In diesem Augenblick gelingt Werner ein schwerer linker Haken, der den Kontrollor über die Brüstung befördert. Dumpfer Aufprall, aufgeregte Schreie. Werner beugt sich über das Geländer; aus dieser Perspektive sieht man den Uniformierten in einer Blutlache regungslos liegen. Ein Schwenk bringt zwei Polizisten ins Bild, die, von den Schreien angetrieben, die letzten Meter im Laufschritt bewältigen. Einige Passanten zeigen auf Werner, der immer noch fassungs- und regungslos über die Brüstung gebeugt dasteht. Rufe wie „Der war's!“, „Mörder!“, Schnappt's ihn euch!“ machen den beiden Polizisten die Entscheidungsfindung sehr einfach. Von links und rechts ergreifen sie gleichzeitig den verhinderten Selbstmörder, ein prüfender Blick nach unten überzeugt sie von der Richtigkeit ihres Tuns. Werner, schon wieder von einer neuen Situation überfordert, will sich heftig losreißen, woraufhin beide Polizisten in einem synchronen Bewegungsablauf die Gummiknüppel ergreifen, Schwung holen und punktgenau, einer von links, einer von rechts, einen Schlag auf Werners Kopf landen. Ohne einen weiteren Laut bricht Werner zusammen. Jetzt kommen wieder die beiden Wetter ins Bild.
Sandler: A Unentschieden; baade san k.o.
Passant: Der Kontrollor ist wohl eher tot. Außerdem war der Zweikampf eindeutig entscheiden; das Eingreifen der Polizei hatte mit unserer Wette nichts zu tun. Sie schulden mir sechs Schilling und einen Einzelfahrschein. (Hält die Hand auf)
Sandler: (gibt ihm widerstrebend das Gewünschte) Heast, Oida, host a poar Schüling?(27)
Passant: (im Wegdrehen) Ja. (entfernt sich mit raschen Schritten)
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Ein Gerichtssaal. Geschworene, volle Ränge.
Richter: (mit Blick auf die Geschworenenbank) Sind Sie zu einem einstimmigen Urteil gekommen?
Sprecher der Geschworenen: Das sind wir, euer Ehren. Wir befinden den Angeklagten für schuldig.
Richter: Angeklagter, erheben Sie sich. (Werner, sehr bleich im Gesicht, befolgt die Aufforderung) Das Hohe Gericht verurteilt den Angeklagten zu lebenslänglicher Haft. Nehmen Sie das Urteil an?
Werner: Nein, ich will die Todesstrafe.
Richter: Hamma ned. Lebenslänglich also. (Der Richterhammer knallt aufs Pult.) Die Sitzung ist geschlossen.
© 1992
Satirisches
Von 2003 bis 2014 habe ich für das Magazin „Wege“ die Kolumne „verWEGEn“ verfasst. Sechs meiner verWEGEnen Lieblingstexte bilden das Rückgrat des satirischen Teils. Ganz am Anfang steht aber „Das Wahrheiten des No-bert Hxfer“, entstanden angesichts der bedrohlichen Aussicht auf einen extrem rechtspopulistischen Bundespräsidenten kurz vor der Bundespräsidentenstichwahlwiederholung 2016. Der Kelch ist an uns vorübergegangen ... fürs Erste.
Das Wahrheiten des No-bert H.
No-bert H×fer war am Ziel: Obwohl er von den bekannt radikalen Linkskatholiken in die Arme einer kleinen religiösen Protestgruppe getrieben worden war, obwohl sich mit Ausnahme einer Orangenpartei (einmal pressen und der gesamte Saft ist draußen) und natürlich seinen eigenen Einbläulingen praktisch die gesamte medial präsente Öffentlichkeit gegen ihn ausgesprochen hatte, hatte sich eine Mehrheit für ihn gefunden. No-bert war Bundesprassident.
Sofort versammelte er seine Getreuen um sich und bläute ihnen ein, dass die Zeit der Zurückhaltung nunmehr überstanden sei. Gekommen sei die Zeit des Wunderns über das, was möglich ist. „Immer lächeln“ wurde zum Staatsmotto erhoben, die Korn- zur Nationalblume erklärt und die internationalen Beziehungen auf ein vernünftiges Maß eingeschränkt: auf alle, die den Satz „der vom Thron des Familienoberhaupts gestoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirklichungsambitionen überragt“ verstehen und inhaltlich gutheißen.
BÖS, der Bairisch-Österreichische Staatenbund, brachte endlich zusammen, was zusammengehört. Südtirol erhielt eine ständige Vertretung, Vorarlberg wurde vor die Wahl gestellt: Annahme des Bösterreichischen als Amtssprache oder Abschiebung in die Schweiz.
Im sofort in Angriff genommenen neuen amtlichen Regelwerk des Bösterreichischen wurden etliche linguistische Fehler der Vergangenheit behoben. „lügen“ wurde etwa mit den Vermerken „veraltet, nur noch in der Zusammensetzung ,Lügenpresse‘“ versehen sowie dem Verweis auf den neuen korrekten Begriff „wahrheiten“ („Bei der Vorwahl-Behauptung, nicht für den Östritt zu sein, wahrheitete No-bert H×fer im Sinne seines Gemeinwesens.“). Fremdländisches wurde ausgemerzt (siehe Östritt statt Öxit, Gemeinhüter statt Polizei, Taktonung statt Musik) oder zumindest rechtsschreibend angepasst (Händi, kuhl, Proweida).
Siegestrunkene Massen zogen über die Ringstraße freiheitlicher Studenten, die neuen rot-weiß-roten Fahnen mit eingefügter Kornblume schwenkend und im Takt der neuen Ordnung skandierend: „Ein Volk, ein BÖS, ein H×fer“.
Abweichler bekamen den ungezügelten Zorn der Einbläulinge zu spüren: Der Begriff „Gründüngung“ etablierte sich für eine besonders ekelhafte Form der Bestrafung durch den aufgebrachten Pöbel, bei der Klimawandel-Gläubige oder sonstwie des politischen (bzw. Bösterreichisch gemeinverwahrenden) Grün-Seins Verdächtige als Aborte missbraucht wurden. Eine besonders tatkräftige Gemeinheit (Bösterreichisch für eine gemeinverwahrende Ordnungsgruppe) am rechten Gesinnungsrand der Einbläulinge ging Gerüchten zufolge sogar so weit, die grüngedüngten Opfer nach Möglichkeit an Ort und Stelle zu verscharren, um ihre fruchtbringende Wirkung zur Gänze zu nutzen.
Dieselbe Gemeinheit stand auch im dringenden Verdacht, für das wiederholte Vorkommnis des „Aderlasses“ verantwortlich zu sein; damit wurde die häufig tödliche Praxis bezeichnet, „das Rot aus den Roten abzulassen“. Als Rote galten alle links von den Einbläulingen, bei denen das Grün nicht überwog; in Zweifelsfällen wurden einfach beide Bestrafungsmaßnahmen angewendet.
Das offizielle Bösterreich hatte mit derlei Übergriffen selbstverständlich nichts zu tun. Obwohl Prassident H×fer sich sofort nach seinem Wahltriumph mittels einiger Änderungen der Verfassung mit nahezu uneingeschränkten Machtbefugnissen ausgestattet, seine Amts- auf Lebenszeit verlängert und sich symbolträchtig zur Ein-Prozent-Gesellschaft bekannt hatte, indem er 1 Prozent des BNP als sein Jahressalär als Prassident festlegte – mit einer festgesetzten Untergrenze von 3 Milliarden Euro –, obwohl er es also wirklich nicht mehr nötig hatte, anderen etwas vorzuspielen, distanzierte er sich in einer prassidialen Stellungnahme von den barbarischen Praktiken mit den Worten: „Gerechter Zorn gegen unser Gemeinwesen gefährdendes Abweichlertum ist das eine, doch Gründüngungen und Aderlässe schädigen unter Umständen, insofern es sich um einheimische Bösterreicher handelt, den gesunden Volkskörper in einer dem großen Ziel der Reinigung unseres Gemeinwesens abträglichen Weise. Entsprechenden Gerüchten, dass tatsächlich echtgebürtige, wenn auch gesinnungsmäßig abweichende Bösterreicher letztgültig zu Schaden kommen, ist auf das Genaueste nachzugehen. Sollten die angeblichen Ausübenden dieser Gewalttaten, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, tatsächlich die Verantwortung übernehmen, werden unverzüglich Umschulungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden, mit denen die fragliche Gemeinheit wieder zum starken Stamm unseres geliebten Gemeinwesens zurückgebracht wird. Solange es fremdländische, leicht verzichtbare bzw. unerwünschte Abweichler gibt, gibt es keinen Grund, den Nährboden unserer Volksgemeinschaft zu schwächen. Denn auch wenn der Pfad für Abweichler für immer verloren sein mag, besteht doch immer Hoffnung für ihre Abkömmlinge, durch rechtes Streben, eingebettet im sicheren Schoß gesinnungsfester