Person und Religion. Ciril Rütsche. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ciril Rütsche
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783772000256
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die „Achse der Welt“5 dar. Ihr WesenWesen weist verschiedene Merkmale auf, die sie eindeutig von den anderen qualitativen Werten abheben. „Das erste Hauptmerkmal der sittlichen Werte ist, dass sie notwendig eine PersonPerson voraussetzen. Ein apersonales Seiendes könnte niemals Träger sittlicher Werte sein.“6 Träger sittlicher Werte ist die Person durch ihre AntwortenAntworten auf gewisse Güter und ihren Wert.7 Da aber nicht nur sittliche Werte notwendig eine Person voraussetzen, ist ihr Wesen damit noch nicht genügend bestimmt. Es gibt verschiedene Werttypen, die ausschliesslich an Personen gebunden sind, z.B. die intellektuellen Werte. Was sie hingegen eindeutig von allen anderen personalen Werten abhebt, ist die VerantwortlichkeitVerantwortlichkeit. „Wir tadeln einen Menschen, der geizig, unrein oder ungerecht ist, aber wir legen ihm nicht zur Last, dass er etwa unbegabt und unvital ist.“8 Aus der Verantwortlichkeit erhellt, dass sittliche Werte die FreiheitFreiheit voraussetzen.

      Des Weiteren eignet den sittlichen Werten eine Beziehung zum GewissenGewissen. Hierin leuchtet der Ernst der sittlichen WerteWerte besonders auf. Denn: „Nichts kann der DisharmonieDisharmonie verglichen werden, die durch das beunruhigte Gewissen ausgelöst wird.“9 Eng damit verbunden sind die Merkmale der Unerlässlichkeit10 und der „Beziehung zu Lohn und StrafeLohn und Strafe“11. Sie zu besitzen ist schliesslich „ein grösseres GutGutdas für die PersonPerson als irgendwelche andere Werte“12. Aus diesen Merkmalen der sittlichen Werte lässt sich entnehmen, weswegen von HildebrandHildebrandDietrich von sagen kann: „Sie sind die wichtigsten, die zentralsten, in ihnen gipfelt die Herrlichkeit aller Werte.“13

      Nebstdem gibt es gewisse WerteWerte, die von HildebrandHildebrandDietrich von in seiner frühen Phase als intellektuelle bezeichnete. Wenn er später davon abging, dann nicht, weil die frühere Verwendung falsch war, sondern weil sich nach jahrelanger harter Unterscheidungsarbeit abgezeichnet hat, dass der BegriffBegriff „intellektuelle Werte“ einfach zu weit gefasst war, zerfallen sie doch eigentlich in mehrere personale WertfamilienWertfamilien.14 Auf diese Feingliederung braucht hier aber nicht eingegangen zu werden. Die intellektuellen Werte seien allgemein wie folgt umgrenzt: Die intellektuellen Werte sind Werte des Verstandes (des Intellekts) sowie der ErkenntnisErkenntnis und des Denkens (Schliessens, Urteilens, begrifflicher Klarheit im Denken usw.). Als Exemplare dieser Wertfamilie mögen Tüchtigkeit, Witz, scharfer VerstandVerstand, geistige TiefeTiefe und Brillanz genügen, um offenbar werden zu lassen, dass eben nicht nur die sittlichen, sondern auch die intellektuellen Werte notwendig eine PersonPerson voraussetzen.

      Die in der ästhetischen Familie vereinten WerteWerte sodann lassen sich entgegen dem gemeinen Verständnis des Wortes ästhetisch nicht samt und sonders als Unterarten der SchönheitSchönheit fassen. „Solange es sich um lieblich, erhaben, anmutig, sublim, poetisch handelt, ist es klar, dass sie besondere Arten der Schönheit sind.“15 Doch schon das Elegante ist keine typische Unterart des Schönen mehr, während ganz offenbar „Qualitäten wie gut gemacht, gelungen, brillant keine Unterarten der Schönheit“16 sind. Doch auch wenn es ästhetische Werte gibt, die nicht Unterarten der Schönheit sind, so ist es nichtsdestotrotz angemessen, „von der Schönheit als der ‚Königin‘ im Reich des Ästhetischen, als dem höchsten, dem ästhetischen Wert par excellence“17 zu sprechen. Die ästhetischen Werte, im Sinne der Schönheit, scheidet von HildebrandHildebrandDietrich von in die Bereiche der metaphysischen Schönheit und der Schönheit des Sicht- und Hörbaren. Letzteren Bereich unterteilt er wiederum in die Sinnenschönheit – die „Schönheit erster Potenz“ – und die geistige Schönheit – die „Schönheit zweiter Potenz“.18 Als metaphysische Schönheit gilt ihm schliesslich jene „Schönheit ausserhalb des Sichtbaren und Hörbaren […], die an geistigen Gebilden haftet, aber nicht direkt, sondern die eine Ausstrahlung anderer, diesen Gebilden primär zukommender Werte ist“19. Die ausgestrahlte Schönheit haftet also nicht an der PersonPerson als solcher, sondern die Person wird gleichsam transparent für die metaphysische Schönheit der sittlichen Werte.

      Als technische oder Vollkommenheitswerte bezeichnet HildebrandHildebrandDietrich von des Weiteren einen starken WillenWillen, einen scharfen VerstandVerstand oder ein gutes GedächtnisGedächtnis. „Der Wille hat einen hohen ontologischen Wert, der gute Wille trägt einen qualitativen Wert – aber der energische, starke Wille ist Träger eines Vollkommenheitswertes.“20 Die WerteWerte dieser Familie beziehen sich auf das Ausmass der Perfektion eines ontologischen Wertes.

      Von den Werten der drei genannten Familien, den ontologischen, den qualitativen und den Vollkommenheits- oder Perfektionswerten, sind die Gesamtwerte und die metaphysischen oder Sachverhaltswerte zu unterscheiden. Um Gesamtwerte handelt es sich da, wo verschiedene qualitative WerteWerte sich zu einem individuellen Gesamtwert zusammenschliessen.21 In der Familie der metaphysischen oder Sachverhaltswerte sind endlich jene beheimatet, die sich auf die reale ExistenzExistenz werttragender Güter beziehen. Wie ein Akt der GottesliebeGottesliebe „Träger des höchsten sittlichen Wertessittlicher Wert“ ist, so ist der SachverhaltSachverhalt, „dass von einem bestimmten Menschen ein Akt der Gottesliebe vollzogen wird, seinerseits Träger eines Wertes, der sich qualitativ von dem unterscheidet, der an der Gottesliebe selbst haftet. Dieser Sachverhaltswert ist kein sittlicher, sondern ein metaphysischer Wert.“22

      Unbesehen der Anführung und der begrenzten Auseinanderlegung der verschiedenen WertfamilienWertfamilien bleibt zu beachten, dass es mehr Wertqualitäten gibt, „als wir Wertbegriffe haben und erst recht mehr Arten von Werten, als wir Namen dafür haben“23. Nur eine Familie oder Sphäre sei letztlich noch benannt, die für den weiteren Verlauf der Untersuchung von Bedeutung ist: die Sphäre der religiösen Wertereligiöse Werte. „Sie ist nicht nur die höchste Sphäre, sie ist auch die alles umfassende Sphäre.“24 Inwiefern es in der ReligionReligion um in sich Bedeutsames geht, erklärt sich alleine schon von da her, dass die Religion für das lebendige „Verhältnis des Menschen zu GottGott“25 steht, und Gott „der höchste Wert, der Inbegriff aller WerteInbegriff aller Werte“26 ist.27

      3.3 Die WerterkenntnisWerterkenntnis

      An dieser Stelle sind zwei Fragen von vordringlichem Interesse. Erstens: Können die WerteWerte auf der Basis der oben beschriebenen MethodeMethode erkannt werden? Zweitens: Inwiefern sind die Werte, die zwar keinen stringenten GottesbeweisGottesbeweis ermöglichen, dennoch „ein Fingerzeig, ein Hinweis auf GottGott“1?

      Was die erste Frage betrifft, so steht es für von HildebrandHildebrandDietrich von zweifelsfrei fest, dass die WerteWerte mit einer ebensolchen absoluten GewissheitGewissheit erkannt werden können wie die notwendigen Sachverhalte, denn es besteht „eine wesenhafte Verbindung zwischen dem Wert und dem Gegenstand“2. „Wir verstehen: die ReueReue ist sittlich gut, und so muss es sein.“3 Die BedeutsamkeitBedeutsamkeit – in diesem Falle der Reue – kann nie von etwas Neutralem abgeleitet, sondern „einzig in einer originären IntuitionIntuition erfasst werden“4. Und ist er einmal erfasst, „so verstehen wir, dass er wesenhaft im SoseinSosein der Reue gründet“5. Die Relation zwischen einem Seienden und seinem Wert ist „in sich nicht empirisch und kontingentkontingent, sondern vielmehr notwendig und intelligibelintelligibel“6. „Der Wert ist in jedem SinnSinn des Wortes objektiv.“7 Ja, die Werte gehören so sehr zum Seienden, „dass sie geradezu das Mark seines Sinngehaltes bilden“8.

      In seiner Habilitationsschrift SittlichkeitSittlichkeit und ethische WerterkenntnisWerterkenntnis hat von HildebrandHildebrandDietrich von das intuitive Erfassen eines Wertes spezifiziert. Er grenzt die evidente Werterkenntnis – im Sinne eines auf Sachverhalte gerichteten Erkennens – ab von einem zugrunde liegenden intuitiven Werterfassen und hält fest, dass Ersteres ohne Letzteres „nur in sehr beschränktem Masse möglich“9 sei.10 Das intuitive Werterfassen, das eine Werterkenntnis im Sinne eines Sachverhaltserkennens fundiert, scheidet er nochmals in zwei Elemente: in ein WertsehenWertsehen und ein WertfühlenWertfühlen.11 Den Unterschied verdeutlicht er mit folgendem Beispiel:

      Wir hören manchmal eine Melodie und erfassen deutlich ihre SchönheitSchönheit, aber sie greift uns nicht ans Herz, sie „ergreift“ uns nicht. Wir haben ihre Schönheit gegenwärtig, ohne gleichsam persönlich mit ihr in Kontakt zu treten. […] Die Schönheit derselben steht deutlich vor uns, so dass sich die ErkenntnisErkenntnis, sie ist schön, klar darauf aufbauen kann. Aber sie berührt uns nicht im eigentlichen