3 GottGott als Inbegriff aller WerteWerte
Die ExistenzExistenz Gottes kann „auf Grund der GottesbeweiseGottesbeweise mit absoluter GewissheitGewissheit eingesehen werden“1. Wenn von HildebrandHildebrandDietrich von beim Dasein Gottes von Beweisen spricht, wovon spricht er dann beim SoseinSosein? Kann das Sosein Gottes mit einer ebensolchen Gewissheit eingesehen werden wie sein Dasein? Beim Sosein Gottes spricht von HildebrandHildebrandDietrich von nicht von Beweisen, sondern von HinweisenHinweise. Er spricht von einem „Über-sich-Hinausweisen der WerteWerte“2, von einem HinweisenHinweise auf den höchsten Wert, auf den Inbegriff aller WerteInbegriff aller Werte,3 auf GottGott. Im Nachlass findet sich zudem eine Stelle, an der von HildebrandHildebrandDietrich von Gott auch als absoluten Wert bezeichnet.4 Zwar ermöglichen die Werte keinen ebenso stringenten GottesbeweisGottesbeweis wie den auf der KontingenzKontingenz der geschaffenen Dinge fussenden, doch sie sind zumindest ein Ausgangspunkt „für eine Bewegung auf Gott zu, ein Fingerzeig, ein Hinweis auf Gott“5. Gott, wie einer anderen Stelle aus dem erwähnten Nachlass zu entnehmen ist, ist das „absolut vollkommene, die letzte Realität, in der sich alles erfüllt, was an Wert hier erfasst wird“6.
3.1 Das Seiende und der Wert
Doch was sind WerteWerte? Eine allgemeine WertlehreWertlehre entwickelt von HildebrandHildebrandDietrich von im ersten Teil seines Werkes Christliche EthikEthik,1 wo er die Werte als Urgegebenheiten charakterisiert, die nicht auf etwas anderes zurückführt oder von etwas anderem abgeleitet und nur „in einer originären IntuitionIntuition erfasst werden“2 können.3 Bei den Werten stösst man auf ein Letztes, bei dem die Frage nach dem Warum völlig unsinnig ist,4 die zudem nicht geleugnet werden können, ohne stillschweigend wieder eingeführt zu werden.5 Denn wenn immer es in einer Diskussion um „besser“ oder „schlechter“ geht, wäre diese Diskussion sinnlossinnlos, wenn es keine objektiven Werte gäbe. Dann wäre das ErkennenErkennen der WahrheitWahrheit weder besser als der IrrtumIrrtum noch die LiebeLiebe besser als der HassHass. Wenn die ExistenzExistenz der Werte in relativistischer Manier geleugnet wird, wird damit nur die behauptete Nichtexistenz der Werte in den Rang eines Wertes erhoben bzw. der Wert stillschweigend wieder eingeführt. Beim Wert handelt es sich um eine jener grundlegenden TatsachenTatsachen, die man in dem Moment, in dem man sie leugnet, wieder voraussetzt. Was sich weiter oben bei Denkern wie NietzscheNietzscheFriedrich oder SartreSartreJean-Paul zeigte, die den Werten ihren objektiven Rang absprechen, und indem sie sie auf den setzenden WillenWillen der Menschen zurückführten, sie stillschweigend wieder eingeführt haben.
Die WerteWerte „transzendieren den Bereich unseres eigenen Seins, denn sie beziehen sich auf etwas, was seine von uns unabhängige innere NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive hat und die letzte metaphysische Schicht berührt“6. Diese letzte metaphysische Schicht berühren die Werte insofern, als sie den Bereich des Subjektiven, des bloss für mich Wichtigen auf eine WirklichkeitWirklichkeit hin transzendieren, die in sich wichtig und bedeutsam ist.7 Hier gabeln sich gerade auch die Wege in den SinnSinn bzw. in die SinnlosigkeitSinnlosigkeit.
In seinem ethischen Hauptwerk – Christliche EthikEthik – geht es von HildebrandHildebrandDietrich von nicht nur um „den tiefsten und zentralsten Punkt im Drama des menschlichen Lebens“8, es geht ihm nicht nur um die Klärung der sittlichen Sphäre, es geht ihm auch um die „metaphysische Ortsbestimmung der WerteWerte“9. Mit dem BegriffBegriff des Wertes ist eine Realität angesprochen, mit der von HildebrandHildebrandDietrich von sich von seinen ersten bis zu seinen letzten Schriften beschäftigt hat. Die Beziehung, in der die Werte und das Seiende zueinander stehen, „gehört zu den fundamentalsten Problemen der MetaphysikMetaphysik“10. Sie wurzelt in den Begriffen von gut (bonum) und schlecht (malum), welche die Eigenschaft eines Seienden bezeichnen, „die es befähigt, unseren WillenWillen zu motivieren oder eine affektive AntwortAntworttheoretische in uns hervorzurufen“11. Das Besondere dieser motivierenden Kraft nennt er – als Antithese zur Neutralität oder Indifferenz – BedeutsamkeitBedeutsamkeit. In Abhebung von Max Schelers Wertvorstellung,12 differenziert er die Bedeutsamkeit in drei grundsätzlich verschiedene Kategorien. Einerseits grenzt er den Wert ab, dem die Bedeutsamkeit objektiv, in sich und unabhängig von seinem Bezug zu anderen Seienden und damit auch zum Menschen zukommt. Sodann die Bedeutsamkeit des objektiven Gutes für die PersonPerson. Diese Bedeutsamkeit kommt demjenigen zu, was dem Menschen in legitimer Weise nützt oder ihn fördert. Als dritte Bedeutsamkeitskategorie unterscheidet von HildebrandHildebrandDietrich von das bloss subjektiv Befriedigende oder Angenehme bzw. das Unbefriedigende oder Unangenehme, wozu er all das rechnet, was unter dem Aspekt des ichbezogenen Vergnügens, der LustLust, der Befriedigung der Begierden usw. erstrebt wird.13
In dem Zusammenhang der BedeutsamkeitBedeutsamkeit bzw. des Guten weist er die traditionelle Auffassung zurück, das GuteGutedas und das Seiende seien identische Begriffe (bonum et ens convertuntur14).15 „Wenn wir wissen, dass es wirklich existiert, wissen wir damit noch nicht notwendig, ob es ein GutGutdas oder ein ÜbelÜbel ist.“16 Wohl gibt es einen allgemeinen Wert des Etwas-Seins, der dem Seienden als solchem eigen ist. Doch handelt es sich dabei nur um den Gegensatz zum Nichtseienden, noch vor jedem Bezug auf die spezifische Artung seines Wesens und So-Seins. Auch wenn jedes Seiende einen wenngleich nur formalen Wert besitzt, geht es nach von HildebrandHildebrandDietrich von trotzdem an, bestimmte Seiende als neutral oder indifferent zu bezeichnen. „Solange ein Seiendes keinen qualitativen und keinen ontischen Wert hat (oder doch nur einen so geringen, dass er gleichsam eine quantité négligeable bleibt), ist es wirklich in einem gewissen SinnSinn neutral.“17 Obzwar es also einen formalen Wert gibt, der dem Seienden als solchem eignet, muss dieser nichtsdestotrotz von den qualitativen und den ontischen Werten abgegrenzt werden. Denn bei ihnen geht es nicht mehr nur um ein inhaltsloses Etwas-Sein, sondern um ein inhaltlich gefülltes So-Sein. Es geht nicht um den formalen Gegensatz zum Nichtsein, sondern um die in einem bestimmten Seienden ruhende Bedeutsamkeit. Es geht um Seiende, bei denen das In-sich-selbst-bedeutsam-Sein „geradezu das Mark des SinngehaltesMark des Sinngehaltes“18 bildet. Wenn damit auch „ein ganz zentrales Wesensmerkmal des Wertes“ getroffen ist, so ist es dennoch „nicht alles, was das WesenWesen des Wertes ausmacht“.19 Das lässt sich an der folgenden Gliederung in verschiedene WertfamilienWertfamilien ermessen.
3.2 Die WertfamilienWertfamilien
Während der ontische Wert1 – wie ihn etwa eine Pflanze oder ein Tier besitzen – dem Seienden immanent ist, „ist zur Verwirklichung qualitativer WerteWerte unsere Mitarbeit erforderlich“2. Der Unterschied zwischen den ontischen und den qualitativen Werten lässt sich auch am komplexen WesenWesen der menschlichen PersonPerson verdeutlichen. Während der ontische Wert der menschlichen Person „diesem Seienden als solchem eigen“ ist und er ihn besitzt, sobald er existiert, können die sittlichen Werte beispielsweise „in einer Person oder in einem Willensakt verkörpert oder nicht verkörpert sein“.3 Die ontischen Werte unterscheiden sich von den qualitativen Werten vor allem dadurch, dass ihnen kein antithetischer Unwertantithetischer Unwert gegenübersteht, sie also keinen konträren, sondern nur einen kontradiktorischen Gegensatzkontradiktorischer Gegensatz haben. Die qualitativen Werte besitzen dagegen einen konträren Gegensatzkonträrer Gegensatz, so steht z.B. dem Wert der LiebeLiebe der konträre UnwertUnwert des Hasses gegenüber. Überdies gibt es innerhalb eines spezifisch ontologischen Wertes – wiederum im Unterschied zu den qualitativen Werten – keinerlei Abstufungen, kein Mehr-oder-Weniger.
Bei den qualitativen Werten handelt es sich nicht um einen einzelnen WerttypWerttyp, sondern um einen ganzen aus verschiedenen WertfamilienWertfamilien bestehenden WertbereichWertbereich. Die qualitativen WerteWerte unterteilen sich in sittliche, intellektuelle und ästhetische Wertfamilien. „Diese einzelnen Wertfamilien sind in erster Linie durch die NaturNatur ihres Themas voneinander abgegrenzt. Sie alle sind echte, qualitative Werte, aber sie unterscheiden sich durch ihr Thema, durch ihre qualitative