„Perception is everything“, heißt es im Englischen. Am Anfang steht immer die Wahrnehmung. Wie nehme ich als Spieler, Trainer, Mensch eine neue Situation, Begegnung, das Umfeld wahr? Bin ich offen und neugierig oder eher zurückhaltend und ängstlich? Gehe ich die Herausforderung als Chance oder als Problem an? Aus der Wahrnehmung entsteht die Einstellung zu den Dingen. Sehe ich das Glas halb voll oder halb leer, bin ich flexibel und möchte dazulernen, brauche ich eher feste Rituale oder werde ich zum Wiederholungstäter und stecke irgendwann fest in den immer gleichen Abläufen, Denkmustern und Glaubenssätzen? Unsere Einstellung führt zu bestimmten Gedanken. Diese prägen unsere Emotionen. Unsere Emotionen führen zu Worten, Taten und Gewohnheiten.
All das wiederum prägt unseren Charakter und damit unsere Persönlichkeit – und auch die eines jungen Andreas Herzog, der kurz vor seinem WM-Debüt stand und sich doch ein Stück weit entfernt wahrnahm. Zumindest nach seinem Auftreten in Brixen und nur eine Woche vor dem Eröffnungsspiel in Rom, als Hickersberger im Teamhotel an die Zimmertür von Russ und Herzog anklopfte.
Herzog ruhte zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht so tief in sich, nahm Hickersbergers Wink mit dem Zaunpfahl nur bedingt oder gar nicht wahr und musste so eben noch ein paar Tage weiterzittern, bis er es dann doch realisierte – angekommen in der Startelf gegen Italien!
Natürlich spürte er von Tag zu Tag mehr Sicherheit, denn im Training wurde auf ihn gesetzt, er spielte im Team, das später auch das Match gegen Italien bestreiten sollte – und wurde eben nicht auf den Nebenplatz geschickt, um mit dem Ball zu jonglieren. Ein wichtiges Gefühl so kurz vor der WM. Und doch waren da immer noch die Zweifel: „Es ist halt eine andere Welt als Klubfußball!“
Erst am Spieltag selbst wurde Andi klar: Hickersberger hatte ihm schon eine Woche zuvor ein Zeichen gegeben. „Be prepared“, lautete das Motto, aber es ist eben alles eine Sache der Wahrnehmung.
Ich war extrem nervös bei der Bundeshymne und beim Spiel in Rom – der Rasen im Olympiastadion, ich kriege heute noch die Gänsehaut, wenn ich daran denk. Ich wollt nicht mal auf den Rasen draufsteigen, weil ich Angst hatte, der Superrasen wird zerstört. (Andreas Herzog)
Noch heute hat er die Bilder von seiner Riesenchance im Kopf: Beim Stand von 0:0 kommt eine Flanke von rechts, Giuseppe Bergomi erwischt den Ball nicht richtig, und der Ball kommt zum zweiten Pfosten.
Und i erwisch den Ball nur mit dem Schienbein und mit dem Knöchel und schieß drei Meter daneben, von acht oder zehn Metern – das war normal genau meine Situation, so ein Volleyschuss mit meinem starken linken Pratzerl. Und i hab die Chance aber verhaut. Und i schwör’s dir, wenn i des Tor geschossen hätte, hätten wir vielleicht 1:0 gewonnen. Dann würde ich heute noch Ehrenrunden in Rom laufen. (Andreas Herzog)
Aber es sollte bei diesem Spiel noch nicht sein. Und so unterlag man kurz vor Schluss durch ein Tor des „kleinen Schillaci“, wie ihn Herzog heute noch liebevoll nennt. „Und wieso die Rückennummer 20?“, fragte ich den ehemaligen Vorzeige-10er abschließend nach einer langen Gesprächsrunde und am Abend eines verregneten Feiertags in Wien. Viel hatte ich in den vergangenen Stunden erfahren dürfen – von den Anfängen bei Rapid, der unbeschwerten Zeit bei Vienna bis hin zum Nationalmannschaftsdebüt und Italien 1990. Doch das mit der Rückennummer war mir noch nicht klar.
In Rom samma so gesessen beim Abendessen, und der Teamchef hat gesagt: „So, und jetzt zu den Rückennummern.“ Und ich war halt noch ein junger Spieler und wollt die Nummer 10 haben, aber ich war ja noch ein relativer Frischling, hab mich nichts zu sagen getraut. Und dann sind alle Nummern weggegangen, und dann waren nur mehr 12 und 20 über. Naa, mit der 12er spiel i sicher nicht, hab ich mir gedacht (lacht): „Trainer, ich hätt gerne die Nummer 20!“ Da war ich mutig, als Vorletzter habe ich mir die Nummer 20 geschnappt (lacht noch mehr). Und für den Baur Michi ist die Nummer 12 übergeblieben. (Andreas Herzog)
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