Gut, wenn man neben dem Talent noch einen Unterstützer an seiner Seite hat – und das von Kindheit an. Eine Erkenntnis, auf die auch ein anderer Österreicher hinweist, der in Sachen „Erfolgreich sein“ national über den Tellerrand geschaut hat. So meinte Arnold Schwarzenegger zum 70. Geburtstag über seine außergewöhnliche Karriere: „Ich hatte immer Unterstützer und Ja-Sager um mich herum. Hätte ich nur auf die Zweifler und Nein-Sager gehört, würde ich heute noch in den Alpen jodeln.“ Und dennoch: Ein richtig guter Spieler setzt sich anscheinend auch allein durch – trotz mancher Widrigkeiten.
Ein richtig guter Spieler, der macht sich eh selber, den kann der Trainer ein bisserl begleiten, a bisserl Hilfestellung geben, aber der gute Spieler, der weiß, was er zu tun hat, der setzt sich auf Dauer durch. Es kann nur sein, dass der eine oder andere Trainer ihn verhindert. Dann musst du allerdings wissen: „Ich bin gut“, und wenn der Trainer das nicht so sieht, dann geh ich halt zu einem anderen Verein und setz mich dort durch, zeig dort meine Qualitäten. Aber wenn es dann bei vier, fünf Vereinen gleich ist, und es ist immer der Trainer schuld, dann muss sich schon der Spieler hinterfragen, ob er zunächst einmal bei sich anfangen soll und nicht nur alles von sich wegschiebt. (Andreas Herzog)
Plötzlich und aus dem Nichts kam ein Querschläger des Admira-Wacker- gegen Sturm-Graz-Spiels auf uns zugeflogen. Andi fischte ihn mit dem linken Fuß aus der Luft – der Ball blieb förmlich an seinem Fuß kleben –, um ihn dann wieder mit einer unglaublichen Leichtigkeit auf das Spielfeld zu kicken.
„Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, aber wie gesagt: Ich bin der Meinung: Ein guter Spieler ist nicht zu verhindern. Selbst der dümmste Trainer kann einen guten Spieler nicht verhindern. Das waren gute Aussagen, oder? Wir müssen a bissl Würze in das Buch bringen.“ Er lacht schelmisch.
Aber auch der heutige Rekordnationalspieler musste immer wieder mal mit dem einen oder anderen Trainer kämpfen – und jeder Coach hat halt auch seine eigenen Ansichten, Werte und Glaubenssätze, und die gilt es zu akzeptieren.
So kickte der hochtalentierte Andreas Herzog 1984/85 in einem Qualifikationsspiel für die U16 Österreichs. Ziel war die Teilnahme an der Europameisterschaft 1986 in Griechenland. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn der junge Herzerl wurde in diesem Spiel von seinem Trainer schon nach zehn Minuten ausgewechselt. Der Grund: An beiden Toren soll er schuld gewesen sein. „Konnte aber gar nicht sein“, meinte Herzog. „Denn beim zweiten Tor für die DDR-Auswahl war ich gar nicht mehr auf dem Platz.“ Am Boden zerstört fühlte er sich mit all seiner spielerischen Klasse, „aber auch da war es mein Vater, der mir geholfen hat“, denn schon am nächsten Tag klingelte das Telefon in der Wohnung im 12. Bezirk.
„Ach so, du bist das“, sagte mein Vater. „Geh, weißt was, schleich di! Ruf nie wieder an, und eins sag ich dir: Beruf den Andi ja nicht mehr ein. Weil das verbiete ich hier. Ich verbiete meinem Sohn, dass er noch einmal zur Nationalmannschaft kommt, zur U16!“ Und legte energisch auf.
Ich fragte irritiert: „Papa, wer war denn das?“
„Na, der Verhinderer.“
„Welcher Verhinderer?“
„Na, der Gludovatz.“
„Papa, bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht so mit dem Nationaltrainer sprechen.“
„Na, bleib ruhig, Andi“, sagte er. „Der würde dich mehr verhindern und dir schaden, als dass du in der U16-Nationalmannschaft spielst.“ (Andreas Herzog)
Drei Monate später stieg Andi Herzog in die U18-Nationalmannschaft auf – und bekam einen anderen Trainer. Doch zur Ehrenrettung von Paul Gludovatz, der später verschiedene Profiteams wie auch bei U20-Weltmeisterschaften mit dem ÖFB-Team sehr erfolgreich war: Es muss halt passen.
Rückblickend meint Herzog, dass ihm wohl sein Spielstil nicht gefallen hatte. Er sollte laut Trainer reinhauen, dass die Funken sprühen, sonst würde er nach zehn Minuten ausgewechselt werden – und so zog es der U16-Trainer auch durch. Für Edeltechniker mit anderen Qualitäten war da kein Platz.
Beim nächsten Trainer war es wieder anders. Der hat halt wieder eine andere Idee vom Fußball gehabt. Aber wie ich gesagt habe: Der dümmste Trainer kann einen Riesenspieler nicht aufhalten, wenn der Riesenspieler entweder ein gutes Umfeld hat, also von seinen Eltern, von Menschen, die es wirklich gut meinen, unterstützt wird oder seine eigene Persönlichkeit schon so stark ist – aber das ist in jungen Jahren relativ selten. Bei mir war halt der Vater der Ruhepol und die Hilfe. Und mein Wille, zu spielen. (Andreas Herzog)
Neben allem Talent ist also laut Herzog das Umfeld entscheidend für die Entwicklung der Persönlichkeit – Familie, Freunde, Beziehungen. Und er sagt, wie sehr es ihn ärgert, wenn hochtalentierte Spieler nicht den letzten Schritt machen, sich selbst falsch wahrnehmen oder es an der richtigen Einstellung mangelt – auf oder neben dem Platz.
Und so fachsimpelten wir weiter, wie viele Menschen im Leben ihre Talente gar nicht erst entdecken oder sie nur unzureichend abrufen. Über spezielle Talente verfügen viele, doch diese zu formen, mit Freude dranzubleiben und sich auch durchzusetzen – dazu bedarf es anscheinend außergewöhnlicher Willensstärke. So zumindest meine Wahrnehmung. „Passt eh“, meinte Andi. „Darüber müssen wir uns als Nächstes Gedanken machen, also die Sache mit dem Biss.“ Kathi und er wollten schließlich zu Hause auch brave „Buam“ – doch auf dem Platz sollen sie sich plötzlich nichts gefallen lassen. „Das ist gar nicht so einfach!“ Mittlerweile war die Sonne untergegangen, die Märzluft kühlte schnell ab. Wir stiegen wieder ins Auto, die Jungs auf dem Rücksitz, und es ging nach Hause. Kathi rief an und verkündete über die Freisprechanlage, dass es Schinkenfleckerl geben würde. Allgemeiner Jubel im Auto.
Mich dagegen zog es ins Hotel, und ich machte mir noch ein paar Gedanken über Talente, Biss und Co. Vielleicht lag es an den geschlossenen Heurigen und an der Tatsache, dass das nächste Schnellrestaurant fußläufig weit entfernt lag, ich dies also nur mit einer gewissen Entschlossenheit erreichen würde. Jedenfalls kam mir folgende Sätze von Ray Kroc, dem Gründer des McDonald’s-Imperiums, dazu in den Sinn: „Nichts in der Welt kann Beharrlichkeit ersetzen. Talent allein genügt nicht; nichts ist häufiger als erfolglose Menschen mit großen Talenten. Ebenso wenig Genie; verkannte Genies sind geradezu sprichwörtlich. Ebenso wenig kann es Bildung sein; die Welt ist voll von gebildeten Versagern. Beharrlichkeit und Entschlossenheit allein vermögen alles.“
Es gab noch viel zu diskutieren und zu tun. Doch eins war klar: Wenn man das große Glück hat, mit dem entsprechenden Talent zur Welt zu kommen, und dies auch noch für sich in jungen Jahren zu entdecken, ist eine große Karriere mit den nötigen Unterstützern möglich. Mit Kreativität und Durchsetzungskraft – und in diesem Fall am liebsten mit frisch eingefetteten, glänzenden, edlen Fußballschuhen in Schwarz mit weißen Streifen.
KAPITEL 4:
LINKES PRATZERL, DURCHSCHNITT UND EIN DYNAMISCHES SELBSTBILD
ADMIRA WACKER 1974–1983
Jeder Mensch verfügt über Talente – und manche sogar über eine ganz besondere, einmalige Veranlagung, einem Alleinstellungsmerkmal. Stellen Sie sich vor, Sie hätten genau so ein Talent. Und einen Förderer und Forderer in Ihrer Nähe, der genau das in Ihnen sehr schnell erkennt. An anderer Stelle haben wir schon darauf verwiesen, dass es eine Gnade sein kann, seine ganz besondere Stärke möglichst früh wahrzunehmen, genauso wie die Möglichkeiten und den Freiraum, eben dieses ständig weiterzuentwickeln.
Bei Andi Herzog war es das „linke Pratzerl“, wie er es im Wiener Dialekt gerne nennt, im ursprünglichen Sinne eigentlich die linke „Pfote“, im Ruhrgebietsfußball auch die linke „Klebe“ genannt. Auf den Punkt gebracht: sein linker Fuß. Dazu der Vater, ebenfalls Fußballprofi, für damalige Verhältnisse gut vernetzt und vor allem mit reichlich Fußball-Know-how ausgestattet: Er hatte das Spiel nicht nur verstanden, sondern vor allem in allen Facetten gelebt. Zudem war da noch Andis