„Das Deutſche hat aber ſo biſarre Conſtruktionen, daß die Metaphyſiſche Ordnung der „Worte ohne Noth geſtoͤrt wird, und der „Schriftſteller doch keine Freiheit mehr hat. 27 „Zum Exempel! die Metaphyſiſche Ordnung „der Worte wird geſtoͤrt: denn wie laͤcherlich klingts: Hier au ſoir vint le Comte „ici par; und doch ſagen die Deutſchen: „Geſtern Abend kam der Graf hier an!„ — Wer von den Deutſchen iſt von dieſem Exempel nicht ſo getroffen, als von einem Blitze, daß er ſo gleich den Eigenſinn der Franzoͤſiſchen Sprache, und ihre Ungelenkigkeit fuͤr die wahre, einzige Metaphyſiſche Ordnung der Woͤrter haͤlt, und kuͤnftig immer den Franzoſen zu Gefallen, und zu Ehre der Sprachenphiloſophie folgende Conſtruktionsordnung einfuͤhret: „weil ihr nicht uns davon habt nicht heute wollen thun den Gefallen: wir euch ihn werden thun.„ Denn dies iſt die aͤchte Franzoͤſiſche Conſtruktionsordnung (puisque vous ne nous en avez pas aujourd’hui voulû faire la grace; nous vous la ferons); und der Eigenſinn der Franzoͤſiſchen Conſtruktion, iſt doch die Metaphyſiſche Ordnung ſelbſt. Wenn man ſich doch ſcheuen wollte, Sachen in die Welt zu ſchreiben, von denen man nicht die gehoͤrige Kaͤnntniß haben kann.
„Jn wie fern Jnverſionen nuͤtzlich oder „ſchaͤdlich ſind, muß gewiß, aus ganz andern „Gruͤnden, als ſolchen woͤrtlichen Ueberſezzungen eroͤrtert werden; und die Urſache, „warum dergleichen Partikeln in der Deutſchen „Sprache ſo und nicht anders geſezzt werden, „mag ſich doch wohl koͤnnen Philoſophiſch erklaͤ-„ren laſſen.„ Jch verſuche es, ſie Philoſophiſch zu erklaͤren; — aber nicht die Partikel — denn jede Sprache hat ihren Eigenſinn; ſondern die Jnverſionen uͤberhaupt: ſo wird ſich ihre Erlaubniß und Nutzen von ſelbſt zeigen.
12.
Das Hauptgeſez bei der Verbindung der Worte zu einer ganzen Jdee iſt folgendes: 28 „Man laſſe mehrere Jdeen, die zuſammen einen Gedanken ausmachen ſollen, in der Ordnung folgen, die der Faßlichkeit des Gedankens, und dem jedesmaligen Zwecke des Redenden gemaͤß iſt. Nun kann der Zweck des „Redenden in tauſend Faͤllen einerlei ſeyn; „alſo wird es eine gewiſſe allgemeine Conſtruktionsordnung geben. Hundert mal „aber gibt es einen beſondern Zweck des Redners, und denn iſt die Sprache die beſte, „welche raͤumig gnug aufgeſchuͤrzt iſt, um ihre Ordnung nach dieſem Zwecke wenden zu „koͤnnen.„
Stellet euch zwei Geiſter vor, die ſich einander ihre Gedanken, und blos Gedanken unmittelbar mittheilen; ſo wird die Ordnung, in der das eine Weſen ſie denket, auch zugleich die ſeyn, in der ſie das andere erblicket. So wie die Jdeen bei dem einen ſich entweder aus ſeinem innern Grunde hervorwickeln, oder ſo wie es ſie aus den Dingen außer ſich ſchoͤpfet: ſo theilet es dieſelben auch mit. Eine ruhige Venunft, die nichts als Gedanken einer andern Vernunft ſaget: gehet alſo den gewoͤhnlichen Pfad der Zuſammenſezzung der Begriffe; ſie zeiget den Gegenſtand zuerſt und ihr Urtheil daruͤber an. Hier iſt alſo der Bau eines Perioden ſo regelmaͤßig beſtimmt, daß, nach der Arabiſchen Proſodie zu reden, jedes Wort einen Pfoſten und Saͤule ausmacht, der eben hier an ſeinem Orte ſtehet.
Betrachtet eine Philoſophiſche Sprache; waͤre ſie von einem Philoſophen erdacht: ſo huͤbe ſie alle Jnverſionen auf: kaͤme eine allgemeine Sprache zu Stande: ſo waͤre bei ihren Zeichen nothwendig jeder Plaz und jede Ordnung ſo beſtimmt, als in unſrer Dekadik. So lange wir aber noch keine durchaus Philoſophiſche Sprache haben, die blos fuͤr die Weltweisheit erfunden waͤre: ſo nehmt die, die am meiſten zur Weltweisheit gebraucht wird, die Lateiniſche, nehmt ſie, wie ſie in den Buͤchern der Weltweisheit iſt, wenn ſie Lehrſaͤzze und trockene Beweiſe vortraͤgt; wie iſt ſie? ohne Jnverſionen meiſtentheils.
Nun ſtellet euch zwei ſinnliche Geſchoͤpfe vor, davon der eine ſpricht, der andre hoͤret: Dem erſten iſt das Auge die Quelle ſeiner Begriffe; und jeden Gegenſtand kann er in verſchiedenen Geſichtspunkten ſehen; dem andern zeiget er dieſen Gegenſtand, und es kann auf eben ſo verſchiedenen Seiten geſchehen. Nun betrachtet die Rede, als ein Zeichen dieſer Gegenſtaͤnde: ſo habt ihr den Urſprung der Jnverſionen. Je mehr ſich alſo die Aufmerkſamkeit, die Empfindung, der Affekt auf einen Augenpunkt heftet; je mehr will er dem andern auch eben dieſe Seite zeigen, am erſten zeigen, im helleſten Lichte zeigen — und dies iſt der Urſprung der Jnverſionen. Ein Beiſpiel: Fleuch die Schlange! ruft mir jemand zu, der mein fliehen zu ſeinem Hauptaugenmerk hat, wenn ich nicht fliehen wollte. — Die Schlange fleuch! ruft ein anderer, der nichts geſchwinder will, als mir die Schlange zeigen; fliehen werd ich von ſelbſt, ſo bald ich von ihr hoͤre. — Er hat mir das Geld geſtohlen; und kein anderer; Er hat mir das Geld geſtohlen; ich weiß es gewiß; das Geld hat er mir geſtohlen (und keinen Ring); Mir hat er das Geld geſtohlen, und keinem andern; geſtohlen hat er mir das Geld (nicht abgeborgt): wie viel Veraͤnderung macht hier nicht die Jnverſion in der Wendung des Gedankens.
Entſpringt alſo die Jnverſion von der ſinnlichen Aufmerkſamkeit: ſo muß bei einer noch ganz ſinnlichen Nation ihre Sprache unregelmaͤßig und voll Veraͤnderungen ſeyn: wie die Gegenſtaͤnde ins Auge fallen, ſo ſaget ſie dieſelbe; eine Grammatikaliſche Conſtruction iſt noch nicht eingefuͤhrt. So ſind noch jetzt die Sprachen der Wilden, und alle alte Sprachen, die urſpruͤnglich ſind, und das Gepraͤge der erſten ſinnlichen Lebensart fuͤhren, ſind voll Jnverſionen. Geberden, und Accent kommt zu Huͤlfe, um dies Chaos von Worten verſtaͤndlich zu machen. — Noch immer ſpricht man von den aͤlteſten Sprachen, als waͤren ſie von GOtt, oder einem Philoſophen erfunden, und waͤren aus ſeinem Gehirn mit aller Ruͤſtung geſprungen, wie Pallas aus dem Gehirn des Jupiters. Alles, was wir ſchoͤnes in den aͤlteſten Sprachen finden: iſt erſt ſpaͤter in ſie gekommen, nur wir kennen die erſten unfoͤrmlichen Zeiten nicht; daher ſcheinen ſie uns gleich im Anfange im Glanz. Nehmet das ſinnreichſte Spiel, wo ein Euler durch die Berechnung der Faͤlle der Wahrſcheinlichkeit die weiſeſte Anordnung entdeckt; iſt es im Anfange ſo geweſen — nichts als eine Zuſammenhaͤufung ungefaͤhrer Wuͤrfe; eine Folge von Verſuchen, bis Verſuche endlich Kunſt in daſſelbe brachten —
So bald gewiſſe Dinge mit beſtimmten Worten fortgepflanzt wurden; wie dies durch die erſten Lieder geſchahe; ſo fieng ſich dieſes unordentliche Chaos an zu ſenken; man ſuchte die Ordnung der Worte aus, die dem Lernenden am faßlichſten waren; das Sylbenmaas muſte ſie einpaſſen, und ſo ward ſie zwar kein Geſez, keine Regel, aber ein Muſter, ein Praͤjudicat: und man weiß, daß alle Voͤlker nach bloßen Gebraͤuchen leben, ehe ſie Geſezze haben. Die Gebraͤuche werden zu Gewohnheiten,