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Aber auch gefälschte oder fingierte Kostenbelege, das Fehlen von sonst üblichen Belegen, wie Rechnungen, eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Eigenbelegen, unzureichende freie Entnahmen, nicht schlüssig begründete Vermögenszuwächse, verschwiegenes Auslandsvermögen, insbesondere in sog. Steueroasen, Gewinnverlagerungen ins Ausland, Scheingeschäfte sowie der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten und die Möglichkeit von Schmiergeldzahlungen (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG) können das Tor zu einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren sein. Der Betriebsprüfer wird bei der Feststellung der genannten Sachverhalte regelmäßig die laufende BP unterbrechen und die Entscheidung, ob ein Steuerstrafverfahren einzuleiten ist, dem zuständigen FAFuSt bzw. der Steufa überlassen. Zur Einleitungsbefugnis vgl. die Ausführungen unter Rn. 87 f.
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Besteht lediglich die Möglichkeit, dass auf Grund der Prüfungsfeststellungen ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt werden muss, soll der Steuerpflichtige darauf hingewiesen werden, . . .. Dieser sog. strafrechtliche Vorbehalt wird gem. § 201 Abs. 2 AO im Rahmen der Schlussbesprechung ausgesprochen (Nr. 131 Abs. 2 AStBV). Er ist äußerst umstritten und besagt, dass die BuStra in einem gesonderten Verfahren prüfen wird, ob ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Mit Blick auf das Verwertungsverbot, welches greift, wenn der Steuerpflichtige bei erkennbarem Anfangsverdacht nicht unverzüglich von dem Verdacht in Kenntnis gesetzt und belehrt, aber weiterhin zur Mitwirkung z.B. durch Vorlage von Unterlagen oder Äußerungen veranlasst wird (§§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 StPO, Nr. 149 AStBV), können vom strafrechtlichen Vorbehalt nur solche Fälle betroffen sein, bei denen strafrechtliche Anhaltspunkte erst im Rahmen der Schlussbesprechung auftreten (vgl. Nr. 131 Abs. 3 Nr. 3 AStBV). In Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung wird daher zu Recht um angemessene Zurückhaltung geworben. Ist dieser strafrechtliche Vorbehalt im Rahmen der Schlussbesprechung ausgesprochen worden, wird der Betriebsprüfungsbericht der BuStra zur Entscheidung über die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zugeleitet.
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Kontrollmaterial kann auch von anderen Stellen und Behörden dem zuständigen Finanzamt zugeleitet werden. Die Polizei sowie die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) teilen auffällige und für die Besteuerung bedeutsame Sachverhalte im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben mit (§ 6 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SchwarzArbG), vgl. hierzu auch 22. Kap. Rn. 13 ff. Diese Mitteilungen werden erfahrungsgemäß im Rahmen einer Betriebsprüfung, nicht selten mit der Folge einer Einleitung eines Steuerstrafverfahrens, überprüft.
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Ebenso wird von der Task-Force, einem Sonderreferat der Abteilung Steuer bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die sich u.a. mit der Erschließung neuer bisher noch nicht entdeckter Besteuerungs- bzw. Prüffelder beschäftigt, Kontrollmaterial generiert. Die von der Task Force nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO ermittelten Fallkonstellationen, z.B. auffällige Verkäufer bei ebay, werden den zuständigen Stellen der Finanzämter als qualifiziertes Kontrollmaterial zur Auswertung bspw. im Rahmen einer Außenprüfung zur Verfügung gestellt. Die Task-Force soll dazu beitragen, die Flexibilität der Steuerverwaltung im Hinblick auf neue Lebenssachverhalte und technische bzw. wirtschaftliche Weiterentwicklungen mit steuerlichen Auswirkungen zu erhöhen.[2]Aber auch Fallmeldungen und Prüfungsersuchen von sog. Sondereinheiten Steueraufsicht, wie sie in Rheinland-Pfalz und Sachsen geschaffen wurden, können Grundlage für ein Steuerstrafverfahren sein.
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Eine wichtige, aber in der Praxis oftmals wenig beachtete Vorschrift, die Gerichten und Behörden von Bund und Ländern sowie kommunalen Trägern öffentlicher Verwaltung aufgibt, Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, dem Bundeszentralamt für Steuern oder der zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen, ist § 116 Abs. 1 AO (Anzeige von Steuerstraftaten). Diese Vorschrift beinhaltet eine Mitteilungspflicht. Sie obliegt neben den Gemeindebehörden, den Ausländerbehörden, den Trägern der Sozialversicherung, den Zivil-, Finanz-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichten auch den Strafverfolgungsbehörden.[3] Die Norm verlangt lediglich die Möglichkeit einer Steuerstraftat. Ein Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO wird nicht vorausgesetzt. Nach der Vorschrift des § 116 AO „haben“ die vorbenannten Stellen Tatsachen. . .,die auf eine Steuerstraftat schließen lassen . . . mitzuteilen. In der Praxis übersenden die Gerichte, z.B. in Familiensachen, die Akte mit dem formlosen Hinweis auf die entsprechende Tatsache unter Bezugnahme auf die Seite der Akte, die Vorschrift des 116 AO und der Bitte um entsprechende Veranlassung sowie anschließende Rücksendung der Akte. Auch eine formlose Mitteilung unter Beifügung einer Ablichtung des aussagekräftigen Dokumentes oder Schriftsatzes würde den Anforderungen der Mitteilung nach § 116 AO genügen. Das Bundesministerium der Finanzen hat zu der Mitteilungspflicht nach § 116 AO und weiteren Mitteilungspflichten wie z.B. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG (Zuwendungen von Vorteilen) ein Merkblatt herausgegeben, das im Internet heruntergeladen werden kann.[4] Weitere Informationen und Vordrucke für Mitteilungen können auf der Seite des Bundeszentralamtes für Steuern (www.bzst.de) abgerufen werden.
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Ein Anfangsverdacht eines Steuerdeliktes i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO kann auch aufgrund mündlicher oder schriftlicher Anzeigen von Dritten bei der Polizei, der StA oder den Amtsgerichten begründet werden. Werden Strafanzeigen bei der Polizei oder StA erstattet, so werden diese zunächst an das zuständige FAFuSt mit der Bitte um Prüfung eines Anfangsverdachtes in eigener Zuständigkeit weitergeleitet. Denn nur bei der FinB können weitere Tatsachen wie die Steuer- und/oder Erklärungspflicht, die Abgabefristen, das Abgabeverhalten des Steuerpflichtigen und die Steuererklärungsdaten mit dem angezeigten Sachverhalt abgeglichen werden (vgl. hierzu Rn. 87). Überwiegend werden Anzeigen wegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung anonym erstattet. Erfahrungsgemäß werden sie von Personen erstattet, die dem geschäftlichen oder persönlichen Umfeld des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind. Je substantiierter und konkreter die Angaben des Anzeigeerstatters sind, desto wahrscheinlicher ist die Aufnahme von Ermittlungen. Der namentlich bekannte Anzeigeerstatter ist eher selten. Er genießt aber grundsätzlich ebenso wie der von ihm angezeigte oder beschuldigte Steuerpflichtige den Schutz des Steuergeheimnisses nach § 30 AO.[5] Wird aufgrund einer Strafanzeige gegen einen Steuerpflichtigen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, soll bereits bei Anlage der Ermittlungsakte darauf geachtet werden, dass die Daten zur Person des Anzeigeerstatters nicht ersichtlich sind. In diesen Fällen werden die persönlichen Daten in die Handakte genommen. Dieser Schutz ist aber erfahrungsgemäß nicht von Dauer. Zum einen hat der Steuerpflichtige einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Namensnennung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens entschieden wird (§ 5 AO).[6] Zum anderen kommt es nicht selten vor, dass der Anzeigeerstatter bei erfolgreichen Ermittlungen schließlich als Zeuge vor Gericht aussagen muss. Anders als bei angezeigten Nichtsteuerstraftaten erhält der Anzeigeerstatter im Falle einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens keinen Einstellungsbescheid, weil § 171 StPO eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 und 2 AO nicht zulässt (vgl. Nr. 80 Abs. 3 AStBV).
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Ebenso