»Meine Utopie ist die Anarchie«
»Wenn man sich einbringen kann, merkt man, dass man was ändern kann, gerade als junge Person«
»Ich betitele mich selbst immer als realistische Kommunistin«
»Ich bin halt der Politikdude«
»Der Kapitalismus ist eine gute Sache«
»Irgendeinem dabben wir immer auf die Füße«
»Generell halte ich es schon für effektiver, sich in dieses Bürokratenkorsett zu zwingen«
»Ich finde es nicht richtig, dass man Kindern sagt, was sie machen müssen«
»Wenn man was verändern will, ist der erste Schritt, an sich selbst etwas zu verändern«
»Es geht darum, das Übernehmen von Verantwortung zu lernen«
»Es hilft eben auch im kleinen Maß, denen zu helfen, die bei uns im Ort sind«
»Wir sind die letzte Generation, die was ändern kann«
»Dass die Arbeitsbedingungen besser und fairer werden«
»Es ist mir wichtig, dass ich meinen Teil zur Gesellschaft beitragen kann«
»Keiner kommt her und fragt uns«
»Wir haben es durch den Gemeinderat geschafft, das ist echt cool«
»Durch die Stimme in einem Verein, in einer Partei kann man viel verändern«
»Pfadfinder sein ist für mich grundsätzlich von den Werten her schon politisch«
Vorwort
»Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen« – schon vor über 2.000 Jahren klagte der griechische Philosoph Aristoteles (469–399 v. u. Z.) über seine jungen Zeitgenoss*innen. Auch heute erhebt sich vielfach ähnliches Gejammer über »die Jugend von heute«. Und darüber, wie unpolitisch sie doch eigentlich sei.
Aber was ist wirklich dran an solchen Beschwerden? Sind junge Menschen wirklich nur lustlos, dämlich und extrem? Oder handelt es sich um ein Vorurteil, das so alt ist wie die Menschheitsgeschichte selbst? Muss sich nicht jede Jugend anhören, dass sie nicht mehr das ist, was sie zu Zeiten der Eltern und Großeltern einmal war? Und gibt es die eigentlich Lustlosen und Unverantwortlichen nicht vielleicht sogar besonders zahlreich in der Vorgängergeneration der gegenwärtigen Jugend, also in der Erwachsenenwelt von heute? Ist es nicht eher sie, die sich wohlstandsverwöhnt auf den fetten Jahren des Wirtschaftswunders ausruht nach dem Motto »Nach mir die Sintflut!«?
Spätestens seit Fridays for Future sollte auch den Letzten aufgefallen sein, dass Jugendliche heute alles andere als naiv, träge und unpolitisch sind. Aber wer denkt, dass die politische Beteiligung der Jugend sich ausschließlich auf Fridays for Future beschränkt, hat weit gefehlt!
Wir, Studierende der Sozialen Arbeit und der Frühkindlichen Bildung und Erziehung an der Hochschule Esslingen, haben uns im Verlauf des Jahres 2020 auf die Suche nach den Ausdrucksformen jugendlicher Politik gemacht: auf die Suche nach guten Gesprächen, spannenden Motiven und vermeintlich blindem Aktivismus für die gute Sache. Dazu trafen wir über 70 Interviewpartner*innen aus dem Großraum Stuttgart und ganz Deutschland, die uns persönlich oder digital über ihre Art, Politik zu machen, berichteten. Dabei fanden wir Weltverbesserer*innen, Gemäßigte und weniger Gemäßigte, auf die Straße Geher*innen und kreative Köpfe. Uns begegneten junge Menschen, die Statements auf die Straße kreiden, weil sie allen Umständen zum Trotz ihren Standpunkt vertreten … Songtexte schreiben, weil sie es nicht ertragen, nur auszusprechen, was sie umtreibt … sich in Gremien und Parteien engagieren, weil sie die Hoffnung auf Mitwirkung im gegebenen politischen System nicht verloren haben … oder ihre Faust in der Tasche ballen, weil ihre Wut so groß ist.
Mit diesem Buch nehmen wir dich, liebe*r Leser*in, mit in die gegenwärtige politische Welt von Jugendlichen. Sie begreifen sich selbst sehr wohl als Teil dieser Gesellschaft, sie wollen und können nicht auf ein Morgen warten, das sich von selbst einstellt. Wir zeigen, warum und wie sie ihren Teil dazu beitragen, dass diese eine gute, ja sogar eine bessere Gesellschaft werden kann … warum und wie sie politisch aktiv sind, selbst wenn sie manchmal ihr Engagement selbst gar nicht als politisches bezeichnen … warum und wie sie sich für eine Gesellschaft einsetzen, für die es sich lohnt, den Mund aufzumachen, den Stift oder die Spraydose anzusetzen und auf die Straße zu gehen.
Wir durften vieles hören, vieles sehen und vieles erleben. Viel Neues entdecken und vieles dazulernen: Unterschiedliche junge Menschen aus unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen mit unterschiedlichen Gedanken und unterschiedlichen Formen des politischen Ausdrucks. Dafür möchten wir uns bei allen Mitwirkenden an diesem Buch bedanken. Und dafür, dass sie uns die Gelegenheit gegeben haben, Jugend zu zeigen, wie sie wirklich ist: vielfältig und divers, interessiert und engagiert. Aber vor allem eines nicht: mit wenigen Worten zu beschreiben. Statt auf jahrhundertealte Vorurteile über die »Jugend von heute« reinzufallen, mach dir lieber dein eigenes Bild: Blättere in diesem Buch! Lies, was dir unsere Gesprächspartner*innen zu erzählen haben! Und vielleicht entdeckst du ja, dass du politischer bist, als du bisher gedacht hast!
Esslingen, im Januar 2021
Projektgruppe #Jugend #Macht #Politik
Kurt Möller
»Wenn jeder denken würde: Wenn ich was mache, dann bringt das was