Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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Man muſte alſo einer gewiſſen Ordnung folgen, um dem Leſenden verſtaͤndlich zu werden; indeſſen war dieſe noch ſehr frei, wie die urſpruͤnglichen aͤlteſten Griechiſchen und Roͤmiſchen Dichter bezeugen, denen keine neuere Sprache ihre Veraͤndrungen nachmachen kann.

      Man beſtimmte die Ordnung der Worte ſo lange, bis man endlich den Proſaiſchen Perioden herausdrechſelte, der der Ordnung der Jdeen, ſo wie ſie ſich der Verſtand bildet, folgte, und doch auch das Ohr und das Auge zu Rathe zog. Und er ward alſo in ſeiner Struktur eine Anordnung von Bildern, ſo wie ſie ſich dem Auge darſtellen wuͤrden, von Jdeen, wie ſie ſich der Verſtand denkt, von Toͤnen, wie ſie das Ohr fodert, daß es mit Wohlluſt erfuͤllet werde. Der bloße Verſtand, der nichts mit Auge und Oho zu thun hat, folgt blos der Ordnung der Jdeen, und hat alſo keine Jnverſionen; ſo iſt der Logiſche Periode. Er verwirft jede Veraͤnderung, weil das Einfache das einzige Deutliche iſt, und jede Jnverſion wenigſtens einen moͤglichen Fall macht, daß eine doppelte Beziehung entſpringen kann.

      13.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Sprache hat den Punkt der Behaglichkeit getroffen, die Poeten, Proſaiſten, und Philoſophen ein leichtes Werkzeug iſt; die beiden erſten nutzen von den Jnverſionen: wenn nun ihr Nutzen dem dritten nicht nachtheilig iſt; ſo koͤnnen und muͤſſen ſie bleiben.

      Ja! aber beweiſe, daß ſie ihm nutzen! Der Franzoſe leugnet ſchlechterdings, daß ſie ihm Freiheit und Huͤlfsmittel verſchaffen: und denn beweiſe auch, daß ſie dem Weltweiſen nicht ſchaden: ſonſt muß man einen kleinern Nutzen dem groͤßern aufopfern. Jch will es verſuchen.

      Jch fange vom leichteſten an. Das Ohr will einen Perioden, der es durch ſeinen Wohlklang fuͤllet, der gnug abwechſelt, und nicht zu oft wiederkommet. Kann dies eine Rede ohne Jnverſionen erreichen? Schwerlich! ein Periode ſchließt ſich, wie der andre, wenn er ſeine Meinung geſagt hat; das ſtolze Ohr wird durch einerlei Cadencen gequaͤlt: es empfindet es, die Jnverſionen in der Sprache ſind eben ſo noͤthig, als das Unebenmaaß in der Malerei, und in der Muſik der Mißlaut. Die Franzoͤſiſche Sprache hat ja noch immer viele Jnverſionen — und doch wird ein Griechiſches Ohr in ihrem Poetiſchen und gewoͤhnlichen Proſaiſchen eine große Monotonie bemerken, die oft bei dem leztern d[en] Conſtructionen unſers Canzleiſt[il]s gleicht.

      Aber wie? leidet nicht die Philoſophiſche Sprache der Deutſchen darunter? Was das anbetrift: ſo fuͤhlen wir weit eher Feſſeln in der Dichteriſchen, als Philoſophiſchen Sprache; auch wir fuͤhlen es: „daß wir eine Menge „beſonderer Zwecke gar nicht durch die ordentliche Wortfuͤgung anzeigen koͤnnen; die wir „nur muͤſſen aus dem Zuſammenhange errathen „laſſen.„ Unvollkommenheit unſrer Sprache von der ſinnlichen Seite; aber voll der Seite der Vernunft?„

      „Der Philoſophiſche Geiſt hat ſich bei uns „auf alle Theile der Gelehrſamkeit verbreitet, und giebt unſern ſchoͤnen Schriften „ſelbſt eine gewiſſe Teinture von Ernſt und „Gruͤndlichkeit, die uns eigenthuͤmlich iſt, und „einem Auslaͤnder den Karakter der Nation „zu erkennen geben muß. Hingegen muͤſſen wir „von auswaͤrtigen Leſern aus eben der Urſach der „Dunkelheit beſchuldigt werden, ſo lange ſie „noch mit unſerer Litteratur nicht genug bekannt ſind. Wenn uns Deutſchen die „Schriften eines Paſcal, Fontenelle, Montesquieu und einiger andern Franzoͤſiſchen „Weltweiſen nicht bekannt waͤren; ſo wuͤrden wir uns in die neuern Schriften dieſer „Nation gleichfalls nicht zu finden wiſſen. „Und wie viel mehr muß dieſes den Auslaͤndern „in Anſehung unſrer Litteratur wiederfahren, „da bei uns die Philoſophie eine merkliche „Gewalt uͤber die Sprache gewonnen, und wir zur Verbeſſerung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, ſo zu ſagen, den Weg uͤber die „Metaphyſik genommen haben.„

      Jn dieſen Geſichtspunkten hat unſre Sprache vor der Franzoͤſiſchen voraus, und ſollte es alſo Gelehrten noͤthig geſchienen haben, dieſe Freiheiten aufzuopfern: „ſeit dem ſie „Philoſophie und Franzoͤſiſche Sprache ſtudirt „haͤtten.„* Philoſophie und