Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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und Verhärtung äußern: die größte Tapferkeit wird sich alsdenn immer als die empfindbarste Menschheit zeigen. »Nach ihren Thaten werden solche Leute Geschöpfe höherer Art seyn; nach ihren Empfindungen Menschen.«

      Und sollte es nur unter den Griechen diese Doppelgeschöpfe höherer Art, diese Heldenmenschen, diese Semonen gegeben haben? Und unsre Ureltern wären Barbarn, und alle nordische Barbarn in diesem Stück Unmenschen gewesen? Menschliches Gefühl muß jedem einwohnen, der ein Mensch ist; es muß, wo es erstickt, wo es in rohe Tapferkeit verschlungen werden soll, erst von tausend Beispielen, von einem großen unter einer Nation lebenden Vorbilde, von dem ganzen Geiste des Volks, und durch alle Eindrücke der Erziehung von Jugend auf gewaltig bestürmt, und dahin endlich gerissen werden, daß es mit diesen Beispielen wetteifre, daß es diesem großen Vorbilde, das den Geist dieses Volks bestimmet, folge. Wo dies nicht ist: da wird sich die unverhüllte Natur zeigen; die Empfindungen der Menschheit werden sich in ein Heldengewand kleiden, und der Sinn des Helden sich wiederum der menschlichen Thräne nicht schämen – es sei unter einem Volke, wo es wolle!

      Ich kenne kein Poetisches Volk der Erde, welches große und sanfte Empfindungen, so sehr in Eine Gesinnung verbunden, und in Einer Seele den Heroismus des Helden- und Menschengefühls so ganz gehabt hätte, als die – alten Schotten, nach Maasgabe ihrer jetzt aufgefundnen Gesänge. Eine sichere Maasgabe, da die Ursprünglichkeit dieser Lieder bewiesen, und das ganze Leben der Nation bekannt ist, als ein Leben, das unter Thaten, Empfindungen und Gesängen verstrich, und wo die Gesänge eben zu nichts bestimmt waren, als diese Thaten und Empfindungen zu verewigen. Dies also vorausgesetzt: und in jedem Bardenliede zeigt sich ein Volk, dessen Seele ganz der Tapferkeit und einer feierlichen Liebe flammete; ein Volk, dessen Denkart überhaupt von einem Heldenernst eine gewisse Melancholische Farbe erhalten, und diese auch auf seine weichen Empfindungen verbreitete. Die meisten Stücke der hersischen Dichtkunst kann ich nicht besser, als feierliche Trauergesänge nennen, an die nichts im Alterthume, und was diese Seite des Gefühls betrift, selbst nichts im griechischen Alterthume reicht.