Distinktion durch Sprache?. Martina Zimmermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Zimmermann
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300342
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in den meisten Fällen in Prozentwerten ausgedrückt. An einzelnen Stellen – dort, wo für die Lesenden eine solche Angabe wichtig ist – sind die absoluten Werte genannt. Es muss vorausgeschickt werden, dass in der Schweiz im Vergleich mit den Nachbarländern die gymnasiale Maturitätsquote tief ist6. Diese hat sich jedoch in der Schweiz von 1980 bis 2013 verdoppelt. 1980 lag sie auf den Jahrgang bezogen bei 10,6 %. 2013 legte jede/r 5. junge Erwachsene eine gymnasiale Maturaprüfung ab (Stand 2013, BFS). Dabei unterscheidet sich die Situation in den Kantonen stark; so findet man im Kanton Glarus eine Quote von gut 10 % vor, während im Tessin und in Basel Stadt ca. 30 % der Jugendlichen die Maturareife erlangen (BFS, 2013). Diese Differenzen beruhen einerseits auf

      traditionellen Bildungsmodellen, wonach in den Kantonen der Westschweiz eher der akademische Bildungsweg favorisiert wurde, während in der Deutschschweiz die Berufsbildung einen sehr hohen Stellenwert innehatte. Andererseits sind die weniger dicht besiedelten Kantone, z.B. [diejenigen] der Innerschweiz, eher von populations- bzw. migrationsbedingten Schwankungen betroffen, was die gymnasiale Maturitätsquote in diesen Kantonen von Jahr zu Jahr stark schwanken lässt. (BFS, 20137)8

      Französischsprachige Kantone

      Im Folgenden soll erst beschrieben werden, wo Studierende, die vor ihrer Matura in einem mehrheitlich französischsprachigen Kanton wohnhaft waren, ihre tertiäre Ausbildung absolvieren. Als französischsprachige Kantone wurden Genf, Waadt, Neuenburg und Jura klassifiziert, was der vom Bundesamt für Statistik vorgenommenen Einteilung entspricht. Es ist erneut darauf hinzuweisen, dass dies der Realität nicht gerecht wird und auf die vom BFS erfassten Daten zurückzuführen ist. Hat jemand seinen Wohnort in einem offiziell französischsprachigen Kanton, ist er nicht zwingend französischsprachig.

      Die vom BFS zur Verfügung gestellten Übersichten zeigen, dass die Mobilität der Studierenden der vier französischsprachigen Kantone im betrachteten Zeitraum (1980–2013) leicht zugenommen hat. Eine genauere Betrachtung ergibt, dass diese Zunahme vorwiegend innerhalb der Sprachregion, aber über die Kantonsgrenzen hinaus zu verzeichnen ist. So absolvierten 77.18 % der WaadtländerInnen1 1980 ihr Studium im Kanton, entweder an der kantonalen Universität (63.93 %) oder an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL2) (13.25 %) in Lausanne. 2013 sind es zusammen noch 71.82 %; der Anteil Studierender an der Universität Lausanne liegt noch bei 54,27 % und steigt an der EPFL auf 17.55 %. Für die Universität Neuenburg hatten sich 1980 60.2 % der NeuenburgerInnen entschieden. Bis 2013 sank diese Zahl auf 46.18 %. 1980 absolvierten 88.88 % der GenferInnen ihr Studium an der lokalen Universität Genf, 2013 sind es noch 72.64 %. Im Jura ist die Situation insofern anders, als es keine kantonale Universität gibt und junge Erwachsene im Hinblick auf eine Ausbildung auf der Tertiärstufe immer schon gezwungen waren, ihren Heimatkanton zu verlassen. 1980 studierten 24.34 % der JurassierInnen in Genf, 28.5 % in Lausanne (21.27 % an der Universität, 6.8 % an der EPFL), 22.81 % in Neuchâtel und 6.14 % an der zweisprachigen Universität Freiburg. Somit verliessen 81.8 % der JurassierInnen den Kanton, ohne unbedingt die Sprachgrenze zu überschreiten. 2013 sind es 88.63 %, die sich für eine französischsprachige bzw. zweisprachige (inkl. Fribourg) Universität entscheiden. Dennoch scheint es, als wanderten verhältnismässig viele jurassische Studierende über Sprachgrenzen hinweg. So fanden sich 1980 an der Berner Universität 8.77 %, an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich 6.58 % und an der Basler Universität 2.63 % der JurassierInnen. Vermutlich spielte da der 1980 vergleichbar hohe Anteil Deutschsprachiger (rund 10 %) eine Rolle. Andere Faktoren wie die Geschichte des Kantons Jura3 und dessen Nachbarschaft zu (auch anderssprachigen) Kantonen waren aber vermutlich ebenso relevant. 2013 sind jurassische Studierende im Vergleich zu anderen französischsprachigen Studierenden nach wie vor gut an deutschsprachigen Universitäten vertreten. Ihre Zahl ist aber gesunken (von 18.64 % auf 10.06 %).

      Während die junge Universität Luzern auf das Mobilitätsverhalten der jurassischen Studierenden bisher wenig Einfluss hat – es wird sich zeigen, ob sich dies mit der dort geplanten wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Zukunft ändert – hat die Università della Svizzera Italiana einen kleinen Studierendenstamm, der aus der französischsprachigen Schweiz ins Tessin wandert (2013 waren 54 Studierende aus den vier Kantonen an der USI immatrikuliert4).

      Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mobilität der Studierenden aus den erwähnten Kantonen gestiegen ist, allerdings ist ihr Zuwachs eher über Kantonsgrenzen und nicht über Sprachgrenzen hinweg zu verzeichnen.

      Deutschsprachige Kantone

      In der Deutschschweiz ist die Situation ähnlich. 17 Kantone gelten offiziell als deutschsprachig. Beispielhaft werden die Zahlen einiger Kantone kommentiert, um ein Bild des Mobilitätsverhaltens derjenigen MaturandInnen zu erlangen, die vor ihrem Studienbeginn in einem dieser 17 Kantone ihren Wohnsitz hatten.

      Die Studierenden aus dem Kanton Basel-Stadt – einem Universitätskanton – sind im Vergleich zu 1980 mobiler geworden. Es wählen gut 10 % weniger Studierende den Maturitätskanton als Studienort (BFS, 2013). Ihre Mobilität nimmt innerhalb der Deutschschweiz zu, d.h. es studieren mehr BaslerInnen an den Universitäten Zürich, Bern, St. Gallen und an der ETHZ. Auch an der Universität Luzern und an der USI sind seit deren Gründung einige Studierende aus Basel-Stadt immatrikuliert1. An den französischsprachigen Universitäten ist der Anteil leicht gesunken. So waren 1980 in Genf 1.74 % der BaslerInnen immatrikuliert, 2013 sind es noch 0.56 %. Ähnlich ist die Situation in Neuchâtel. In Lausanne (EPFL und Universität) bleiben die Zahlen in den drei Jahrzehnten stabil.

      Im Kanton Zürich haben die lokalen MaturandInnen die Wahl zwischen der ETHZ und der Universität Zürich. Seit 1980 hat ihre Mobilität ebenfalls zugenommen, und wie auch in Basel-Stadt zeichnet sich diese Zunahme vor allem an deutschsprachigen Hochschulen ab. Waren 1980 über 92 % an einer der Hochschulen in Zürich immatrikuliert, beläuft sich ihr Anteil 2013 noch auf gut 80 %. In SG, BE, BS nimmt ihr Anteil dafür zu. In den französischsprachigen Regionen sind im betrachteten Zeitraum kaum Veränderungen feststellbar.

      Im Kanton Thurgau, wo die Studierenden aufgrund des fehlenden Hochschulangebots seit jeher zur Mobilität gezwungen waren, hat sich die Situation in den letzten drei Jahrzehnten kaum verändert. Die Mehrheit der Studierenden wählt eine deutschsprachige Universität (1980 94 %, 2013 93 %), rund 2 % studiert an einer französischsprachigen Hochschule und rund 4 % an der Universität Freiburg. Einzig neu ist, dass 2013 rund 1 % der Studierenden andere tertiäre Universitäten ausserhalb der Landesgrenzen gewählt hat2.

      Die Neugründung der Universität Luzern beeinflusst v.a. das Mobilitätsverhalten der Innerschweizer Studierenden. So absolvieren Studierende aus Luzern (14.67 %), Nidwalden (14.35 %), Uri (13.62 %), Obwalden (10.31 %) und Zug (9.7 %) ihr Studium an der jüngsten Universität der Schweiz. Die Università della Svizzera Italiana wird nur von einzelnen Studierenden aus der Deutschschweiz besucht (2013 sind es vier an der Zahl).

      Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Studierende aus deutschsprachigen Kantonen ihr Mobilitätsverhalten zum Teil innerhalb der Sprachregion zwar verändern (z.B. wegen des tertiären Angebots in Luzern), intra-nationale Sprachgrenzen aber in diesem Zeitraum nicht zunehmend überqueren. Gesamthaft nimmt die Mobilität aus der Deutschschweiz über Sprachgrenzen hinweg sogar etwas ab.

      Zweisprachige Kantone

      Das Mobilitätsverhalten der Studierenden in den drei zweisprachigen Kantonen Bern (Deutsch 85.1 %, Französisch 10.6 %, Italienisch 2.9 %, Englisch 3.0 %), Wallis (Deutsch 26.5 %, Französisch 67.4 %, Italienisch 3.8 %) und Freiburg (Deutsch 28.8 %, Französisch 68.5 %, Italienisch 2.5 %) muss einzeln betrachtet werden. Von diesen Kantonen verfügen nicht alle über eine tertiäre Institution.

      1980 studierten 86.44 % der Studierenden aus dem Kanton Bern an einer deutschsprachigen Universität; 2013 sind es noch 79.12 %. Der Anteil der BernerInnen, die ein Studium an einer französischsprachigen Universität absolvieren, ändert sich wenig. Hingegen sind 2013 10.19 % der Berner Studierenden in Freiburg immatrikuliert, 1980 waren es 3.62 %. Nach Luzern geht rund 1 % der BernerInnen.

      Auch die FreiburgerInnen werden gesamthaft in den drei Jahrzehnten etwas mobiler. Waren 1980 64.45 % an der kantonalen Universität