verhältniß zu dem Bezeichneten haben müssen: so können neben einander geordnete Zeichen auch nur Gegenstände, die neben einander, oder deren Theile neben einander existiren, auf einander folgende Zeichen aber, auch nur Gegenstände ausdrücken, die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen.
Gegenstände, die neben einander, oder deren Theile neben einander existiren, heißen Körper. Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften, die eigentlichen Gegenstände der Malerei.
Gegenstände, die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen, heißen überhaupt Handlungen. Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie.«
Vielleicht würde die ganze Schlußkette untrüglich seyn, wenn sie von einem vesten Punkte anfienge: nun aber lasset uns zu ihm hinan. »Wenn es wahr ist, daß die Malerei zu ihren Nachahmungen ganz andre Mittel oder Zeichen gebraucht, als die Poesie;« allerdings wahr!
»Jene nämlich Figuren und Farben in dem Raume, diese aber artikulirte Töne in der Zeit.« Schon nicht so bestimmt! denn der Poesie sind die artikulirten Töne nicht das, was Farben und Figuren der Malerei sind!
»Wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes Verhältniß zu dem Bezeichneten haben müssen.« Eben damit fällt alle Vergleichung weg. Die artikulirten Töne haben in der Poesie nicht eben dasselbe Verhältniß zu ihrem Bezeichneten, was in der Malerei Figuren und Farben zu dem Ihrigen haben. Können also zwei so verschiedne Dinge ein Drittes, einen ersten Grundsatz zum Unterschiede, zum Wesen beider Künste geben?
Die Zeichen der Malerei sind natürlich: die Verbindung der Zeichen mit der bezeichneten Sache ist in den Eigenschaften des Bezeichneten selbst gegründet. Die Zeichen der Poesie sind willkührlich: die artikulirten Töne haben mit der Sache nichts gemein, die sie ausdrücken sollen; sondern sind nur durch eine allgemeine Convention für Zeichen angenommen. Ihre Natur ist also sich völlig ungleich, und das Tertium comparationis schwindet.
Malerei wirkt ganz im Raume, neben einander, durch Zeichen, die die Sache natürlich zeigen. Poesie aber nicht so durch die Succession, wie jene durch den Raum. Auf der Folge ihrer artikulirten Töne beruhet das nicht, was in der Malerei auf dem Nebeneinanderseyn der Theile beruhete. Das Successive ihrer Zeichen ist nichts als conditio, sine qua non, und also blos einige Einschränkung: das Coexsistiren der Zeichen in der Malerei aber ist Natur der Kunst, und der Grund der Malerischen Schönheit. Poesie, wenn sie freilich durch auf einander folgende Töne, das ist, Worte wirkt: so ist doch das Aufeinanderfolgen der Töne, die Succession der Worte nicht der Mittelpunkt ihrer Wirkung.
Um diesen Unterschied deutlicher zu machen: muß eine Vergleichung zwischen zweien durch natürliche Mittel wirkenden Künsten gemacht werden, zwischen Malerei und Tonkunst. Hier kann ich sagen: Malerei wirkt ganz durch den Raum, so wie Musik durch die Zeitfolge. Was bei jener das Nebeneinanderseyn der Farben und Figuren ist, der Grund der Schönheit, das ist bei dieser das Aufeinanderfolgen der Töne, der Grund des Wohlklanges. Wie bei jener auf dem Anblicke des Coexststirenden das Wohlgefallen, die Wirkung der Kunst beruhet; so ist in dieser das Successive, die Verknüpfung und Abwechselung der Töne das Mittel der Musikalischen Wirkung. Wie also, kann ich fortfahren, jene, die Malerei, blos durch ein Blendwerk, den Begriff der Zeit folge in uns erwecken kann: so mache sie dies Nebenwerk nie zu ihrer Hauptsache, nämlich: als Malerei durch Farben, und doch in der Zeitfolge zu wirken: sonst gehet das Wesen und alle Wirkung der Kunst verlohren. Hierüber ist das Farbenklavier Zeuge. Und also im Gegentheile die Musik, die ganz durch Zeitfolge wirkt, mache es nie zum Hauptzwecke, Gegenstände des Raums Musikalisch zu schildern, wie unerfahrne Stümper thun. Jene verliere sich nie aus dem Coexsistenten, diese nie aus der Succession: denn beide sind die natürlichen Mittel ihrer Wirkung.
Bei der Poesie aber ist der Auftritt geändert. Hier ist das Natürliche in den Zeichen, z.E. Buchstaben, Klang, Tonfolge, zur Wirkung der Poesie wenig oder nichts: der Sinn, der durch eine willkührliche Uebereinstimmung in den Worten liegt, die Seele, die den artikulirten Tönen einwohnet, ist alles. Die Succession der Töne kann der Poesie nicht so wesentlich berechnet werden, als der Malerei das Coexsistiren der Farben; denn »die Zeichen haben gar nicht einerlei Verhältniß zu der bezeichneten Sache.«2,
Der Grund ist wankend: wie wird das Gebäude seyn? Ehe wir dieses sehen, lasset uns jenen erst auf andre Art sichern. Malerei wirkt im Raume, und durch eine künstliche Vorstellung des Raums. Musik, und alle energische Künste wirken nicht blos in, sondern auch durch die Zeitfolge, durch einen künstlichen Zeitwechsel der Töne. Ließe sich nicht das Wesen der Poesie auch auf einen solchen Hauptbegrif bringen, da sie durch willkührliche Zeichen, durch den Sinn der Worte auf die Seele wirkt? Wir wollen das Mittel dieser Wirkung Kraft nennen: und so, wie in der Metaphysik Raum, Zeit und Kraft drei Grundbegriffe sind, wie die Mathematischen Wissenschaften sich alle auf einen dieser Begriffe zurückführen lassen; so wollen wir auch in der Theorie der schönen Wissenschaften und Künste sagen: die Künste, die Werke liefern, wirken im Raume; die Künste, die durch Energie wirken, in der Zeitfolge; die schönen Wissenschaften, oder vielmehr die einzige schöne Wissenschaft, die Poesie, wirkt durch Kraft. – Durch Kraft, die einmal den Worten beiwohnt, durch Kraft,