Mysterium fidei. Lothar Lies. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lothar Lies
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429060329
Скачать книгу

      Auer muß also den Sinn des Zeichens – daß es sakramental ist, weiß er schon – aus dem »geschichtlichen und sachlichen Ort…, der uns in der Verheißungsrede (sc. Joh 6) und in den Einsetzungsworten gegeben ist«, ermitteln, um »dann aber auch ihr spezifisches Erscheinungsbild (sc. Materie und Form der Tradition) und schließlich ihren einmaligen Zeichensinn zu verstehen, der hier die besondere Weise der Gegenwärtigkeit Christi und seines Erlösungswerkes in diesem eucharistischen Geheimnis zum Heile der Menschen meint«86.

      Wenn für Auer das Zeichen für Eucharistie nicht primär aus dem zu entnehmen ist, was wir heute bei unserer Eucharistiefeier sehen, läßt sich dies auch für das behaupten, was die Kirchenväter und die Tradition gesehen und symbolisch-allegorisch gedeutet haben. Wer so argumentiert, dem stellt sich nun nicht nur die Frage nach der sinnordnenden Grundgestalt des geschichtlichen Abendmahles, sondern sogar die nach deren Gültigkeit, denn auch die Kirchenväter mußten ihre theologischen Aussagen über die Eucharistie ausweisen. Auer denkt also entgegen seinem Anliegen gänzlich ungeschichtlich.

      Die Frage nach einer Formalgestalt der Eucharistie, die schon bei der Diskussion des Abendmahls als Passamahl aufscheinen konnte und eine Sinn-Zuordnung von Kreuz Christi, Mahl, Passa ermöglichen würde und die logisch vorgängig den Sinn der zeichenhaften Abendmahlsfeier ordnen würde, kommt ihm nicht in den Sinn. Eine solche Frage hätte der Überfrachtung des Sakramentsgedankens gewehrt. Vor allem aber hätte sie es ermöglicht, den geschichtlichen Prozeß der Eucharistieentwicklung theologisch zu überprüfen. Wenn wir es mit unserer eigenen Unterscheidung von Formal- und Materialgestalt charakterisieren dürfen, so müssen wir sagen: Auer vermischt die theologische Material- und Formalgestalt.

      b) Johannes Betz

      Betz87 faßt den Ansatz seiner neuesten Eucharistiedarstellung so zusammen: »Wesen und Wirklichkeit der Eucharistie gründen in der ›Stiftung‹ Jesu, wie sie vom Neuen Testament verkündet wird. Die nachfolgende Liturgie und Theologie der Kirche versteht sich im Grund nur als Entfaltung der neutestamentlichen Grundaussagen.«88 Um diesen Ansatz in den Griff zu bekommen, muß Betz diese neutestamentlichen Grundaussagen ermitteln (Neutestamentliche Einsetzungsberichte und deren Sinnerschließung, übriges NT)89 und sie möglichst nahe an das historische Stiftungsereignis heranführen. Für Betz ist dieser Ansatz nicht eine Synthese gedanklich zusammengefaßter theologischer Aussagen, sondern vor allem ein Geschehen, das seinen theologischen Sinn als solches offenbart: »Jesu letztes Abendmahl ist als sein Selbstvermächtnis in Gestalt eines Mahles letztlich ein Phänomen sui generis.«90 Das Geschehen offenbart den Sinn des Abendmahles und schließt bei genauerem Betrachten die Grundelemente »Selbstvermächtnis«, d. h. »Gegenwart Christi und Opfer an Gott und die Menschen in Mahlgestalt« ein. Die Gestalt des Geschehens fügt sich aus Wortgeschehen, Mahlhandlung und Speise zusammen. Dabei bezieht Betz den handelnden und sprechenden Jesus ein und kann dessen Identifikation mit den Gaben verdeutlichen91. Während bei Auer eine dogmatische Prämisse zur Realpräsenz führte, folgt die Realpräsenz bei Betz aus dem Abendmahlsgeschehen und verweist auf es zurück. Damit kann Betz die übrigen Eucharistieaussagen des NT den einzelnen Gestaltelementen des Abendmahls bzw. der Liturgie neutestamentlicher Zeit zuordnen, ohne das Geschehen verlassen zu müssen92.

      Nach einem dogmengeschichtlichen Überblick93 kommt er zur »systematischen Einsichtnahme«94. Dieser Ausdruck ist sehr glücklich gewählt, da der Begriff Einsichtnahme ein systematisches Sehen und Betrachten und nicht ein eigenmächtiges denkerisches Gestalten nahelegt. Daher kann für Betz ein »Wesensbegriff« von Eucharistie »nur deren Charakter als Testamentum, Vermächtnis, Stiftung des Herrn sein, wie ihn die neutestamentlichen Einsetzungsberichte bezeugen. Dem entspricht als Grundakt des Menschen das Hören, Entgegennehmen, gehorsame Tun. So sieht sich die Dogmatik bei ihrer Erklärung immer auch auf den Vollzug des Testaments und die dabei gemachten Glaubenserfahrungen verwiesen.«95 Wenn wir dies vereinfachend und verdeutlichend ausdrücken, so versteht Betz methodisch gesehen die Entfaltung seines Ansatzes als systematisierte (Dogmatik) Anamnese (Tradition) der Anamnese (Stiftungsbefehl) des Abendmahlsgeschehens, wobei die Stiftung norma normans bleibt; trotz des »hermeneutischen Zirkels«, der auch solche Entgegennahme bestimmt, ja bestimmen muß, gilt dennoch: »Oberste Norm bleibt der Stiftungswille Jesu. Maßgebend sind nicht die Anschauungen eines einzelnen Individuums und hieße es Augustinus, auch nicht das Lebensgefühl einer einzelnen Generation, und fühlte sie sich noch so reformfreudig wie die unsrige, auch nicht die philosophischen und weltbildhaften Vorstellungen einer Epoche … Das Abendmahl ist nach der Schrift die restlose Selbstschenkung Jesu an den Vater und an die Menschen, das Selbstvermächtnis und damit die bleibende Gegenwart seiner Person und seines Werkes, des einen Heilsereignisses Jesus Christus. Es stellt eine analogielose Konzentration des Heiles in seiner Person dar. Darum ist umgekehrt die Christologie der nächste Verstehenshorizont für die Eucharistie.«96 Dabei ist natürlich mit einer »eucharistischen Brechung« der Christologie zu rechnen. Dennoch »bietet die Christologie den Hintergrund, vor dem die Konturen des Sakraments klarer erscheinen«97.

      Das Abendmahlsgeschehen der Kirche ist daher von Christus her zu entwickeln. »Er allein ist nicht nur der historische Stifter, sondern der dauernde Urheber jeden Vollzugs, da er allein die Verfügungsgewalt über sich (sc. Eucharistie als Hingabegeschehen Christi an Gott und an die Menschen) behält. Die Kirche kann nur in seiner Kraft und in seinem Namen handeln. Er bleibt bei den Seinen gegenwärtig als Urheber und als Inhalt seines Testaments, als Opfersubjekt und Opfergabe. Mithin ist der Begriff Gegenwart geeignet, die ganze Wirklichkeitsfülle des Sakraments zu entfalten.«98 Dabei versteht Betz die Gegenwart nicht nur im Sinne des lokalen Anwesendseins, sondern im Sinne von Begegnung.

      Obgleich für ihn das vornehmliche Moment der Eucharistie die Gegenwart Christi ist, verliert er doch nicht das Geschehen aus den Augen; daher gliedert Betz »Gegenwart« in drei Aspekte auf: »1. die personale, pneumatische Wirkgegenwart (Aktualpräsenz) des erhöhten Christus als principalis agens im Sakramentsvollzug (die prinzipale Aktualpräsenz); 2. die anamnetische Gegenwart seines einmaligen Heilswerkes (anamnetische, memoriale Aktualpräsenz); 3. die substantiale Gegenwart der leibhaftigen Person Christi unter den Gestalten von Brot und Wein, in der Schultheologie einfachhin als Realpräsenz bezeichnet … Alle drei Gegenwartsweisen sind pneumatisch und sind real, nicht nur gedacht. Während aber die Schultradition die an dritter Stelle genannte somatische einfachhin als Realpräsenz bezeichnet, sprechen neuerdings Autoren von der unter 1. genannten Aktualpräsenz als von Realpräsenz. Diese Sprechweise ist in sich nicht unmöglich, da jene Aktualpräsenz real ist. Die Sprechweise darf aber, will sie den Verdacht einer tendenzhaften Um-Interpretation vermeiden, den Unterschied zwischen den Gegenwartsweisen nicht verdecken, sondern sollte ihn aufdecken. Weil die substantielle somatische Gegenwart Christi unter den Gestalten das Proprium der Eucharistie ausmacht, können wir sie mit der Tradition als ›die‹ Realpräsenz fassen.99

      Auch diese Aussagen lassen erkennen, daß alle theologischen Momente der Eucharistielehre in einem dynamischen Geschehenszusammenhang stehen. So besagt »die Aktualpräsenz Christi nicht nur den historischen, sondern den bleibenden Ursprung unseres Heils in Christus. Dieser ist in allem Tun der Kirche gegenwärtig, besonders dem sakramentalen. Das hat die Eucharistie mit den anderen Sakramenten gemeinsam. Sie hat aber noch ein Proprium: In ihr wird das Selbstopfer Christi mitsamt der Opfergabe auf eine selbst opferhafte Weise gegenwärtig. Gegenwärtig wird Christus als Opfersubjekt, also als Opfer- und Hoherpriester, aber auch als Opfergabe …«100 Die prinzipale Aktualpräsenz des himmlischen Hohenpriesters Christus besagt nicht Untätigkeit: Er handelt durch den Heiligen Geist in den Christen und in besonderer Weise im Priester, entfaltet so sein einstiges Heilswerk. Denn in letzterem hat er sich restlos und radikal ausgesagt und ausgegeben, das Heil ein für allemal erworben. Und so kann denn die Folgezeit nur Entfaltung der einen Heilstat bzw. die Einbeziehung der Menschen in diese sein. Wo nun die Schrift die Eigenart und Fülle der Erlösungstat Jesu knapp mit einem einzigen Wort anzeigen will, spricht sie von ihr als Opfer.«101

      Daher kommt es Betz darauf an, die Dimensionen des Opfers Christi darzustellen als Ausdruck des Hingabewillens Christi an Gott und Mensch (= Sühn-, Lob- und Dankopfer). Für das Mahlgeschehen