Distinktion durch Sprache?. Martina Zimmermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Zimmermann
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300342
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auf die deutschsprachigen und französischsprachigen Universitäten.

      Im Wallis, einem Kanton ohne eigene Hochschule, hat sich punkto Mobilität über Sprachgrenzen hinweg wenig verändert1. So wählten z.B. 1980 51.63 % eine Universität in der französischsprachigen Schweiz, 2013 sind es 50.57 %. Rund 30 % entscheiden sich für eine deutschsprachige Universität, und rund 20 % sind an der zweisprachigen Universität Freiburg immatrikuliert.

      Dreisprachiger Kanton Graubünden

      Im dreisprachigen Kanton Graubünden (Deutsch 74.6 %, Italienisch 12 %, Rätoromanisch 15.2 %1) bleibt das Mobilitätsverhalten seit 1980 stabil. Es studierten und studieren jährlich rund 90 % an einer Hochschule in der Deutschschweiz. In Luzern nimmt der Anteil Studierender aus Graubünden seit der Universitätsgründung zu, 2013 beträgt er 3.24 %. Die Quote der BündnerInnen an der zweisprachigen Universität Freiburg geht etwas zurück (im Jahr 2000 betrug sie 9.68 %, 2013 5.49 %). Der Anteil bündnerischer Studierender an französischsprachigen Hochschulen hat sich seit 1980 kaum verändert (2–4 %). Seit der Universitätsgründung im Tessin studieren jährlich einige junge Erwachsene aus dem Kanton Graubünden an der dortigen Universität (rund 1 %).

      Italienischsprachiger Kanton Tessin

      Im Besonderen widmet sich die Arbeit Studierenden wie der eingangs erwähnten Stefania, also Studierenden aus der italienischsprachigen Region, die des Studiums wegen in die Deutschschweiz migrieren. Deshalb wird im Folgenden das Tessin etwas genauer beschrieben.

      Table 1 zeigt, an welcher Universität sich prozentual wie viele Studierende einschreiben, die vor Studienbeginn im Kanton Tessin wohnhaft waren und dort ihre Matura machten. Die Auswahl der dargestellten Jahrgänge hängt mit der Veränderung der Hochschullandschaft zusammen. In der letzten Zeile wird die gesamte Anzahl Studierender aufgeführt, welche sich an einer Schweizer Hochschule immatrikuliert haben und vor Studienbeginn im Tessin wohnhaft gewesen waren. Dazu zählen StudienbeginnerInnen wie auch Studierende, die beispielsweise ihr Masterstudium absolvieren. Das aufgeführte Total enthält aber nicht alle Studierenden aus dem Tessin; so sind beispielsweise Studierende an Fachhochschulen oder an einer Pädagogischen Hochschule nicht eingeschlossen.

      1980 lag die Tessiner Maturitätsquote bei 17.0 %. Während rund 52 % der TessinerInnen an einer Universität in der Deutschschweiz1 eingeschrieben waren, betrug ihr Anteil in der Westschweiz 40 %. An der zweisprachigen Universität Fribourg – an der Sprachgrenze situiert – studierten zu jener Zeit 9 % der TISU. 1980 waren sämtliche (2235) TISUs gezwungen, den Kanton der universitären Ausbildung wegen zu verlassen. Es war aber damals im Tessin bereits möglich, an einer Fachhochschule oder Pädagogischen Hochschule zu studieren.

      16 Jahre später, also 1996, nach der Gründung der Università della Svizzera Italiana, hatten jene Tessiner MaturandInnen, welche an einer Schweizer Hochschule zu studieren wünschten, die Möglichkeit, in ihrem Kanton zu bleiben. 4.72 % nahmen diese Chance wahr. 44.96 % hielten sich ihres Studiums wegen in der Deutschschweiz auf, während 29.47 % an einer französischsprachigen Universität und 20.84 % an der zweisprachigen Universität Freiburg immatrikuliert waren.

      Im Jahr 2000 studierten 15.24 % der TISU an der halbprivaten Universität im Tessin, d.h. gut drei Mal so viel wie im Gründungsjahr. Die Gründung der Universität Luzern hatte vorerst keinen Einfluss auf das Tessiner Mobilitätsverhalten – die Zahlen unterschieden sich kaum von denen in vorausgehenden Jahren, als die theologische Ausbildung in Luzern bereits möglich war. 37.48 % absolvierten ihr Studium in der Deutschschweiz, 31.69 % in der Westschweiz und rund 15 % der TISU waren in Freiburg vorzufinden.

      2005 sah die Verteilung sehr ähnlich aus. 35.41 % der TISU waren an Deutschschweizer Universitäten immatrikuliert – davon 0.47 % der TISU an der fünf Jahre zuvor gegründeten Universität Luzern – während 30 % an Westschweizer Universitäten ihr Studium absolvierten. An der zweisprachigen Universität Fribourg hielten sich 16 % der TISU auf, und 18.48 % blieben im italienischsprachigen Tessin.

      Abgesehen von der gymnasialen Maturitätsquote, die 2013 im Tessin bei 28.9 % liegt und somit dem Schweizer Spitzenwert entspricht (wenig tiefer liegen die Quoten in Basel Stadt und Genf), unterscheidet sich die Verteilung auch in diesem Jahr kaum von den Verteilungen der vorausgehenden Jahre. 2013 steigt der Anteil TISU in der Deutschschweiz auf 38.9 %, während er in der Westschweiz auf 27.89 % sinkt. An der Universität Freiburg studieren 17.63 % der TISU, und an der italienischsprachigen Universität scheint sich die Zahl der einheimischen Studierenden bei 15.25 % einigermassen eingependelt zu haben. Bemerkenswert mag sein, dass 2.78 % der TISU in Luzern vorzufinden sind, was seit dem Gründungsjahr 2000 ein verhältnismässig rascher Anstieg der Tessiner Studierendenpopulation darstellt.

      Abschliessend sei festgehalten, dass im beschriebenen Zeitraum die TISU ein unstetigeres Mobilitätsverhalten aufweisen als Studierende anderer Herkunftskantone. Wer tertiäre Bildung geniessen wollte, musste das Tessin bis vor zwanzig Jahren verlassen. Ein universitäres Studium auf Italienisch war innerhalb der Schweiz nicht möglich. Das Angebot der USI ab deren Gründung 1996 stoppt die Mobilität einiger TessinerInnen, was sich auf den Anteil TISU in der Deutsch- und Westschweiz auswirkt. Allerdings kehrt ein Anteil von über 80 % der TISU dem Tessin nach wie vor den Rücken. Diese Beständigkeit des Mobilitätsverhaltens könnte auf das beschränkte Studienangebot der USI2 zurückgeführt werden. Allerdings entscheiden sich TessinerInnen auch dafür, ein im Tessin angebotenes Fach in einer anderen Sprachregion der Schweiz zu studieren und somit für die Mobilität. Mit der Möglichkeit einer italienischsprachigen Hochschulbildung wird nicht nur die Mobilität der TISU in einen neuen Blickwinkel gerückt, auch das Verhalten einiger Universitäten ausserhalb des Tessins verändert sich, wie später aufgezeigt werden soll (Kapitel 4).

      Table 1: Studierende aus dem Tessin und ihre intranationale Mobilität

      Zusammenfassung

      StudienbeginnerInnen in der Schweiz entscheiden sich vorwiegend für universitäre Institutionen innerhalb der Landesgrenzen1. Auch zeigt sich, dass die damit verbundene Mobilität über die Kantonsgrenze hinaus bei den Studie­renden, die im französisch- bzw. im deutschsprachigen Teil der Schweiz ihre Matura erlangen, im betrachteten Zeitraum gestiegen, jedoch nicht mit einem Wechsel in eine Region verbunden ist, in der eine andere Landessprache dominiert. Auch in den zwei- oder dreisprachigen Kantonen hat sich die Situation nicht stark verändert. Keine der neuen Universitäten (LU oder USI) spielen hier eine dominante Rolle. Im italienischsprachigen Tessin sieht die Situation anders aus. Während vor 1996 sämtliche Studierende die Region verlassen mussten, entscheiden sich 2013 rund 15 % der lokalen MaturandInnen für ein Studium im Kanton. Vergleicht man diesen Anteil mit den einschlägigen Anteilen der Studierenden aus anderen Universitätskantonen, so fällt auf, dass der Mobilitätsanteil trotz universitärem Bildungsangebot hoch ist. Die TessinerInnen bevorzugen ein ausserkantonales Studium. Mit dieser Entscheidung ist immer auch ein Wechsel der Umgebungssprache verbunden2. Die TessinerInnen setzen sich während ihres Studiums entweder mit Französisch, mit Deutsch oder mit beiden Sprachen auseinander. Wie bereits angekündigt, wird in dieser Arbeit ihre studentische Wanderung in die Deutschschweiz fokussiert.

      2.2 Theoretisch-methodischer Rahmen

      Diese Arbeit ist nicht die erste, die sich der aktuellen studentischen Mobilität widmet. In den folgenden Abschnitten wird dargelegt, mit welchen Aspekten sich vorausgehende Untersuchungen auseinandersetzten. Im Anschluss an diesen Überblick wird aufgezeigt, welche Forschungslücken bestehen und wie dieses Projekt das Fehlende berücksichtigen will. Weiter wird deutlich gemacht, wie sich diese Arbeit positioniert und welche Forschungsfragen sie mithilfe von welchen Daten und Methoden beantworten will. Schliesslich werden drei theoretische Konzepte eingeführt, die diesem Vorhaben dienlich sind.

      2.2.1 Forschungsstand, -lücken und mögliche Ergänzungen

      Akademische Mobilität hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Forschungsthema