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In der Mannesmann/Vodafone-Entscheidung machte das Landgericht Düsseldorf 2004 Ausführungen zu der Verantwortlichkeit eines sich enthaltenden Organmitglieds.[15] Hierbei könne es dahinstehen, ob eine Enthaltung grds. als kausal für das Zustandekommen eines Beschlusses angesehen werden könne, denn jedenfalls im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, da das Gremium ohne eine Teilnahme des betreffenden Organmitglieds an der Beschlussfassung nicht beschlussfähig gewesen wäre und sich das enthaltende Mitglied zudem nicht gegen den Inhalt der Entscheidung habe stellen wollen. Nach Ansicht des BGH entsprach die Enthaltung des Arbeitnehmervertreters objektiv wie auch subjektiv im Ergebnis einer „Ja-Stimme“, die mit Rücksicht auf seine Stellung als Arbeitnehmervertreter lediglich nach außen hin nicht erkennbar sein sollte.[16]
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Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass derjenige, der an einer Gremienentscheidung teilnimmt und einem Beschluss mit strafrechtlich relevantem Inhalt zustimmt, hierfür strafrechtlich infolge der mittäterschaftlichen Zurechnung der Beschlussfassung verantwortlich ist. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob für die Entscheidung mehr Stimmen abgegeben wurden, als dies gesellschaftsrechtlich erforderlich gewesen wäre.
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Ein überstimmtes Mitglied kann hingegen wegen seiner bloßen Abstimmungsmitwirkung mangels Schaffung eines unerlaubten Risikos nicht durch individualisierendes Zuschreiben einer Kollektivverantwortung des Gesamtgremiums für Folgen des rechtswidrigen Beschlusses verantwortlich gemacht werden.[17] Voraussetzung ist, dass der Betroffene in der Gremiensitzung seine Stimme gegen den Beschluss erhoben hat und hierbei alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen Beschluss mit den strafrechtlichen Folgen zu verhindern.[18] Bei der Beurteilung der Stimmenthaltung begründet diese zunächst keinen Tatbeitrag im Sinne eines positiven Tuns. In Betracht kommt hingegen ein garantenpflichtwidriges Unterlassen, da das sich der Stimme enthaltende Mitglied seine Pflicht, im Rahmen des Beschlussverfahrens alles Mögliche und Zumutbare zur Verhinderung des strafrechtlichen Erfolges getan zu haben, verletzt.[19]
c) Schadensbestimmung
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Maßgeblich sowohl bei der Frage, ob überhaupt ein strafbares Verhalten vorliegt,[20] als auch bei der Frage, in welchem Umfang eine Schädigung eingetreten ist, ist die Schadensbestimmung.[21] Diese ist häufig umstritten und Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die zentralen Punkte sollen nachfolgend kurz beleuchtet werden.
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Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass der Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB (Untreue) dem Schaden des § 263 StGB (Betrug) entspricht.[22] In diesem Zusammenhang ergaben sich in der Vergangenheit erhebliche Unstimmigkeiten über die Ermittlung des jeweiligen Vermögensschadens. Unter anderem wurde die Einhaltung des verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 2 GG verorteten Bestimmtheitsgebots in Zweifel gezogen. Dem ist das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 10.3.2009[23] und vom 23.6.2010[24] nur sehr eingeschränkt gefolgt. Selbst die sog. schadensgleiche Vermögensgefährdung wurde als Rechtsfigur aufrechterhalten.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH. . . ergibt [grds.] ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist.[25] Eine solche Nachteilsermittlung beinhaltet also, dass zunächst – auf einer geldwerten Bemessungsgrundlage – Vor- und Nachteile einer Handlung gegenübergestellt werden und sich hieraus eine Inkongruenz ergeben muss.[26]
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Durch das Bundesverfassungsgericht wurden die Anforderungen an den Nachweis des Nachteils konkretisiert. Formulierungen wie die aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr“ oder das Handeln nach Art eines Spielers sind als Begründung für das Merkmal des Vermögensnachteils nunmehr unzureichend. Vielmehr bedarf es einer konkreten Ermittlung des Vermögensschadens. Der Vermögensnachteil muss dem Grunde und der Höhe nach in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise konkret anhand anerkannter Berechnungsmethoden festgestellt werden. Zur Ermittlung des Mindestwerts bedarf es erforderlichenfalls der Hinzuziehung eines Sachverständigen.[27]
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Die Annahme eines Vermögensnachteils scheidet auch dann aus, wenn der Vermögensverlust unmittelbar durch die treuwidrige Handlung kompensiert wurde.[28] Dies ist der Fall, wenn Nachteile, die durch die Untreuehandlung eingetreten sind, durch erlangte Vorteile gleichfalls wieder ausgeglichen werden. Der Vermögenszuwachs muss hierbei eine wirtschaftlich vollwertige Kompensation darstellen.[29] Davon ist auszugehen, wenn der Geschäftsherr im Rahmen eines treuwidrigen Austauschvertrags für sein Vermögensopfer eine gleichwertige Gegenleistung erhält, oder er infolge der treuwidrigen Erfüllung einer Schuld – unabhängig von der Durchsetzbarkeit der Forderung – von einer Verbindlichkeit befreit wird, oder wenn ohne einen rechtlich begründeten Anspruch künftige Vorteile dergestalt zu erwarten sind, dass mit Wahrscheinlichkeit ein Vermögenszuwachs eintreten wird.[30]
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Die schadensgleiche Vermögensgefährdung[31] stellt einen vollendeten Schadenseintritt dar, in Form der konkreten Gefährdung des Gesamtvermögenswerts. Nach wirtschaftlicher Betrachtung liegt danach zwischen Gefährdung und Schaden nur ein quantitativer Unterschied und die Entstehung des endgültigen Schadens stellt einen prozesshaften und sukzessiven Vorgang dar.[32] Ein Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts so groß ist, dass dies schon gegenwärtig eine objektive Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat.[33]
Anmerkungen
Tiedemann § 4 Rn. 241a.
Momsen/Grützner/Rotsch Wirtschaftsstrafrecht, 2013, 1. Kap. B. Rn. 58.
Momsen/Grützner/Rotsch Wirtschaftsstrafrecht, 2013, 1. Kap. B. Rn. 59.
Wabnitz/Janovsky/Dannecker/Bülte 1. Kap. Rn. 42 f.
Fischer § 14 Rn. 18.
Matt/Renzikowski § 266 Rn. 111 ff.
Grundlegend hierzu: MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 288 ff.
BGHSt 37, 106 ff., 129 m. Anm. Schmidt-Salzer NJW 1990, 2966.
BGHSt 37, 106, 107.
Matt/Renzikowski § 266 Rn. 111 unter Hinweis auf BGHSt 37, 106,