Mysterium fidei. Lothar Lies. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lothar Lies
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429060329
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historische Stiftung tatsächlich nachweisen kann, ja, ob sie fähig ist, uns die ursprüngliche Gestalt des Abendmahles zu zeigen. G. Delling meint in seinem TRE I177 gelieferten Beitrag: Wenn man auch nicht eine Urgestalt des Abendmahles ermitteln könne, so schließe dies doch nicht aus, »daß man von Übereinstimmungen bzw. Entsprechungen her gemeinsame Aussagen erhebt, die auf ein erkennbares ursprüngliches Geschehen und ein Grundverständnis des Abendmahls«178 schließen lassen. Leider entwickelt der Artikel keine theologische Formalgestalt, sondern fügt nur materiale theologische Aussagen aneinander.

      Auch G. Kretschmar179 gelingt es in seinem liturgiegeschichtlichen Beitrag nicht, eine Grundgestalt zu liefern; er bringt aber viele Einzelaspekte herbei, die nicht übersehen werden dürfen und die Verbindung von Abendmahl und Passaliturgie verdeutlichen.

      Zwei neuere Arbeiten sind hier besonders zu konsultieren: einmal die mit wissenschaftlicher Akribie und Umsicht erstellte Studie von H. Patsch180 und zum anderen die mehr popularisierende, aber für unsere Frage nicht weniger wertvolle Veröffentlichung von R. Pesch181. – Wenn uns auch Patsch die Gründe aufzeigt, warum der Exeget nicht die exaktere Rekonstruktion des historischen Abendmahles liefern kann, so zeitigt seine Arbeit doch Ergebnisse, die für die Frage des Systematikers nach der Grund- und Sinngestalt der Eucharistie entscheidend sind. Der konkrete Rahmen war ein Passamahl. Das Abendmahl Jesu und das der Urkirche erhalten mit all ihren spezifischen jesuanischen und nachösterlich christologischen Momenten vom Passamahl ihre äußere Sinnfigur.

      Gleichsam den Motiven des Lebens Jesu nachgehend, gelingt es Patsch, diese Figur (eschatologischer Ausblick, Bundesmotiv der universellen stellvertretenden Sühne etc.) in den liturgischen Einsetzungsberichten wiederzufinden, besonders aber in den diese Motive analog beinhaltenden liturgischen Deuteworten: »Während also das Brotwort das Ich Jesu in seiner Ganzheit als sakramentale Gabe umschreibt, ist im Becherwort diese Ganzheit näher als eine bekundet, die stellvertretend für die Völkerwelt die Handlung des Sterbens vollzieht.«182 Damit erhält das Abendmahl zwei jesuanische Motive, die sakramental eingefangen sind und weder als Motive noch in ihrer sakramentalen »Verdichtung« aus dem jüdischen oder hellenistischen Kulturkreis abgeleitet werden können: »Das Abendmahl ist das Problem des Lebens Jesu« (Schweitzer).

      Die ausgezeichnete Arbeit von Patsch macht es also dem Systematiker zur Aufgabe, die theologische Sinngestalt des Abendmahles und der Eucharistie an der Gestalt Christi zu verifizieren183.

      Was wir schon bei den systematischen Ansätzen gefragt haben, läßt sich auch hier fragen: Gibt es eine formale Sinngestalt, die die Eucharistie und die Person Christi gleichermaßen einfängt und einander zuordnet? Hier könnte die Arbeit von R. Pesch weiterhelfen, bringt sie doch das Abendmahl Jesu positiv mit dem Passamahl zusammen, so daß sich vielleicht aus der Sinngestalt des Passamahles, in das hinein Jesus sich selbst als neues Bundesvermächtnis gibt, zugleich die Sinnstruktur gefunden werden könnte, die nicht nur Passa, Abendmahl und Eucharistie, sondern auch Christus umgreift. Pesch geht ausdrücklich der Frage: »Wie Jesus das Abendmahl hielt. Der Grund der Eucharistie«184 bibeltheologisch nach. Seine Ergebnisse sollen daher ausführlich referiert werden. Mit der Frage nach dem Wie und nach dem Grund der Eucharistie trifft er unser eigenes Anliegen. Suchen wir doch nach der Grund- und Sinngestalt der Eucharistie im Abendmahl. Via exclusionis tastet sich Pesch an die älteste Überlieferungsschicht des NT heran185. Er siedelt das Abendmahl innerhalb des Passamahlrahmens an. Diesen Rahmen beschreibt er: 1. Weihespruch des Hausvaters über den ersten Becher (Kidduschbecher) und anschließende Vorspeise = Grünkräuter, Bitterkräuter, Fruchtmustunke; 2. Passaliturgie und Passahaggada als Festerzählung durch den Hausvater = Erinnerung an die Befreiung Israels aus Ägypten. Trinken des zweiten Bechers; 3. Tischgebet (Lobspruch über das Brot) und Hauptmahlzeit186.

      »Die Besonderheiten, welche die Passionsgeschichte vom Paschamahl Jesu mit den Zwölfen festhält und deutet, beziehen sich alle auf Jesu kommenden Tod, seine Gefährdung, seine (unbestimmte) Vorhersage, seine Auslieferung durch einen der Zwölf … und auf die Deutung, die Jesus seinem Tod im voraus gibt, selbst.«187 Den Fortschritt von der Vorspeise zum Hauptgang markiert das neuerliche: »und als sie aßen« (Mk 14, 22). Dabei richtete sich der Hausvater auf, sprach den Segen, den Lobspruch: »Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der Brot aus der Erde hervorgehen läßt«, dem das zustimmende Amen der Teilnehmer folgte. Deutungen der Mahlelemente gehören zur Passaliturgie188. Mit dem Deutewort »Das ist mein Leib« sagt Jesus: Das bin ich selbst189.

      Für unsere Frage nach der Grund- und Sinngestalt der Eucharistie sind nun die folgenden Ausführungen wichtig: »Auf die richtige Spur werden wir geführt, wenn wir beachten, daß Jesus mit dem ausgeteilten Brot Segensgemeinschaft vermittelt; gemeinsames Essen konstituiert Gemeinschaft. Gibt Jesus nun den Jüngern Brot zu essen, das er als sich selbst deutet, so vermittelt er Gemeinschaft mit sich selbst. Er interpretiert sich als Quelle von Segen und Heil, als Heilsmittler. Er setzt die besondere Bedeutung seiner Person voraus, wenn er sagt: ›Dies ist mein Leib.‹ Die Jünger konnten verstehen: Dies bin ich, der Messias, der Christus. Das Deutewort zum Brot macht das Mahl zum messianischen Mahl. Das Deutewort zum Becher setzt die Brotdeutung voraus. Jesus spricht vom Sühnetod des Messias.«190 Pesch fährt fort: »Die Qualität der Gemeinschaft, die Jesus stiftet, kommt mit der Todesdeutung des Becherwortes erst ganz zum Vorschein: es ist die Gemeinschaft, die Gott aufgrund des Sühnetodes des Messias anbietet.«191

      »Am Schluß des Paschamahls, bevor der zweite Teil des Paschahallels (Psalmen 114 oder 115 bis 118) gesungen wird (vgl. Mk 14, 26), wird über dem dritten Becher Wein das Dankgebet gesprochen. Darin ist ein Gebet enthalten, das Gott um das Gedenken des Messias anfleht: ›Unser Gott und Gott unserer Väter, es steige auf, komme, erreiche, werde gesehen, gefalle, werde gehört, bedacht und gedacht das Gedenken an uns, das Bedenken unserer Lage und das Gedenken an unsere Väter und das Gedenken an den Messias, den Sohn Davids, deines Knechtes, und das Gedenken an Jerusalem, deine heilige Stadt, und das Gedenken an dein ganzes Volk, das Haus Israel, vor dir – zur Rettung und zum Guten …‹ Der Hausvater erhebt zur Benediktion den ›Segensbecher‹ um eine Handbreit über den Tisch; Jesus knüpft hieran eine zweite besondere Mahlhandlung an. Er gibt den Becher, wie die Notiz ›und sie tranken aus ihm alle‹ (Vers 23 b) deutlich macht, ohne selbst zu trinken (wie er vom auf sich selbst gedeuteten Brot schon nicht mitaß), den Zwölfen zu trinken und deutet den Wein: ›Dies ist mein Blut des Bundes, das ausgegossen wird für viele‹ … Mit der Wendung ›mein Blut‹ gibt Jesus zu verstehen, daß jetzt Gott durch seinen Tod, den Tod des Messias, Sühne schaffen wird.«192 Dabei weist »ausgießen« auf eine gewaltsame Todesart Jesu hin, der dennoch Sühnetod für die vielen = für alle, bedeutet (mit Hinweis auf Jes 53, 5. 10. 11. 12) und den »Neuen Bund« begründet, als dessen Mittler sich Jesus deutet193. Mk 14, 25 (Verzichtserklärung und eschatologischer Ausblick) sind Ausdruck prophetischer Gewißheit des Todes und der zukünftigen Auferstehung. »Von der Heilsvoraussage fällt nun noch einmal Licht auf seine Abendmahlshandlung. Jesu Jünger werden durch Jesu besondere Gaben beim Paschamahl, das Brot und den Wein, die Jesus deutet, schon vorweg zu Teilhabern am messianischen Festmahl gemacht. Jesus, der Messias, hat ihnen Gemeinschaft mit sich selbst, Gemeinschaft mit Gott, im neuen Bund geschenkt, den Gott auf Grund des Sühnetodes seines Gesalbten, seines Sohnes in Kraft setzt. Die Urkirche feiert nach Ostern ihre Gemeinschaft mit Gott und seinem Messias im Gedenken an Jesus folgerichtig im messianischen Jubel: ›Sie empfingen die Speise im Jubel‹ (Apg2,46).«194

      Für Pesch gilt: »Die christliche Abendmahlsfeier besteht in der Wiederholung der besonderen Mahlgesten und der Deuteworte Jesu, mit denen er beim Paschamahl vor seinem Tod seinen Tod deutete und seinen Jüngern seine messianische Heilsgemeinschaft und die Gemeinschaft des durch seinen Sühnetod von Gott gestifteten neuen Bundes vermittelte. In den symbolischen Gaben von Brot und Wein gab Jesus sich selbst über seinen Tod hinaus den Jüngern als Heilsgrund ihrer Gemeinschaft zu eigen. In der Wiederholung seiner Mahlgesten und seiner deutenden Worte beim Gemeinschaftsmahl, das nicht mehr an das einmalige Paschamahl gebunden bleibt, gedenkt die Gemeinde Jesu in dankbarem Lobpreis Gottes, der Jesus auferweckte, zu seiner Rechten thronen ließ und zum Herrn der Gemeinde machte; sie empfängt die eucharistische Speise in messianischem