Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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Un⏑d e̅inen⏑ Koͤ̅ni⏑g ge⏑ge̅ben⏑.

      Man ſezze dies fort: Spondaͤen, Trochaͤen und Jamben wird jedes Naturgenie antreffen; Daktylen — wird es nur in Participien und wenig andern Woͤrtern finden; und zu den uͤbrigen vielſylbigen Tritten, ſind unſre einſylbige Woͤrter wirklich zu unbeſtimmt, und Proſaiſch.

      15.

       Inhaltsverzeichnis

      Doch gnug von dieſen grammatiſchen Schwuͤrigkeiten, die einem Genie immer verdrießlich ſeyn muͤſſen: um vielleicht einige ſolche verdrießliche Genies zu verſoͤhnen, ſezze ich folgende Anmerkung dazu, von der ich wuͤnſche, angewandt zu werden.

      Erſtens: Haͤtten wir einen Dithyrambiſchen Dichter, der wirklich von dem Blizſtrahle des Bacchus getroffen, trunken, und begeiſtert toͤnen wuͤrde: — natuͤrlich waͤre kein gefeſſeltes Sylbenmaaß fuͤr ihn; er zerreißt es, wie Simſon die Baſtſeile, als Zwirnsfaͤden. Allein dieſe Verſe ſind Pindariſche Pfeile in der Hand des Starken: die, mit Pindar zu reden, blos fuͤr die Mitverſtaͤndige klingen, dem großen Haufen der Ausleger aber, wie eine dunkle Wolke ſcheinen. Unſer mißgluͤckter Dithyrambenſaͤnger kann dieſer Bemerkung, durch ſeinen Jkariſchen Fall ein Gewicht beilegen.

      Zweitens: Die hohen Oden des Affekts werden natuͤrlich ihre Empfindungen aufloͤſen, ſie moͤgen in kurzem Odem jauchzen, oder donnern, oder ſeufzen und weinen. Dies Sylbenmaaß kann, nach jener Scythiſchen Zeichenſprache zu reden, wie ein Pfeil treffen, ſich wie ein Adler aufſchwingen, es kann die Sprache durchgraben, und ſich wieder, ohne zu ſinken, ſchwimmend erhalten. Wenn man manche Deutſche Lehroden in ihrem gewoͤhnlichen Sylbenmaaße anſieht, ſo ſollte man beinahe denken, daß das gewoͤhnliche Strophenmaaß der Graͤnzſtein eines Paragraphen ſeyn ſollte. Das geht denn nun ſo hin, aber ſollen dieſe Oden Affekt ſingen — ein Geſang nach einer Kirchenmelodie.

      Drittens: Die Gemaͤlde der Einbildungskraft koͤnnen ein gefeſſeltes Sylbenmaaß nicht ertragen, ohne daß ſie, oder das Sylbenmaaß leidet. Bei Pindar und Horaz laͤuft die Periode und das Gleichniß uͤber die Strophe; bei den meiſten Deutſchen Dichtern ſind ſie zahm genug. ſich in die Strophe einzuſchließen. Eine Karſchin, die jetzt nichts weniger, als den Perioden der Ode trift, wuͤrde in dieſem Sylbenmaaße ihre ganze Phantaſie ausſchuͤtten, und freilich auch allen unregelmaͤßigen Wuſt derſelben. — Will man alſo Klopſtocks Poetiſche Stuͤcke von dieſer Art, auch nicht Oden nennen; am Namen liegt nichts: ſo laſſet es Lyriſche Gemaͤlde ſeyn, zu denen die Griechen den Namen ειδος hatten.

      Ferner: Auf dem Orcheſter kann die Muſikaliſche Sprache in dieſem Leitbande freier und ſicherer gehen. Vornehmlich in den Recitativen, wo der Muſikus „die Harmonie wieder zerſtoͤren muß, die dem Dichter ſo unſaͤgliche Muͤhe gekoſtet hat: wo der Proſaiſche Wohlklang entweder von dem Muſikaliſchen verſchlungen wird, oder wohl gar durch die Colliſion leidet, und Wohlklang zu ſeyn aufhoͤret.„ Jn den Arien, wo ein Sylbenmaas ſeyn muß, koͤnnten die rimes aſſonantes der Spanier den Reim erſezzen, und viele Freiheit dem Dichter verſchaffen. Ramler in ſeiner Muſikaliſchen Jdylle: der May, in der ihm die zwei Schweſtern der Harmonie zur Seite geſtanden, hat hier mehr gezeigt, als ich ſagen kann.

      Und fuͤr das Theater? Es kann ſich dieſer Vers ſo Proſaiſch als moͤglich machen; und dies iſt in den erſten Auftritten noͤthig, wo das Sylbenmaas oft unleidlich wird. Er kann ſich aber auch hernach zum hoͤchſten Tragiſchen Affekt erheben, und dem Brauſen des Sturmes nachahmen, der im Virgil auf den Wogen reitet. Er kann die Theatergemaͤlde beleben, die Diderot will, und kann die heftigen kurzen Doppelgeſpraͤche fuͤllen, die die Alten auf ihren Buͤhnen ſo ſehr liebten, und die bei uns ſo ſehr ausarten (auch vielleicht des Sylbenmaaßes wegen), daß bei Franzoſen und ihren Nachahmern, den Deutſchen, ein Wort, das den Vers unvermuthet ſchließen ſoll, aber oft durch einige gedehnte Verſe deutlich gnug zu errathen gegeben wird, ein beſonderes Kunſtſtuͤck iſt. Das Jch, oder Du, oder Nein! u. ſ. w. das alsdenn ſo hergeſchraubt wird, gehoͤrt in ein Epigramm, nicht in ein Trauerſpiel.

      Wenn nun in dieſem Sylbenmaas ſo viel Schazz von Sprache, Leidenſchaft, Einbildungskraft und Muſik liegt; ſo muß es auch ein Muſter der Deklamation ſeyn. Lies eine hinkende Deutſche Alcaͤiſche Ode; deklamire ſie gut: verbirg ihre Fehler: laß die Schoͤnheiten des lebendigen Wohlklanges hoͤren; — es iſt nicht mehr Alcaͤiſche Ode, es iſt eine Sprache, in dieſe Verſe zerſtuͤckt. Hoͤre einen Redner in ſeinem Feuer. brauſen, oder zerſchmelzen; du wirſt einige Fußſtapfen dieſer Abſchnitte in ſeiner Deklamation hoͤren; hoͤre einen Garrick in einem Selbſtgeſpraͤche mit ſich ſelbſt kaͤmpfen, faſt unterliegen und dennoch ſiegen; ſein Affekt wird die Sprache aufloͤſen: er wird einen Takt halten, der dich an das Kunſtſtuͤck der Alten erinnern wird, ihren Akteurs Noten und Ton mitzugeben. —

      Wie waͤre es nun? wenn dies Sylbenmaas in den Oden die Griechiſchen Verſe, und in der Affektſprache die Poetiſche Proſe etwas einſchraͤnkte? Wenn ein Dithyrambendichter, ein Pindar, ein Barde unter uns in dieſem Feierkleide ſich ſehen ließe? Wenn ein Deutſcher Shakeſpear — oder wenigſtens, wenn man den Engliſchen Shakeſpear in dieſer Tracht bei uns einfuͤhrte; den wir jezt, ohngeachtet der Ueberſezzung, noch ſo wenig kennen: wenn Ebert den Poetiſchen Perioden des Youngs mit allem ſeinem Kolorit in dies Sylbenmaas uͤbertruͤge — Der Kunſtrichter ſchreibt vor: Genies, ihr muͤßt die Regeln durch euer Exempel guͤltig machen!

      16.

       Inhaltsverzeichnis

      Jn dem Barbariſchen unſrer Sprache, in den Jnverſionen, in den Sylbenmaaßen haben wir nichts von den Franzoſen zu lernen; wir ſind vor ihnen voraus; worinn denn? in ihrer muntern Proſe, und in ihren kritiſchen Bemerkungen uͤber die Sprache.

      Unſere witzige Proſe hat, nach den meiſten Buͤchern zu rechnen, noch den Ton der alten Wochenſchriften, deutlich, und bis zum Gaͤhnen deutlich zu ſeyn. Weil unſer Publikum nicht vor gar zu langer Zeit entweder ſo bloͤdſichtig war, daß es blos einen Flecken ſahe, wo andere ein fein gezeichnetes Gemaͤlde erblickten; ſo bequemten ſich die Schriftſteller nach dem Leſer. Das Buch ward das beſte, was ihnen die angenehme Ruhe ließ, im Leſen wenig zu denken, was ihnen das Vergnuͤgen ſchaffte, hie und da ein Bluͤmchen zu finden, ohne ſich beſtaͤndig buͤcken zu doͤrfen, was ſie in den ſuͤßen Traum einwiegte, das hier zu leſen, was ſie ſelbſt ſchon gedacht zu haben glaubten. Das Buͤcherſchreiben ward von Verlegern ausgepachtet, und man bequemt ſich nach dem Geſchmack ſeines Lehnherrn. Das Publikum beſtand aus einigen Journaliſten, die nicht zu denken, wohl aber zu recenſiren Zeit hatten; von dieſen ward das Publikum angefuͤhrt und gleichſam gebildet. Hier und da fand ſich ein Mecaͤn, der aber blos Arbeiten liebte, und lobte, und lohnte, die ihm nicht viel Kopfbrechens machen — nun denke