FAZIT UND PERSPEKTIVEN
Jugend macht Politik. Sie macht sie, wenn sie sich aktiv einmischt. Sie macht sie aber auch, wenn sie Politik Politik sein lässt und dort den Dingen ihren Lauf lässt. »Man kann nicht nicht kommunizieren« – so heißt ein berühmt gewordenes Axiom des bekannten Kommunikationswissenschaftlers und Psychotherapeuten Paul Watzlawick (vgl. z. B. Watzlawick 2016). In analoger Weise ließe sich formulieren: »Man kann nicht nicht politisch sein.« Politisch zustande gekommene Regelungen öffentlicher Belange betreffen jede*n. Manche davon selber mitbewirkt zu haben oder gegen sie lautstark und demonstrativ aufzubegehren, ist nicht politisch relevanter, als sie zu akzeptieren und sich mit ihnen abzufinden. Letzteres allerdings führt auf Dauer in Machtlosigkeit: Wer nichts macht, nutzt seine Macht nicht; jene Macht, die potenziell darin liegt, sich im oben erwähnten Sinne Hannah Arendts »mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln«.
Wenn wir politische Entscheidungen demokratisch treffen wollen, ist breite politische Beteiligung vonnöten, also ein Politikmachen und Macht nutzen im Sinne Hannah Arendts. Daher sind für den Bestand und die Weiterentwicklung von Demokratie Antworten auf die Frage unabdingbar, wie Mitsprache, Mitentscheidung und Mitwirkung für alle, insbesondere aber für die nachwachsenden Generationen, befördert werden können – auch gerade bei jenen, die von Politik Abstand halten und Demokratie mit Teilnahmslosigkeit oder Misstrauen begegnen. Dafür müssen Lebensgestaltungsoptionen weiter geöffnet werden, damit diese dann auch in Demokratiegestaltung münden können. Erweiterte Möglichkeiten dazu, weitgehend selbst über die persönlichen Lebensbedingungen verfügen und die dafür zu treffenden Entscheidungen mit anderen Menschen diskursiv abstimmen zu können, befördern demokratische Mitwirkung. Der neueste Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung unterbreitet dazu eine Reihe von Vorschlägen für unterschiedliche gesellschaftliche Sphären und im Schwerpunkt für bedeutsame Bildungsbereiche, in denen sich junge Leute bewegen (vgl. Bundesministerium 2020). Wer sich nicht durch den über 600 Seiten starken Berichtsband quälen will, findet auch im vorliegenden Buch einige Hinweise. Hier kommen sie nicht von titelgeschmückten und mit institutionellen Weihen versehenen Expert*innen, sondern von jungen Leuten selbst. Sie erzählen ihre eigene Geschichte, wie sie Politik für sich entdeckt haben. Die Vielfältigkeit, in der sie dies getan haben und weiterhin tun, zeigt auf, dass Politik(machen) beim Nachrichten gucken oder beim Wählen und Gewähltwerden weder anfängt noch aufhört.
1 Lorena (17) in diesem Band.
LITERATUR
Arendt, Hannah: Macht und Gewalt. 14. Auflage. Piper, München 2000.
Besand, Anja/Overwien, Bernd/Zorn, Peter (Hrsg.): Politische Bildung mit Gefühl. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2019.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: 16. Kinder- und Jugendbericht. Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter. Bundestagsdrucksache 19/24200. Berlin 2020. Online: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/16-kinder-und-jugendbericht-162238 [12.11.2020].
Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1977.
Holzkamp-Osterkamp, Ute: Psychologische Motivationsforschung, Bd. 1 und 2. Campus, Frankfurt a. M. 1975, 1976.
Möller, Kurt u. a.: »Die kann ich nicht ab!« Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt bei Jugendlichen in der (Post-)Migrationsgesellschaft. VS, Wiesbaden 2016.
Möller, Kurt/Neuscheler, Florian: Abschlussbericht zur Evaluation der Beratungsstelle Hessen – Religiöse Toleranz statt Extremismus. Esslingen 2018. Online: https://violence-prevention-network.de/wp-content/uploads/2019/02/Abschlussbericht-Evaluation-Beratungsstelle-Hessen.pdf [12.11.2020].
Moscovici, Serge: »Notes towards a description of social representation”, in: European Journal of Social Psychology 3, 1988, 211–250.
Shell Deutschland Holding (Hrsg.): Jugend 2019. Eine Generation meldet sich zu Wort. Beltz, Weinheim und Basel 2019.
Watzlawick, Paul: Man kann nicht nicht kommunizieren. Das Lesebuch. Zusammengestellt von Trude Trunk. 2., unveränd. Aufl. Hogrefe, Göttingen 2016.
Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft – Grundriss der verstehenden Soziologie. Herausgegeben von Johannes Winkelmann. 5. Aufl. (Erstaufl. 1922). Mohr, Tübingen 1985.
Foto: Carmen Maurer
#bunt, laut und kreativ
»›Kapitalismus ist scheiße‹ ist ein bisschen stumpf«
Carl (22), Ruben (22)
Student für Erneuerbare Energien und Student der VWL, Mitglieder der Punkband Xylospongium
Könnt ihr ein bisschen was über eure Band erzählen?
Carl: Im Prinzip kennen wir uns, also der Großteil von uns, aus der Schulzeit. Zwei von uns waren in einer Klasse, der Bassist und ich. Ruben war eine Stufe über uns. Wir haben uns auf ’ner geilen Klassenfahrt nach Paris kennengelernt. Wir haben noch ’nen Sänger gesucht, und dann hab ich an den Ruben denken müssen, weil wir öfter mal zusammen in ’ner Kneipe waren. Ich hab ihn dann einfach gefragt, ob er Bock hat, mit uns mal zu singen. Ruben hatte vorher keinerlei musikalische Ambitionen. [lacht] Aber die haben wir ihm dann eingeimpft. Dann haben wir angefangen zu spielen, relativ früh auch mit eigenem Material, und uns von Anfang an nicht auf Coversongs beschränkt. Klar, für ’nen Kneipengig brauchts natürlich ein paar Gassenhauer, aber wir haben eigentlich gleich von Anfang an eigenes Zeug gemacht. So hat sich das bis heut stetig entwickelt, und wir haben in der letzten Zeit total viele coole Konzerte spielen dürfen. Ende 2017 haben wir Paul, meinen Bruder, mit ins Boot geholt, weil unser erster Schlagzeuger es zeitlich nicht mehr geschafft hat. Wir haben uns gut entwickelt als Band. Wir haben schon diverse Sachen abgeklappert, wofür andere Bands deutlich länger brauchen. Wir haben coole Festivals, Slots und so gewonnen. Anfang 2019 haben wir unser erstes Album aufgenommen. Es hätte keiner gedacht, dass wir in vier Tagen elf Songs aufnehmen können, aber es hat geklappt. Wir haben dann zwar für das Produzieren von dem Album ungefähr ein ganzes Jahr gebraucht, aber im November sind wir damit fertig geworden, haben ein kleines Indie-Label aus Hamburg, Sportklub Rotter Damm heißen die, gefunden und vor ein paar Tagen ’ne Single rausgehauen. Anfang Mai kommt dann das Album raus. Das war eine schwere Geburt, aber ich bin zufrieden. Es ist nix, wofür man sich schämen muss. Ich find, es klingt gut.
Euer Bandname ist ziemlich außergewöhnlich – Xylospongium. Was steckt hinter diesem Namen?
Carl: [lacht] Das war meine Idee. Hab mir gedacht: Na, für ’ne Punkband wäre doch eigentlich Klobürste ganz witzig. Das war mir aber ’n bisschen zu einfältig, irgendwie subordinär, mit Pippi-Kacka-Witzen und so, das ist dann doch nicht unser Niveau. Deshalb hab ich schlicht gegoogelt, obs ’n geileres Wort für ’ne Klobürste gibt. Ich bin dann auf den römischen Vorläufer der Klobürste, das Xylospongium, gestoßen. Mit dem haben die Römer allerdings nicht die Schüssel, sondern sich den Hintern geputzt. Also eigentlich ist es eher der geschichtliche Vorläufer des Toilettenpapiers, aber es sieht aus wie ’ne Klobürste: Es ist ein Stock mit einem Schwamm dran. Und dann haben wir einfach gedacht: Okay, fuck it, wir nehmen jetzt einfach das als Bandnamen! Dass ich bei der Geburt der Idee auf dem Klo saß, erklärt sich wahrscheinlich