3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten
Inhaltsverzeichnis
II. Betroffene von Wirtschaftsstrafverfahren
III. Beteiligte öffentliche Institutionen
IV. Besonderheiten in Wirtschaftsstrafverfahren
Literatur:
Dahs Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015; Götz Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zivilverfahren, 2014; Huff Notwendige Öffentlichkeitsarbeit der Justiz, NJW 2004, 403; Feigen Untreue durch Kreditvergabe, FS Rudolphi, 2004, S. 445; Matt/Renzikowski StGB, 2013; Müller/Schlothauer (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014; Rettenmaier/Palm Das Ordnungswidrigkeitenrecht und die Aufsichtspflicht von Unternehmensverantwortlichen, NJOZ 2010, 1414; Schmidt-Salzer Strafrechtliche Produktverantwortung – Das Lederspray-Urteil des BGH, NJW 1990, 2966.
3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › I. Wirtschaftsstrafverfahren
I. Wirtschaftsstrafverfahren
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Verfahren in Wirtschaftsstrafsachen richten sich grds. nach den allgemeinen Regeln der Strafprozessordnung („StPO“). Sonderregelungen, die ein davon abweichendes Verfahren vorsehen, existieren nicht. Die Unterschiede zu Strafverfahren, die keinen (direkten) wirtschaftlichen Bezug aufweisen, ergeben sich folglich nicht aus den verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen, sondern aus dem Gegenstand, dem Umfang, den professionell Beteiligten[1] und der mit Wirtschaftsstrafverfahren häufig verbundenen Öffentlichkeit.[2]
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Materiell-rechtlich sind Wirtschaftsstrafverfahren insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die im Streit stehenden Straftatbestände häufig nicht auf das „Kernstrafrecht“ begrenzt sind, sondern sich aus Nebengesetzen[3] ergeben, wobei es sich regelmäßig um Blankettnormen handelt, die durch die Regelungen anderer Rechtsgebiete ausgefüllt werden.[4] Auf der Ebene der einzelnen Tatbestandsmerkmale sind insbesondere unbestimmte und/oder auslegungsbedürftige – und daher dem Wandel unterliegende – Rechtsbegriffe[5] Spiegel der sich stetig ändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten.
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Die wachsende Bedeutung des Wirtschaftsstrafrechts und die dort häufig, wenn nicht sogar im Regelfall stattfindende Verzahnung mehrerer Rechtsgebiete spiegelt sich in der kaum noch überschaubaren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen wider. Von der strafrechtlichen Produkthaftung,[6] der Beihilfe von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung von Kunden[7] über die Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen[8] bis hin zur Untreue im Konzern,[9] der Verantwortlichkeit bei Kreditentscheidungen[10] oder der Zahlung von Prämien an Vorstände[11] variieren die Fragen, mit denen sich die Rechtsprechung u.a. auch in jüngster Zeit zu beschäftigen hatte.
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Bereits hieraus wird deutlich, dass Wirtschaftsstrafverfahren tatsächlich und rechtlich komplex sind. Dies hat einerseits zur Folge, dass Ermittlungs-, Zwischen-, und Hauptsacheverfahren zumeist überdurchschnittlich lange andauern und – aufgrund der materiell-rechtlichen Verzahnung mehrerer Rechtsgebiete – über die Staatsanwaltschaft als originäre Ermittlungsbehörde in Strafsachen hinaus häufig weitere Behörden in das Verfahren eingebunden sind.
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Sei es, dass diese Behörden „parallel“ eigene berufs-, oder aufsichtsrechtliche Verfahren gegen den oder die Beschuldigten oder etwaige Nebenbeteiligte (bspw. Unternehmen) führen,[12] sei es, weil die fachliche Expertise der Fachbehörde notwendig ist, um Sachverhalte zutreffend rechtlich zu bewerten. All diese Umstände (Gegenstand, Inhalt und Umfang) sind häufig Grund genug, dass die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an solchen Strafverfahren hat. Die damit einhergehende (steigende) Medienpräsenz der Justiz[13] und die teilweise einsetzende Eigendynamik der Berichterstattung[14] tragen dazu bei, dass Wirtschaftsstrafverfahren nahezu immer Gegenstand erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit sind.
Anmerkungen
Vgl. § 74c GVG (Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer).
Nr. 23 RiStBV (Zusammenarbeit mit Presse und Rundfunk); eingehend MAH Strafverteidigung/Lehr 2. Aufl. 2014, § 21.
Bspw. AO, InsO, WpHG, UWG, GWG etc.
Zu nennen sind hier u.a. § 370 Abs. 1 AO („Steuerhinterziehung“), § 399 AktG („Falsche Angaben“).
Bspw. § 331 Abs. 1 StGB („Vorteil“), § 324 Abs. 1 („unbefugt“), § 5 Abs. 1 BImSchG („erhebliche Belästigung“).
BGHSt 41, 206 ff. – Holzschutzmittel-Entscheidung.
BGHSt 46, 107 ff.
BGHSt 37, 106 ff. – Lederspray-Entscheidung.
BGH StV 2004, 425 – Bremer Vulkan, BGH NJW 2006, 453 ff. – Kinowelt.