8 Ebendas. p. 4.
9 Ebenbas. p. 81.
10 Eben das. p. 17. 21 u.s.
11 Laok. p. 6.
IV.
1. Wenn es eine Zeit giebt, da das Wort Vaterland noch nicht ein leerer Schall ist, sondern
– – ein Silberton dem Ohr
Licht dem Verstand und hoher Flug zum Denken,
Dem Herzen groß Gefühl –
so muß der Name Vaterland so gut den Dichter zum Helden, als den Helden zum Dichter, und beide zu Theilnehmenden Söhnen ihres Vaterlandes machen. Der Held wird dafür streiten, der Dichter singen, und wenn sie beide es nicht mehr retten können, beide noch als Söhne darum weinen: und ist nun Dichter und Held, und Sohn des Vaterlandes Eine Person – so ist dies die Zeit der Patriotischen Klagelieder. Nicht aus einer sich übenden Schulfeder; aus dem vollen Herzen werden diese fließen; nicht blos auf dem Papier, sondern im Gedächtniß, in der Seele leben; die Stimme der Ueberlieferung wird sie aufbehalten, der Mund des Volks sie singen: sie werden Thränen und Thaten wecken: ein Schatz des Vaterlandes, und das Gefühl, das sie besingen und wirken, Gefühl des Volks, Nationalgeist. Es wird also Eine Empfindung des Patriotismus seyn, die jetzt zu Thaten, jetzt zu Gesängen, jetzt zu Thränen fürs Vaterland gedeihet, nachdem die Ausbildung desselben die Empfindung da oder dorthin lenket: und keinen Absenker derselben ersticket. Bei den Scandinaviern erstickte das Beispiel Odins die eine Art des Ausbruchs, die Heldenthräne, um die andre um so mehr zu verstärken: Heldenthaten.
Nun aber ändere man diesen Geist der Zeit: die ganze Welt werde das Land des Weisen, oder des tauglichen und angenehmen Narren; allmälich werden sich die Bande schwächen, die das Herz des Eingebohrnen an den Boden der Natur hefteten; ihm wird also auch das Unglück, oder die Entfernung seines Vaterlandes nicht mehr so zu Gemüthe dringen: und so ist auch die edle Thräne um das Vaterland versiegt, die dort den Helden und den Weisen nicht verunzierte, sondern ehrte. Sie wird höchstens der eigennützigen oder üppigen Thräne Raum machen, die ein Ovid mitten in seinem traurigen Geschwätz, oder Bußi-Rabutin in seinem ächzenden Unsinn, nach einem wohllüstigen Hofe fließen läßt. Und so ist eine Quelle dieses Heldengefühls ausgetrocknet: »die Bildung, die Erziehung für das Vaterland.«
2. Wenn noch ein jedes Geschlecht, eine jede Familie, unzertrennt und Eins im Ganzen, einen Baum bildet, wo die Zweige und Früchte dem Stamme zur Ehre gereichen, und durch das Abreißen derselben der Stamm selbst verwundet wird: wie bedeutend sind alsdenn die Gefühlvollen Züge Homers bei seinen fallenden Helden: »er fiel, ein blühender Jüngling; der Vater wars nicht, der ihm zum Kriege rieth! – er stammt' aus einem edeln Geschlechte; mit seinem Tode aber ist dies geendigt – er war aus fernem Lande gekommen; nie aber wird er in dasselbe rückkehren – die Söhne des Reichen fielen; der Vater hat alles, für Fremde gesammlet.« In diese Welt also gehören die Heldenklagen des Priamus um seinen Hektor, den Ruhm seines Geschlechts, die Mauer von Troja: in diese Welt die Klagen Oßians, um seine abgeschiedenen Söhne; die ganze rührende Umarmung Hektors an seinen kleinen Astyanax: die Klagen der Elektra und andrer tragischen Heldinnen, der rührende Hingang der Morgenländer zu ihren Vätern u.s.w. eine Ader des Gefühls, die die besten Dichtungen und Geschichte, nicht blos der Griechen, sondern aller Völker durchströmt, bei denen diese Einigkeit der Geschlechter, dies Familiengefühl lebte.
Nun ersticke man aber dasselbe: man gehe über die natürlichen Bedürfnisse der unverdorbnen Menschlichen Seele und der einfachern Lebensart hinaus: man mache die Ehe zu einem Wirthschaftsvergleich, zu einem Stande der Mode, und Eheleute zu nichts, als einander lästigen oder Zeitkürzenden Personen: man erziehe die Brüder, daß sie schon an den Brüsten einer Fremden nicht mehr Brüder sind, und anwachsend immer fremder werden: man knüpfe Personen, die schon am Hochzeittage getrennt, und lege Kinder in ihre Arme, die blos ihren Namen haben dörfen – freilich so wird eine Nerve des Gefühls getödtet: es erlischt der Ehrenname: »Achilles war ein Sohn Peleus« allmälich: die Sehnsucht des Ulysses zu seiner alten Penelope, und seinem steinigten Ithaka dünkt uns abentheuerlich: der Gefühlvolle Stolz der Morgenländer auf ihre Geschlechtswürde wird lächerlich in unsern Augen, und die Klagen eines Hallers, Klopstocks, Canitz, Oeders, dünken vielen artigen Ehemännern so Poetisch, als eine Anruffung an die Muse.
Es war eine Zeit (sie ist noch jetzt unter den Wilden!) da es Freunde gab, in einem Verstande, der sonst kaum Statt findet: zwei unzertrennliche Gefährten in Glück und Unglück, durch die heiligsten Gesetze verbunden, wetteifernd in den strengsten Pflichten, und in Erfüllung derselben Muster ihrer Vaterstadt, und die Verehrung des Landes. Zu diesem Gefühl erzogen, besiegelten sie dasselbe also oft mit ihrem Tode und Blute: sie verließen ihren Freund nie, auch in Lebensgefahren, denen die damalige Tapferkeit mehr als unsre Ueppigkeit ausgesetzt war; die kleinste Untreue gegen ihren Freund machte sie zum Spott ihres Geschlechts, und zum Abscheu der Stadt; sie waren nach allen Gesetzen verbunden, seinen Tod zu rächen, und die letzte Stimme des Einen, vielleicht gefangenen, vielleicht getödteten Freundes war – an seinen Freund, an den Begleiter seines Lebens. Da also gab es einen Herkules und Jolaus, einen Aeneas und Achates, einen Orestes und Pylades, einen Theseus und Pirithous, einen David und Jonathan: mithin eine Quelle des Gefühls der Freundschaft für den Helden, die jetzt für den bloßen Bürger und Gesellschafter beinahe versiegen ist. Da also, da flossen, wenn der Tod, wenn ein Unglück die trennete, die das Leben nicht trennen konnte, so edle Heldenthränen, wie der Held Achilles um seinen Patroklus, wie ein Pylades um seinen Orestes, wie der Held David um seinen Jonathan weinten.
Nun laßt die Welt zu einer solchen Freundschaft verschwinden: die Art des Lebens mache nicht mehr zween solche Begleiter im Leben und Tode nöthig: das Feierliche bei solchen Verbindungen lasse nach: der Beruf der Menschen zu Arbeiten, zu Lebensarten werde verschiedner und gleichsam unstäter: der Zustand der Bürger und Mitbürger, ruhiger: jeder sich selbst sein Gott in der Welt – wo wird alsdenn ein. Kriegshaufen von Liebhabern, von männlichen Geliebten, ein Böotischer ιερος λοχος noch Statt finden? Der Freund wird ein Gesellschafter, und ein Ding seyn, was man will, nur nicht, was er in der Welt der Helden, und der Freundschaftsbündnisse war, es mochte diese Welt übrigens in Griechenland, oder Schottland, oder Amerika leben. Verstopft also eine neue Quelle zu Heldenthränen, wenigstens ist das rührendste Bild zweener Freunde jetzt ein Cabinetstück blos, und nicht mehr ein Schauspiel der Welt, wie ehedem, und so anders, als Achilles, als Held, nach unsern Zeiten seyn müste: so fremde ist für sie »der um seinen Patroklus weinende, und bis zum Unsinn betrübte und rasende Achilles.«
Wenn es eine Zeit und ein Land giebt, da die Schönheit noch mehr Natur, noch minder Putz und Schminke: da die Liebe noch nicht Galanterie, und die männliche Gabe zu gefallen, etwas mehr als Artigkeit ist: da wird auch die Empfindung, die Sprache, und selbst die Thräne der Liebe Würde haben, und selbst das Auge eines Helden nicht entehren. Freilich wird dieser nicht, wie Polyphem, der Cyklope Theokrits, elegisiren; aber gewiß noch weniger mit dem Philoktet des Chateaubrun, und mit den verliebten Griechischen Helden der Französischen Bühne. Die wahre Empfindung, und ein männlicher Werth hat seine Würde und Hoheit, ohne diese von ungeheuren Metaphern, von galanten Wortspielen, oder von artigen Seufzern zu borgen: und auch hier sei die Liebessprache der alten z.E. Schottischen Helden Beispiel. – Sie handeln als Helden, und fühlen als Menschen.
Da aber freilich keine Empfindung so gern das Reich der Phantasie zu seinem Gebiet haben mag, als die Liebe: so kann auch keine so leicht von der Würde und Wahrheit ab, und in Phantasterei und Spielwerk hinein gerathen, als diese: und also,