Meyer-Goßner/Schmitt § 153 Rn. 3.
Kohlmann/Peters § 398 Rn. 29; Franzen/Gast/Joecks § 398 Rn. 17.
Franzen/Gast/Joecks § 398 Rn. 22.
Kohlmann/Peters § 398 Rn. 40.
Franzen/Gast/Joecks § 398 Rn. 35.
4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VII. Besonderheiten bei Steuerstrafverfahren › 6. Vermögensabschöpfung in Steuerstrafverfahren
6. Vermögensabschöpfung in Steuerstrafverfahren
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In Steuerstrafverfahren können die zuständigen Besteuerungsfinanzämter oder Hauptzollämter gem. § 324 AO einen dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Steuerpflichtigen zur Sicherung des Steueranspruchs anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Da die Finanzbehörden mit dieser Vorschrift eine eigene Möglichkeit haben, Vermögenswerte vorläufig zu sichern, war nach der bisherigen nicht einheitlichen Rspr. fraglich, ob in steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein ausreichendes Sicherungsbedürfnis gegeben ist, um einen dinglichen Arrest nach §§ 111b, 111d StPO a.F. begründen zu können. So vertrat das OLG Oldenburg, dass das Absehen von der Möglichkeit eines dinglichen Arrestes nach § 324 AO auf ein stark eingeschränktes Sicherungsbedürfnis schließen lässt, wenn der FinB dieselben Informationen zur Verfügung standen wie den Strafverfolgungsbehörden.[1] Danach musste in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein strafprozessualer dinglicher Arrest in Betracht kommt. Mit der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts ist diese Problematik geklärt. Die Vorschrift des § 111e Abs. 6 StPO n.F. stellt nunmehr klar, dass die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 AO einer Anordnung nach Abs. 1 nicht entgegensteht.[2] Durch die Neuregelung in § 111e Abs. 1 StPO n.F. und ersatzlose Aufhebung des § 111d Abs. 2 StPO a.F. ist der Verweis auf § 917 ZPO (Arrestgrund bei dinglichem Arrest) entfallen, womit jedoch das bisherige Erfordernis eines „Arrestgrundes“ und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht tangiert werden sollen.[3] Danach ist der Arrest weiterhin zulässig, wenn dies zur Sicherung der Vollstreckung der Einziehung erforderlich ist.[4]Mit der Regelung des § 111h Abs. 2 S. 2 StPO n.F. hat der Gesetzgeber der Finanzverwaltung über die eigenständige Möglichkeit eines AO-Arrests ein Absonderungsrecht im Insolvenzfall an die Hand gegeben.[5] Das Absonderungsrecht nach § 111h Abs. 2 S. 2 StPO n.F. ist eine Ausnahmeregelung für den Fiskus, da dieser bei Steuerstraftaten individueller Verletzter i.S.d. § 111i StPO ist.[6] In der überwiegenden Anzahl der Steuerstrafverfahren gibt es mit dem Finanzamt einen Verletzten.[7] Insoweit ist jedoch zu beachten, dass in Steuerstrafverfahren, welche auch die Gewerbesteuer zum Gegenstand haben, zwei Verletzte vorhanden sind, da die Gewerbesteuer von den Städten und Gemeinden erhoben werden (ausführlicher vgl. 15. Kap.).
Anmerkungen
OLG Oldenburg wistra 2008, 119.
OLG Stuttgart NJW 2017, 3731; Reh NZWiSt 2018, 20, 21.
OLG Stuttgart jurisPR-StrafR 25/2017.
OLG Stuttgart a.a.O.; ausführlicher Rettke wistra 2017, 417, 419.
BT-Drucks. 18/9525, 79.
BT-Drucks. 18/11640, 86.
Madauß NZWiSt 2018, 28, 32.
4. Kapitel Verfahren bei Steuerdelikten › VIII. Ursprung und Anfangsverdacht eines Steuerdelikts
VIII. Ursprung und Anfangsverdacht eines Steuerdelikts
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In der Praxis ist die Feststellung von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für ein Steuerdelikt im Rahmen einer Außenprüfung (AP) nach §§ 193 ff. AO durch den Betriebsprüfer nicht selten. Die AP kann sowohl durch die Veranlagungsstelle des Besteuerungsfinanzamtes aufgrund einer turnusmäßigen Meldung an die Betriebsprüfungsstelle als auch aufgrund von Unstimmigkeiten bei der Veranlagung sowie des Vorliegens von Kontrollmaterial initiiert werden. Kontrollmaterial entsteht auf unterschiedliche Weise. Im Rahmen einer laufenden Außen- bzw. Betriebsprüfung (BP) ist der Prüfer nach § 194 Abs. 3 AO (vgl. § 9 BpO 2000) ermächtigt, die Auswertung von Feststellungen hinsichtlich Verhältnisse „anderer“ zu veranlassen, soweit dies für die Besteuerung dieser anderen Personen von Bedeutung ist oder die Feststellungen eine unerlaubte Hilfeleistung in Steuersachen betreffen. D.h. der Betriebsprüfer hält auffällige oder ungewöhnliche Aufwendungen, die bspw. bar getätigt wurden, sowie den Empfänger solcher Aufwendungen, in einer Mitteilung für das zuständige Veranlagungsfinanzamt fest. Diese Feststellungen leitet er dem zuständigen Finanzamt zwecks Prüfung zu. Diese Vorgehensweise ermöglicht dem zuständigen Veranlagungsfinanzamt entweder bei der Veranlagung oder im Rahmen einer weiteren AP/BP eine konkrete Überprüfung, ob und in welcher Höhe der Empfänger die Einnahmen versteuert hat. Aber auch im Rahmen der allgemeinen Veranlagungsarbeiten werden Kontrollmitteilungen gefertigt und an den zuständigen Veranlagungsbezirk des anderen Steuerpflichtigen übersandt. Dieses Vorgehen wird im Interesse der Steuergerechtigkeit als üblich und zulässig angesehen, obwohl es nicht explizit von § 194 Abs. 3 AO erfasst wird.[1]
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Der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung kann im Laufe der AP/BP z.B. aufgrund der Feststellung begründet sein, dass nach einer vorliegenden Kontrollmitteilung bar bezahlte Werkleistungen beim Auftragnehmer nicht als Einnahme im Kassenbuch eingetragen und verbucht wurden. Aber auch nicht gebuchte Betriebsausgaben, lassen bei einer gewissen Größenordnung den Schluss zu, dass Schwarzeinnahmen getätigt wurden (sog. Doppelverkürzung).
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Steuerstrafrechtliche Relevanz können auch steuerliche Mehrergebnisse erlangen, die sich aufgrund einer Kalkulation (innerer Betriebsvergleich) oder einer anderen Schätzungsmethode (äußerer Betriebsvergleich, Geldverkehrsrechnung, Vermögenszuwachsrechnung) ergeben. Allerdings wird man erst bei erheblichen Kalkulationsdifferenzen und ggf. weiteren Umständen, wie z.B. Schwarzeinkäufen oder erheblichen