3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › III. Beteiligte öffentliche Institutionen
III. Beteiligte öffentliche Institutionen
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Gem. § 161 StPO verfügt die Staatanwaltschaft über das Recht, von sämtlichen öffentlichen Behörden Auskünfte zu verlangen und durch sie Ermittlungen jeder Art vornehmen zu lassen. Diese sog. Rechts- und Amtshilfe spielt in Wirtschaftsstrafverfahren infolge der Vielzahl von Schnittstellen mit öffentlichen Behörden regelmäßig eine erhebliche Rolle. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von öffentlichen Behörden eigenständig zu Ermittlungen und der Ahndung von Delinquenzen befugt. Bei den nachfolgend aufgeführten Behörden handelt es sich um eine Auswahl häufig an Wirtschaftsstrafverfahren beteiligter Behörden.
3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › III. Beteiligte öffentliche Institutionen › 1. (Schwerpunkt-)Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsreferent
1. (Schwerpunkt-)Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsreferent
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Die Staatsanwaltschaft stellt ein von den Gerichten unabhängiges und ihnen gleichgestelltes Organ der Rechtspflege dar. Sie ist die „Herrin des Ermittlungsverfahrens“. Der Aufbau der Staatsanwaltschaft ist in den §§ 141 ff. GVG normiert. Um den Besonderheiten der Wirtschaftskriminalität in Umfang und Komplexität (s.o.) gerecht werden zu können, wurde die Strafverfolgung unter Berücksichtigung der in den §§ 74c Abs. 3, 143 Abs. 1 GVG vorgesehenen Konzentrationsmöglichkeit teilweise auf einzelne Staatsanwaltschaften, sog. Schwerpunktstaatsanwaltschaften verlagert.[1] Diese gibt es in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Hier werden regelmäßig Schwerpunktabteilungen gebildet, die das Sonderwissen aus entsprechenden Verfahren komprimieren sollen.[2] Andererseits kann der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht auch den örtlichen Staatsanwalt nach § 145 Abs. 1 GVG mit der Sache betrauen.
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Dem nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 GVG zuständigen Staatsanwalt kann zur Unterstützung ein Wirtschaftsreferent zugeteilt werden. Hierbei handelt es sich in der Regel um Betriebs- oder Volkswirte oder auch Bilanzbuchhalter, beziehungsweise Personen, die Praxiserfahrungen auf dem jeweiligen Sektor vorweisen können.[3] Die Kooperation zwischen Staatsanwalt und Wirtschaftsreferent darf jedoch nicht dazu führen, dass der Wirtschaftsreferent das Verfahren führt. Darüber hinaus ist der Wirtschaftsreferent nicht befugt, dem zuständigen Landgericht gegenüber Prozesserklärungen abzugeben oder Anträge zu stellen. Er kann jedoch mit der Durchführung einer Vernehmung betraut werden, wobei die vom Vernommenen unterzeichnete Niederschrift dann einer von ihm bei schriftlicher Vernehmung abgegebenen Äußerung gleichsteht. Ferner kann der Wirtschaftsreferent auch für solche Untersuchungshandlungen auf Weisung der Staatsanwaltschaft eingesetzt werden, für die keine besondere Zuständigkeit besteht.[4]
Anmerkungen
HK-StPO/Schmidt/Temming § 143 GVG Rn. 8 ff.
Müller-Gugenberger/Bieneck/Niemeyer § 11 Rn. 4.
Volk/Grunst § 1 Rn. 90.
Meyer-Goßner/Schmitt § 142 GVG, Rn. 7.
3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › III. Beteiligte öffentliche Institutionen › 2. Steuerbehörden
2. Steuerbehörden
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Im Falle des Verdachts einer Steuerstraftat ermittelt gem. § 386 Abs. 1 S. 1 AO die Finanzbehörde. Hierzu gehören nach § 386 Abs. 1 S. 2 AO das Hauptzollamt, das Finanzamt, das Bundeszentralamt für Steuern und in den hier vernachlässigbaren Kindergeldsachen die Familienkasse.
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Nach § 386 Abs. 2 AO darf die Ermittlung jedoch nur dann selbstständig ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, wenn die Tat einerseits ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt oder andererseits zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen.[1] Im Falle des Zusammentreffens einer Steuerstraftat und eines Allgemeindelikts verliert die Finanzbehörde nach § 386 Abs. 2 Nr. 1 AO ihre selbstständige Ermittlungskompetenz und die Staatsanwaltschaft ist für sämtliche Ermittlungen zuständig.[2] Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Ermittlungen, soweit diese Steuerstraftaten betreffen, weiterhin von den Finanzbehörden im Auftrag und in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft geführt werden.
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Sachlich zuständig ist nach § 387 AO diejenige Finanzbehörde, welche die betroffene Steuer verwaltet („Veranlagungsfinanzamt“). Für die Verwaltung von Besitz- und Verkehrssteuern sind bspw. die Finanzämter sachlich zuständig. Für die Verwaltung der Zölle und der bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern die Hauptzollämter. Darüber hinaus haben der Bund sowie sämtliche Bundesländer von der in § 387 Abs. 2 AO vorgesehenen Konzentrationsermächtigung Gebrauch gemacht.[3]
a) Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)
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Das BZSt mit Sitz in Bonn nimmt Aufgaben gem. § 5 Finanzverwaltungsgesetz wahr. Dabei ist es in drei Abteilungen untergliedert. Die Abteilung Steuern I übernimmt Aufgaben mit Bezug zur Umsatzsteuer. Hierzu gehört auch die Amtshilfe in Umsatzsteuerangelegenheiten. Die Abteilungen II und III befassen sich zum einen mit nationalen Steuerthemen wie der Vergütung und Freistellung von Kapitalertragssteuern und zum anderen mit Aufgaben, die die Abzugssteuer betreffen. Bei Letzterer sind die Rechtshilfe und die Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) angesiedelt. Mittlerweile handelt es sich bei der IZA um eine der wichtigsten Auskunftstellen bei der Bearbeitung von Wirtschafts-, Zoll- und Steuerstraftaten, die unter der Mitwirkung ausländischer Firmen oder Personen verübt worden sind.[4]
b) Finanzämter
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Die Finanzbehörden nehmen die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft gem. §§ 399 Abs. 1, 386 Abs. 2 AO wahr, solange sie das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren selbstständig durchführen. Dies schließt die Möglichkeit ein, bei hinreichendem Tatverdacht beim zuständigen Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu stellen.[5]
c) Exkurs: Informationszentrale für den Steuerfahndungsdienst