Der Bürg mit dem Hundehalsband. Helmuth Santler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmuth Santler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783843500944
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      Michael: Selbst die Alte Donau wird zum Abenteuer, wenn man sich blöd genug anstellt. Meine Hoffnungen gelten der Heizung deines Autos.

      Manfred: (fährt sehr schnell) Wenigstens kann i amol so in Wien fahren, wie i's immer schon wollt. Ein echter Notfall.

       Von einer Nebenstraße kommend, taucht plötzlich ein Streifenwagen auf. Mit Sirene und Blaulicht verfolgen sie die beiden ein paar hundert Meter, überholen dann und drängen Manfreds Wagen an den rechten Straßenrand.

      1. Polizist: (Am Funk; seine Ottakringer(24) Herkunft ist nicht zu überhören) Turbo 1 an Zentrale. Mir ham zwa rasende Flitzer gestoppt. Werden einschreiten.

      Zentrale: Zentrale an Turbo 1. Wir halten den Kanal offen; ruaft's uns sofort, wenn's a Verstärkung braucht's.

       Der Beifahrer steigt aus und beginnt amtszuhandeln. Kaugummikauend deutet er Manfred, das Fenster zu öffnen.

      2. Polizist: Macht Ihnen des Spaß, nackert durch Wien zu rasen? Zagn's amol die Papiere!

      Manfred: Wir sind in der Alten Donau eingebrochen und haben das nasse Gewand im Kofferraum; die Papiere sind auch dabei.

      2. Polizist: So, so, einbroch'n samma. Des gibt eana no lang ned des Recht auf überhöhte Geschwindigkeit im Ortsgebiet. Siech i jetz bald an Ausweis oder ham's kan?

      Michael: Wollen Sie uns eine Lungenentzündung anhängen oder reicht eine Anzeige? Wir sind zu schnell gefahren, na gut. Es handelt sich schließlich um einen Notfall ...

      2. Polizist: Mit eana hat ka Mensch gred'. Waun's frech a no wearn, ziag ma andere Seit'n auf. An Ausweis, aber dalli! (Der Wichtigkeit seines Amtes voll bewusst, kaut er triumphierend auf seinem Gummi. Irgendwie schafft er es, gleichzeitig hämisch zu grinsen.)

      Manfred: (in dem der Zorn aufwallt) Geb's Sie amol ihr'n Kaugummi die frische Luft wieder. Laut Ministerialratsbeschluss ist das Kaugummikauen im Dienst verboten.

       Mittlerweile hat sich um das Auto eine Menschenansammlung gebildet. Zwischenrufe werden laut: "De Schwuchteln wear'n immer präpotenter. Verkehr im Verkehr, ha, ha, ha." "Da Kiebara soll se schleichn, bevur sie da erste in sei Gummiwuascht (25) valiabt."

      2. Polizist: (winkt seinem Kollegen, der hinzueilt) Kümmer di um de Leit, Walter. (Deutet auf das Innere des Wagens) Zwa Obaschlaue! Waßt wos der ma dazölln wü? A Ministerialratsbeschluss gegen's Kaugummikauen. Des packst ned!

      1. Polizist: Pass liaba auf, wos'd sogst! Den Beschluss gibt's wirklich. (Zur Menge gewandt, die dem Dialog mit hörbarem Vergnügen gefolgt ist) Weitergehen, weitergehen. Zerstreuen Sie sich!

      1. Passant: Wia soll i des mach'n? I bin eh scho so zerstreut.

      1. Polizist: (laut) Wer war des?

      2. Passant: A verirrter Verwirrter ...

      1. Polizist: (zieht seine Pistole und hält sie dem 2. Passanten vor die Brust) Sie hab'n den Kerl also gesichtet! Wer wars? I warn Sie: Es ist strafbar, eine Amtshandlung zu behindern.

      2. Passant: I hab niemanden g'sehn.

      1. Polizist: Des werma no klärn. (eilt zum Wagen zrück) I hol Verstärkung. (Nimmt das Funkgerät und tut es.)

      2. Polizist: (hat ebenfalls seine Waffe gezogen und zeigt mit ihr über Manfreds Wagen auf die Menge. Mit lauter Stimme) Keiner rührt sich von der Stelle! Alle die Ausweise bereithalten!

      Michael: Sie verlangen Unmögliches. Noch dazu mit Kaugummi.

      2. Polizist: (ins Wageninnere brüllend) WER HAT MIT IHNEN GRED'?

      Michael: Na Sie. Wir sind eine Teilmenge von allen.

      2. Polizist: (verschluckt den Kaugummi) Wos hom's g'sagt?

      Michael: Wir sind eine Teilmenge von allen.

      2. Polizist: (schreit) DES HAB I EH G'HÖRT. I WARN EANA ...

      Manfred: (zu Michael) Kennst du eine "Erna"?

       Michael versucht mit wenig Erfolg, einen Lachanfall zu verbeißen. In diesem Moment ertönt Sirenengeheul. In wenigen Sekunden wimmelt es von Polizisten – Streifenwagen, Alarmwagen bremsen sich quietschend ein, zig Beamte, zum Teil im Kampfanzug, schwärmen aus. Auch Hunde sind dabei und schlagen ohrenbetäubend an. Ein Offizier steht breitbeinig inmitten des Geschehens. In seiner Rechten hält er ein Megafon.

      Offizier: DAS GELÄNDE IST UMSTELLT. WIDERSTAND IST ZWECKLOS. LASSEN SIE IHRE WAFFEN FALLEN UND KOMMEN SIE MIT ERHOBENEN HÄNDEN HERAUS.

       Die Polizisten haben ihre Stellungen bezogen und verharren bewegungslos, die Waffen im Anschlag. Die Passanten blicken verdutzt auf den Offizier und brechen in Gelächter aus.

      Offizier: (zornbebend) RÄUMEN! RÄUMEN!

       Die Polizisten stürmen auf den verschreckten Haufen Menschen los. Gummiknüppel kommen zum Einsatz, Hunde verbeißen sich in Waden, Schüsse fallen. Wie Sandsäcke werden die Passanten zu den Einsatzwagen geschliffen und dort in Gewahrsam genommen. Die meisten Wagen rasen mit Blaulicht und Sirene vom Tatort. Übrig bleiben Turbo 1, der Wagen des Offiziers und Manfred und Michael, die mittlerweile vor Kälte zittern.

      Offizier: (geht auf den Wagen der beiden zu und schaut hinein) Guten Tag. Die Situation ist bereinigt. Wer sind Sie? Warum tragen Sie keine Kleidung?

      Manfred: Dr. Manfred Vogel. Mein Freund und ich sind beim Eislaufen auf der Alten Donau eingebrochen und haben die nassen Sachen in den Kofferraum geworfen, um eine Erkältung zu vermeiden.

      Michael: Mag. Michael Sattler. Wir bräuchten wirklich dringend eine heiße Dusche und einen kräftigen Punsch. (niest)

      Offizier: Natürlich, meine Herren. Die Polizei, dein Freund und Helfer. (winkt den 2. Polizisten heran, der sich eben einen neuen Kaugummi in den Mund schiebt) Sie eskortieren mir diesen Wagen bis vor die Haustür!

      Manfred: Skodagasse 9. Im Achten.

      Offizier: Skodagasse 9. Sie haben's gehört. Pronto, wenn ich bitten darf. Die beiden Herren holen sich den Tod, wenn sie nicht bald in eine warme Stube kommen. Und spucken's ja den Kaugummi wieder aus!

      2. Polizist: (verschluckt den Kaugummi) Ääh ... aber ... die zwei Flitzer sind viel zu schnell gefahren und ...

      Offizier: Das sind keine Flitzer, sondern ehrbare Bürger! Akademiker! Keine Diskussionen! Los!

      2. Polizist: Zu Befehl, Herr Major! (verstört eilt er zum Streifenwagen und steigt am Beifahrersitz ein. Sein Kollege sitzt bereits am Steuer.)

      Offizier: Das wär's. Gute Fahrt, meine Herren.

      Beide: Danke.

       Der Streifenwagen fährt an; Blaulicht und Sirene sind eingeschaltet. In halsbrecherischem Tempo biegt er um die erste Ecke. Manfred folgt dichtauf. Am Ziel angekommen, behindert der Polizeiwagen ein Auto, das eben einen günstig gelegenen Parkplatz belegen möchte, sodass Manfred und Michael fast direkt vor der Haustüre parken können. Die ältere Frau in dem anderen Wagen, die sich diese Behandlung nicht so ohne Weiteres gefallen lassen möchte, wird für die beiden verärgerten Beamten zum willkommenen Sündenbock. Während die zwei Uniformierten wieder einmal amtshandeln, hüpfen die frierenden Akademiker in größter Hektik aus und um das Auto, bepacken sich mit ihren Sachen aus dem Kofferraum und laufen so beladen, barfuß und in Unterhosen, über die Straße ins Haus. Ein Sandler, der die ganze Szene interessiert verfolgt hat, schüttelt sich ein wenig, weil ihn der Anblick der nackten Männer frieren lässt; andererseits ein willkommener Anlass, sich mit einem kräftigen Schluck aus seiner Schnapsflasche ein wenig aufzuwärmen. Das Haustor fällt hinter Manfred und Michael ins Schloss.

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