Andreas Herzog - Mit Herz und Schmäh. Karin Helle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Helle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783903376052
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Fans so beschimpft haben, obwohl sie mich doch gar nicht kennen, das ist jetzt alles vielleicht auch ein Blödsinn, aber weil du geschrieben hast, authentisch, ehrlich, echt. Das hat sich dann erst nach meinem Meistertitel in Deutschland und vor allem auch jetzt mit zunehmenden Erfolgen in der Karriere verändert, da hast du eine andere Persönlichkeit entwickelt. Jetzt bin ich so, wie ich bin, und mir ist das mittlerweile egal, was die Leute über mich denken. Ich möchte authentisch bleiben. Und das ist das Wichtigste. Diese Entwicklung – von es vorher jedem recht machen hin zu einfach der sein, derman ist, wenn man authentisch ist –, darum geht es. Danke, ciao! (Andreas Herzog)

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      Andi Herzog (schlafend) mit Mama, Papa und Schwester Claudia

      KAPITEL 3:

       EIN GUTER SPIELER IST NICHT ZU VERHINDERN – ODER EIN TAG MIT ANDI

      ADMIRA WACKER 1974–1983

      „Hallo, Claus, Andi spricht“, ließ es mich der Messengerdienst des Smartphones am späten Vormittag und kurz vor Ostern wissen. „Ich bin dann am Weg zu meinem Vater und zu meiner Mutter raus. Der Vater ist aus dem Krankenhaus heimgekommen“, so die angenehme Stimme mit bekannt charmanter Wiener Klangfärbung via Sprachnachricht weiter. Dann sollte es wieder nach Hause gehen, um gegen 15.45 Uhr die Kinder in die Südstadt zu bringen, auf dem Parkplatz vor den Stadiontoren ein Interview für Servus-TV zu geben, mich zwischenzeitlich am Hotel in Perchtoldsdorf abzuholen und wieder in die Südstadt zu fahren. Was für ein Programm!

      Überhaupt pendelte das Leben des Andi Herzog in diesen Tagen auf einer geraden Linie zwischen seinem südwestlich von Wien gelegenen Wohnort, dem großzügigen Trainingsareal rund um das Admira Wacker-Stadion in der Südstadt sowie dem südwestlich von Laxenburg gelegenen Wohnort seiner Eltern, irgendwo in Niederösterreich – ein ständiges Hin und Her. Mittendrin auf dieser Route hatte ich mein Lager aufgeschlagen, in einem kleinen, aber feinen Stadthotel im noch feineren Perchtoldsdorf, eigentlich beliebt und bekannt durch seine so typischen Heurigenlokale und ebenfalls vor den Toren Wiens.

      Doch in diesen Tagen war vieles anders. Die Pandemie hatte auch Österreich voll im Griff, und alles, was auch nur ansatzweise hätte Freude machen können, war geschlossen oder verboten. Und so spielte sich auch das Leben der Familie Herzog in erster Linie draußen ab. Denn während sein zehn Jahre alter Sohn Louis und der 13 Jahre alte Sohn Luca fleißig auf den Plätzen in der Südstadt trainierten, hielt Papa Herzog beharrlich und mit einer – zumindest äußeren – stoischen Gelassenheit stundenlang die Stellung. Mal plauderte er mit den anderen Vätern, die ebenfalls auf ihre Söhne warteten, mal kam ein Fernsehteam vorbei, um mit ihm ein Interview zu führen. Langeweile kam jedenfalls nicht auf, trotz Abstandhalten und Co., obwohl die Lokalität am Rande der Trainingsplätze geschlossen war und man auch am Training selbst nur aus großer Entfernung teilnehmen durfte.

      Gegen 16 Uhr leuchtete das Smartphone erneut auf. Diesmal die Nachricht von Andi: „Bin zwischenzeitlich wieder zu Hause gewesen, habe die Jungs zum Platz gebracht, das Servus-TV-Team verspätet sich wegen dichten Verkehrs. Warte im Hotel auf mich.“

      Und dann noch sein Wunsch, ob wir noch kurz in der Shopping City vorbeischauen könnten – schließlich stand ja Ostern vor der Tür. Na klar, ich war bei allem dabei – mitten im Alltag des Rekordnationalspielers.

      Gesagt, getan: Nachdem sich sein Auto durch die engen Perchtoldsdorfer Gassen und vorbei am beeindruckenden 500 Jahre alten Wehrturm der Marktgemeinde geschlängelt hatte, wurde der weitere Plan für den Nachmittag konkretisiert: Rein in den Sport-Megastore in der Shopping City, Ostergeschenke für die Jungs und Frau Kathi kaufen und wieder raus auf den Platz.

      Sofort leuchteten uns die zahlreichen Fußballschuhe in ihrer ganzen Vielfalt wie bunte Ostereier entgegen – irgendwie passend zum Fest. Ein Gespräch über Farben, Form und Vorzüge eben dieser entstand, und dann die brennende Frage, in welchen Fußballschuhen er heute farblich spielen würde: „Für mich war immer wichtiger, dass der Schuh die perfekte Passform hat und das i ned, wenn der Boden ned ganz weich ist, mit Stollenschuh, sondern mit Nockenschuh spielen kann oder einer Mischung aus Nocken- und Stollenschuh. Das heißt auf Wienerisch Gummler.“

      Herzog gerät ins Schwärmen: „A Lederschuh, und wenn es dann geregnet hat und du bist rausgestiegen, und das nächste Mal bist du reingestiegen in den Schuh und die Passform hat genau gepasst und dann war er wieder mit Lederfett eingeschmiert und die Streifen wieder weiß nachgemalt, das war extrem edel. A schwarz-weißer Kultschuh wie der Copa Mundial war für mich viel wichtiger wie jetzt die ganzen bunten Schuh, die da rumrennen.“

      So kann man sich täuschen, wäre ich doch davon ausgegangen, dass sich Herzog heute für einen weißen Schuh entscheiden würde. Aber wie immer macht es wohl die Mischung. Schwarz für harte Arbeit, Weiß für die Kunst.

      Es ist eine Gabe, wenn man mit einem außergewöhnlichen Talent gesegnet ist wie Andreas Herzog, so individuell wie ein Fingerabdruck, etwas Einmaliges, das einem in die Wiege gelegt wurde. Und es ist eine Kunst, dieses ganz spezielle Talent möglichst schnell für sich zu entdecken und auch abzurufen, es zu entwickeln, zu formen und zu verfeinern. Wirkliche Meister wissen, was sie können und wofür sie stehen. Sie reflektieren und regulieren sich selbst und üben zielgerichtet.

       Ich hab mir mit meiner Schwester das Kinderzimmer geteilt, und zwischen den zwei Nachtkastln war ein 15 Zentimeter großer Spalt. Mit dem Tennisball bin ich dann durch die ganze Wohnung gedribbelt, vom Wohnzimmer durchs Vorzimmer, schlussendlich ins Kinderzimmer, und dann war des das Tor, der 15-Zentimeter-Spalt. Und dann hab ich immer gestoppt, wie schnell ich vom Balkon weg durchs Wohnzimmer im Spalt war – Hunderte Male. Und meine Schwester hat sich immer beschwert, weil sie hat immer viel gelernt, und es hat immer „bum, bum, bum“gemacht. (Andreas Herzog)

      Talent hatte der junge wie auch kreativ spielende Andreas Herzog jedenfalls von klein auf. Sein Drang war die Offensive, seine Leidenschaft der Chip über die gegnerischen Abwehrreihen hinweg. Er holte sich die Grundlagen zu Hause in der engen Wohnung in Meidling und mit einem Plastikball – beim an die Wand Spielen im Hinterhof, beim Parkoder Käfigfußball, eins gegen eins, drei gegen drei, zwei gegen zwei, mit Kindern aus der Nachbarschaft und einfach bei allem, was man mit dem Ball gerne macht. Herzog liebte vor allem die Freiheiten, die er hatte, wenn man nicht auf das Ergebnis schauen musste. Einfach spielen eben. Dann noch die Trainingseinheiten in der Südstadt, und natürlich sein Vater als Unterstützer.

       Mein Vater war von klein auf sehr wichtig für mich. Er war der, der mich das Fußballspielen gelehrt hat und mich auch als Trainer begleitet hat. Es waren oft Kleinigkeiten, Kernaussagen und andere Wichtigkeiten, die er mir mit auf den Weggegeben hat. (Andreas Herzog)

      Mittlerweile waren wir am Trainingsgelände angekommen. Die Sonne strahlte in den frühen Abendstunden, und das Ende März. Es fühlte sich fast wie Sommer an – wenn da nicht die Pandemie gewesen wäre. Hier und da einige Eltern, die das Spiel der U15 der Südstädter gegen Sturm Graz verfolgten. Wir standen ebenfalls weit abseits des Platzes, und ich, mehr als kurzsichtig, konnte nur wenig bis gar keine Aktionen erkennen. Was für ein Glück, dass ich mit Andreas Herzog einen mehr als kompetenten Seher an meiner Seite hatte. In der Tat war ich von seiner Wahrnehmung beeindruckt, jede kleinste Kleinigkeit schien er zu sehen, zu fühlen oder zu riechen. Das Wichtigste war für ihn die Bewegung nach vorne. „Der bleibt schon wieder stehen“, echauffierte er sich dann. Alle sollten immer in Bewegung sein, offensiv und nach vorne, und Sohn Luca am besten beteiligt an Toren. Ganz so wie es sein Vater früher wohl bei ihm gemacht hatte.

       Bei Werder Bremen waren wir im ersten Jahr gleich Meister, da habe ich sehr, sehr gut gespielt. Im zweiten Jahr lief es nicht so gut. Da ist einmal mein Vater zum Training gekommen, hat zugeschaut und hat gesagt: „Ich kann dir schon sagen, warum es momentan nicht so gut lauft. Deine Stärke war immer, wenn du den Ball bekommst, dass du ihn gleich mit dem Tempo mitnimmst, dass du gleich den offenen Raum attackierst, auch im Mittelfeld, und jetzt machst du fast alles aus dem Stehen, jetzt wartest du ab. Und so ist es einfacher für den Gegenspieler, die Situation zu lösen.“ Und mit diesem einen kleinen