Carl: Als Gymnasiastenband braucht man schon was Intellektuelles. Und der Bandname ist super googelbar. Wenn du den eingibst, landest du nur bei uns und auf dem Wikipedia-Ticket vom Xylospongium.
Ein gutgelaunter Fan hat eure Musik mal als »Sophisticated Punk« bezeichnet. Wie seht ihr das?
Ruben: Das stimmt. Wir haben 2016 ein Konzert im Merlin in Stuttgart gespielt. Danach kam ein Typ zu mir, der war schon Ü40, wenns reicht. Der hatte schon gut einen drin und hat uns voll gefeiert: »Mensch, gibts noch junge Leute, die so ’ne Mucke machen?« usw. Also der war schon sehr, sehr gut gelaunt. Und da unterhält man sich auch gerne mit solchen netten Menschen, ein bisschen Fanmanagement machen und so. Und dann meinte der halt: »Was ihr macht, das ist sophisticated Punk.« Das hat der einfach so gesagt. Und ich muss ganz ehrlich sagen, ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, was das Wort »sophisticated« bedeutet. Aber wir haben das quasi postwendend als unsere Genrebezeichnung übernommen, weil wir das cool fanden. Ich hab dann mal nachgeschaut, was das bedeutet. Ich mein, der Typ hatte vollkommen recht. [lachen] »Raffiniert«, »mit doppeltem Boden«, »nachgedacht« und einfach: »Da steckt mehr dahinter, als man im ersten Moment glauben könnte«, und so ist es halt. Carl hat sich früher immer gewehrt zu sagen: Wir machen Punk. Weil gerade, was die Gitarrenkünste angeht, besteht echter Punk aus zwei Akkorden, wenn es hochkommt. Und das machen wir ja nicht. Wir machen handwerklich schon gute Musik. Und es ist nicht nur irgendwie »Bullenschweine« und »auf die Fresse« und so. Obwohl man dem Ganzen schon auch seinen Charme abgewinnen kann.
Weil du gerade so typische Wortfetzen aus Punk-Texten zitierst: Wie wichtig ist euch der Inhalt eurer Texte?
Ruben: Schon wichtig. Carl und ich schreiben ja die Texte. Die haben schon ’nen hohen Stellenwert für uns. Es ist nicht so, dass wir die Texte als Musikfüller schreiben. Bei mir ist es so: Ich hab irgendwas, was mich beschäftigt. Das kann alles Mögliche sein: irgendwas aus meinem Privatleben, aber auch irgendwas Gesellschaftliches, Zeitgeschichtliches, was mich bewegt. Meistens gehts damit los, dass ich irgend ’ne Punchline hab oder irgendeine Zeile, die in meinem Kopf vorkommt, und dann schreib ich darum ’nen Text. Damit will ich was aussagen, und ich will auch, dass möglichst viele Leute hören, was ich da schreibe, ich möchte meine Meinung, die ich dort vertrete, verbreiten.
Carl: … und er wills als Medium benutzen, um seine Botschaften nach außen zu tragen, zu präsentieren. Was für mich auf jeden Fall ’ne elegante Möglichkeit ist, weil ich kann mir nicht unbedingt vorstellen, auf einem politischen Parteitag eine Brandrede zu halten. Für mich ist tatsächlich die Musik ein gutes Mittel, auch auf humorvolle Art und Weise politische, soziale Themen zu behandeln. Wir definieren uns nicht als politische Band. Wir haben auch nicht ausschließlich politische Songs, aber wir verarbeiten die Themen, die uns wichtig sind. Und das sind dann zwangsläufig auch politische Themen, in einem Großteil der Songs auf jeden Fall.
Wie wichtig ist euch, dass nicht nur ’ne Message rüberkommt, sondern dass sie auch »kultiviert« rüberkommt? Man könnte, gerade bei Punk, ja auch sagen: Hauptsache Message und Hauptsache laut, oder?
Ruben: Ich find es gar nicht blöd, wenn Leute ihre Message auf einen Punkt bringen und sagen: »Wir müssen hier jetzt nicht viel nachdenken. Kapitalismus ist scheiße.« Ich find so was nicht schlecht, aber es ist ein bisschen stumpf. Man kann es eleganter machen.
Carl: Haben wir aber auch, solche Songs. [lacht] So Plakatzeugs.
Ruben: Ja, aber ich versuch immer, ’ne Geschichte zu erzählen und ’ne Handlung reinzubringen. Wir wollen mehr aussagen, als man vielleicht auf den ersten Blick meinen könnte.
Carl: Wir haben ’nen Song, der heißt: »Versauft doch euer scheiß Geld!« Wenn du den Titel liest, denkst du, das wäre ein Kandidat für ein Zwei-Akkorde-Punkrock-Ding. Aber das ist gar nicht so. Die Kapitalismuskritik, die da angesprochen wird, ist ganz versteckt – außer in dem Titel.
Ein anderer Titel heißt »Gierig währt am längsten«. Um was geht es da?
Carl: Im Prinzip ist es ein kapitalismuskritisches Lied. Gerade hier in Stuttgart gibt es relativ viele größere Firmen, die sehr, sehr viel Geld erwirtschaften. Wobei eben das soziale Gefälle in Deutschland da ist. Das sieht man ja jetzt total, durch Corona kommts plötzlich raus. Jetzt merken alle: Oh, der Krankenpfleger, die Lehrerin, die Kassiererin an der Supermarktkasse, die sind ja völlig unterbezahlt. Im Gegensatz zu den Leuten beim Daimler, die sich darüber aufregen, dass sie dieses Jahr nur ’ne Prämie von 5.000 Euro bekommen. Und im Prinzip gehts um diese Gier, die für mich total präsent ist in der deutschen Industrie.
Für mich ist tatsächlich die Musik ein gutes Mittel, auch auf humorvolle Art und Weise politische, soziale Themen zu behandeln.
Durch Corona merken alle: Oh, der Krankenpfleger, die Lehrerin, die Kassiererin an der Supermarktkasse, die sind ja völlig unterbezahlt.
Versauft doch euer Scheißgeld
Früher oder später stellen wir uns dieselbe Frage, wohin mit all dem Geld?
VW-Aktien sind bestimmt grade billig oder warte ich, bis der Goldpreis fällt?
Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Optionen, wer sagt mir, welche meiner Hedgefonds sich jetzt wirklich lohnen?
Ich sehne mich nach Sicherheit und Wertstabilität, doch plötzlich dein geiler Tipp, ein Mann von Welt, der was versteht!
Ich steck’s nicht in ’nen Socken, ich bring’ es nicht zur Bank, es gibt nachhaltigere Werte, dem Himmel sei Dank!
Ich tätige ausgiebige Investitionen.
Es gibt wenige Dinge, die sich wirklich noch lohnen.
Dann versauft doch euer Scheißgeld!
Alles klar, wo geht’s zur nächsten Bar?
Nach der Rettung jeder Bank sind wir bekanntlich im gelobten Land.
Nur Milch und Honig sind was für Memmen, da könnt ihr euch noch so viel unter eure Nägel klemmen.
Das Kapital schön abgefüllt in Flaschen mit Verschluss, dem Finanzberater hinterm Schalter einen Abschiedskuss!
Ich sehne mich nach Sicherheit und Wertstabilität, doch plötzlich dein geiler Tipp, ein Mann von Welt, der was versteht!
Ich steck’s nicht in ’nen Socken, ich bring’ es nicht zur Bank, es gibt nachhaltigere Werte, dem Himmel sei Dank!
Ich tätige ausgiebige Investitionen.
Es gibt wenige Dinge, die sich wirklich noch lohnen.
Dann versauft doch euer Scheißgeld!
Alles klar, wo geht’s zur nächsten Bar?
© Xylospongium, 2017 ∙ Musik & Text von Carl Oestreich
Gierig währt am längsten
Früher wurde uns immer gesagt, man wird für Gutes belohnt.
Doch unsere Welt hat das offensichtlich nicht verstanden und wir sind das gewohnt.
Überall in den hohen Etagen die gleichen Phrasen.
Alle klammern sie an ihren Sesseln fest, denn:
Gierig währt am längsten, wir haben nichts zu verschenken.
Immer mit der Ruhe. Was soll dieses ganze hysterische Getue?
Macht euch keine Sorgen. Wir sichern die Welt von morgen.
Und so banal das klingt, das weiß heute jedes Kind.
Ihr denkt wohl immer noch, es ist keine Frage der Zeit.
Sondern nur die nach dem guten Willen und Schonungslosigkeit.