Wahnsinn Fensterputzen
Höchst fragwürdig ist bei der ganzen Sache die heuchlerische Irrationalität, die paradoxerweise alle diese so supervernünftig wirkenden Erlässe und Vorschriften und Regeln bestimmt. Ginge es nach einer realistischen Risikoeinschätzung, müssten natürlich die allergefährlichsten Umstände zuerst an die gesetzliche Kandare genommen werden: Autofahren, Sport und Haushalt. „Autofahren kann Sie und Ihre Angehörigen entnerven, verstümmeln oder töten.“ „Sport ist Mord.“ „Fensterputzen kann zu unkontrollierter vertikaler Abwärtsbewegung führen.“ „Sorgen Sie vor dem Besteigen einer Leiter für einen nach ÖNORM 123 vorschriftsmäßig gesicherten Sturzraum.“
Höhepunkt der paradoxen Irrationalität sind die sogenannten „iatrogenen Infektionen“: Die Krankenhausmedizin, Tempel der staatlich geregelten Gesundheitsvorsorge, ist fünfmal lebensgefährlicher als Autofahren. 5.000 Menschen, wird geschätzt, sterben jährlich in Österreich an ihrer Behandlung im Krankenhaus...
Das Leben lässt sich nicht regulieren; das Leben folgt seinen eigenen Gesetzen, die seit Milliarden von Jahren Bestand haben, Menschheit hin oder her. Technisierung und Zivilisierung haben uns von der Natur=dem Leben zunehmend entfremdet, und dieser Prozess wird heute in nie dagewesener Beschleunigung vorangetrieben. Zuerst gingen wir unserer Instinkte verlustig, dann des Vertrauens in unser eigenes Urteilsvermögen: Was nützt Intelligenz, wenn sie buchstäblich haltlos, entwurzelt, ist? Vielleicht sollten wir anfangen, wieder ans Überleben im wörtlichen Sinn zu denken: an die Grundlagen, an das, was wirklich von existenzieller Bedeutung ist. Anstatt uns weiterhin die Bürokraten-Version der Existenz aufs Aug' drücken zu lassen – oder uns in immer krassere Extremsituationen zu begeben, um überhaupt noch irgendetwas zu spüren oder die Masse von dem abzulenken, was wirklich zählt. Das könnte uns wieder die Augen für das ganz alltägliche Wunder des Daseins auf diesem Planeten öffnen, das wahrzunehmen das größte Abenteuer überhaupt ist.
Erschienen in der Zeitschrift „Wege“, Herbst 2011
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