209
Rule 47 Abs. 4, § 12 PD-I sowie die PD-RfA[226] sehen jedoch vor, dass der Bf. in außergewöhnlichen, hinreichend (schriftlich) begründeten Fällen die Geheimhaltung seiner Identität (vor der Öffentlichkeit) beantragen kann. Dabei sollte der Bf. angeben, ob die Rechtssache unter seinen Initialen oder unter einem Einzelbuchstaben (z.B. X, Y, Z) geführt werden soll. Vor der Regierung des betroffenen Vertragsstaates wird die Identität des Bf. jedoch nicht geheim gehalten. Wird die Beschwerde durch die Kanzlei auch dem Vertragsstaat übermittelt, dessen Staatsangehörigkeit der Bf. besitzt (vgl. Rn. 434), so erfolgt insoweit in der Regel keine Geheimhaltung der Identität des Bf.; dies handhabt der Gerichtshof jedoch abweichend, wenn der Bf. sich gerade gegen eine Abschiebung oder Auslieferung in sein Heimatland wehrt und die Gefahr besteht, dass er auch wegen seines Parteivortrages Verletzungen von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK für den Fall seiner Rückkehr zu erwarten hat;[227] in solchen Fällen empfiehlt sich, frühzeitig zu beantragen, dass der Heimatstaat nicht verständigt wird. In der Regel führt ein Antrag auf Anonymisierung auch dazu, dass Beschwerdeakten vertraulich behandelt werden; auch dies sollte nach Rule 33 Abs. 3 frühzeitig beantragt werden.[228]
210
Anzugeben sind auch:
• | die Vertragspartei(en), gegen die sich die Beschwerde richtet, d.h. der betroffene Staat bzw. die betroffenen Staaten (Rule 47 Abs. 1 lit. d), |
• | eine klare, umfassende – vom Umfang her aber kurze – Darstellung des Sachverhalts (Statement of the Facts), der Gegenstand der Beschwerde ist (Rule 47 Abs. 1 lit. e, § 7 PD-I)[229], |
• | eine kurze Darstellung der behaupteten Verletzungen der Konvention unter Bezugnahme der als verletzt behaupteten Konventionsgarantien (Statement of Alleged Violations)[230], einschließlich einer knappen Begründung (Rule 47 Abs. 1 lit. f). Die Begründungen müssen dabei so detailliert und konkret sein, dass der Gerichtshof die Art und den Gegenstand der Beschwerde bestimmen kann, ohne Einsicht in andere Unterlagen zu nehmen (Rule 47 Abs. 2 lit. a). Ist der vorgegebene Platz des Beschwerdeformulars für diese Ausführungen nicht ausreichend, so kann der Bf. ihn durch ein Schriftstück von höchstens 20 Seiten ergänzen (Rule 47 Abs. 2 lit. b; §§ 5, 7 PD-I). Nicht in den Umfang eingerechnet werden die dazugehörigen Entscheidungen und Unterlagen.[231] Im Formular selbst ist auf die separaten Ergänzungen der Beschwerdeschrift unbedingt hinzuweisen.[232] |
211
Sollen spezielle Aspekte des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK überprüft werden, genügt es nicht, sich allgemein auf Art. 6 EMRK zu berufen:
212
„The Court observes that, although the right to a hearing within a reasonable time is a specific aspect of the right to a fair trial, complaints about the length of the proceedings cannot be considered mere substantiations of complaints about unfair proceedings but rather constitute independent complaints. Accordingly, a complaint about unfair proceedings does not automatically include a complaint about their length. The Court further has held that a citation in full of the relevant parts of Article 6 § 1 of the Convention may exceptionally qualify as an admissible length of proceedings complaint. (…) The Court finds that these submissions do not qualify as a succinct statement of an alleged violation of the applicantʼs right to a hearing within a reasonable time, as required by Rule 47 § 1(e) of the Rules of Court, and that the Court can therefore not examine the length of the proceedings before the domestic courts.“[233]
213
Enthalten muss die Beschwerde außerdem Angaben hinsichtlich
• | der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 35 Abs. 1 EMRK (Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe; Einhaltung der 6-Monats-Frist)[234], vgl. Rule 47 Abs. 1 lit. g, |
• | nicht hingegen hinsichtlich des Ziels der Beschwerde (Statement of the Object of the Application).[235] Sinnvoll sind jedoch Angaben zu den durch die behauptete Konventionsverletzung (bereits) entstandenen Schäden in Hinblick auf einen späteren förmlichen Antrag auf Gewährung einer gerechten Entschädigung (Art. 41 EMRK; Rule 60; vgl. auch die Practice Direction – Just satisfaction claims. |
214
Hinweis
Da die durchschnittliche Dauer eines Verfahrens vor dem EGMR nach wie vor mehrere Jahre beträgt, sollte eine etwaige Dringlichkeit bzw. Brisanz der Beschwerde bereits in diesem frühen Stadium deutlich gemacht werden, verbunden mit der Anregung einer vorrangigen Behandlung (Rule 41), ggf. in Kombination mit dem Antrag auf Erlass einer vorläufigen Maßnahme (Rule 39).
215
Der Beschwerde beigefügt werden muss außerdem
• | eine Mitteilung darüber, ob der Fall bereits einer anderen internationalen Untersuchungs- oder Beschwerdeinstanz vorgelegen hat oder vorliegt (Rule 47 Abs. 3 Nr. 1 lit. c)[236] bzw. ob andere Beschwerden des Bf. (unter Angabe des Az.) vor dem Gerichtshof anhängig sind oder waren (§ 11 PD-I), |
• | eine Aufstellung aller einschlägigen Unterlagen, insbesondere der gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen oder Schriftstücke, die sich auf den Gegenstand der Beschwerde beziehen bzw. vom Gerichtshof als Beweismittel berücksichtigt werden sollen und als Anlage in Kopie beigefügt sind (List of Documents); die Entscheidungen und sonstigen Unterlagen sind nach Datum durchgehend nummeriert aufzuführen und ihrer Art (z.B. Schreiben, Anordnung, Urteil etc. jeweils mit der entscheidenden Behörde bzw. Gericht) und Inhalt nach kurz zu beschreiben (vgl. Rule 47 Abs. 3.2), |
• | Erklärung über die Richtigkeit der Angaben (Declaration), |
• | bei Vertretung durch einen Anwalt ein im Original unterzeichnetes Vollmachtsformular (Rn. 219)[237], |
• | Unterschrift des Bf. bzw. des Verfahrensbevollmächtigten (Signature), Rule 47 Abs. 3 Nr. 1. |
216
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