»Erst –«, begann ich und verlor den Faden. Seine Hand war so warm. Sein Smile so verheißungsvoll. Ich schloss die Augen, versuchte es erneut. »Erst einmal solltest du dafür sorgen, dass die dort oben dich nicht bemerken. Sonst bleiben wir nicht lange ungestört.«
»Wenn es weiter nichts ist. Ich versichere dir, kein Mensch schaut zu uns herunter.« Er rückte noch näher. »Wie können wir einander helfen, Hexlein? Was denkst du?«
Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen, seine Hand an meinem Bauch. Sie wanderte tiefer.
»Du … bist ein Incubus«, sagte ich dämlich.
»Was du nicht sagst.« Ein leises Lachen.
Wie warm seine Hand wohl erst wäre, wenn kein Stoff mehr zwischen seiner Haut und meiner lag?
Jetzt bloß nicht schwach werden!
Mühsam rief ich mir das Bild meines Erwählten vor Augen. Konzentrierte mich auf seinen freundlichen Blick, die weichen Linien seines Körpers, die Hände, von denen ich mir so viel geschickte Zärtlichkeit versprach. Sie waren vielleicht weniger verführerisch, doch sie waren echt.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und sah den Incubus an. »Du stehst doch für die Begierde. Für Lust und Leidenschaft.«
»So sagt man.«
»Dann hilf mir, zu meinem Geliebten zu gelangen!«
»Wozu brauchst du den noch, jetzt, da du mich hast?«
Sein Kuss auf meiner Wange war überraschend zart. Ein Hauch, der den schweren Weihrauch vertrieb und mir kribbelnde Gänsehaut vom Kinn bis zum Ohr jagte.
»Ich brauche ihn nicht, ich will ihn«, sagte ich mit aller Entschlossenheit, die ich noch aufbringen konnte. »Ich habe ihn gewählt.«
»Du ahnst ja gar nicht, was du verpasst.« Seine Hand drängte tiefer, und ich war dem dicken Mantelstoff zugleich dankbar und böse, hielt er den Incubus doch davon ab, mich weiter zu erkunden.
Ich kniff die Augen zusammen, sammelte mich, atmete ein und aus. Dann schaute ich wieder auf. »Das wird mein erstes Mal sein und ich möchte es mit einem Menschen verbringen.«
»Mit einem Menschen? Wie langweilig.« Der Dämon schob mich rücklings gegen die Wand. Mit der freien Hand streichelte er meine Wange.
»Ich … ich will es so«, hauchte ich wenig überzeugend.
»Und ich will dich.« Mit sanfter Gewalt bog er meinen Kopf zur Seite, küsste meinen Hals.
Eines war klar: Wenn ich ihn so weitermachen ließ, würde ich verlieren. Erst diese Diskussion und dann mich in seiner Berührung.
Ich hatte nichts mehr. Kein Smartphone, keinen Wünsche-Flyer und wenn das so weiterging, auch bald keinen Mantel mehr. Nur noch mein Succubussmile.
Was blieb mir also sonst? Nur die Flucht nach vorn.
Ich hob meine Hände an seine Wangen und zog seinen Kopf zurück, sanft, vorsichtig. Dann lächelte ich ihn an.
»Hab ich dich überzeugt?«, fragte er mit wölfischem Grinsen.
»Davon, dass du interessante Gesellschaft sein kannst? Durchaus. Ich aber auch.« Ich streckte mich hoch und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. »Wenn ich es will.«
»Du willst. Ich kann dein Verlangen spüren.«
Ich ließ meine Hände seinen Nacken entlang gleiten, strich über seine Schultern, knetete sie ohne übertriebene Vorsicht und konnte nur hoffen, mich dabei nicht allzu clumsy anzustellen. »Du spürst mein Verlangen, aber es ist das Verlangen nach einem anderen Mann.«
Er bleckte die Zähne, tarnte es hinter einem neuerlichen Grinsen. »Das kann ich ändern.«
»Vielleicht.« Ich tastete mich weiter. Die festen Brustmuskeln hinab zu seinem nackten Bauch. »Doch du weißt gewiss besser als jeder andere, wie mächtig eine unerfüllte Sehnsucht ist. Hieltest du mich hier, ich wäre dir ausgeliefert. Aber sobald ich aus diesem Loch herauskäme, würde ich all meine Zauberkraft einsetzen, um meinen Erwählten zu bekommen. Keine Zeit, um mit Dämonen zu spielen.« Jetzt war ich es, die ihre Hand tiefer gleiten ließ.
Das Feuer in seinen Augen loderte gefährlich. »Du nimmst dir einiges heraus, Hexe.«
»Ich bin verliebt.«
»Du begehrst. Das ist etwas völlig anderes.«
»Davon weiß ich noch nichts. Lass es mich herausfinden! Heb mich nach oben! Dafür rufe ich dich, wenn es mich nach dir verlangt, nicht nach einem anderen.«
Er lehnte sich näher, presste seinen Körper gegen meine Hand, atmete meinen Atem ein. »Ist das ein Versprechen?« Ich spürte seine Worte auf meinen Lippen.
Und auch wenn ich Angst hatte, darin zu verbrennen, hielt ich seinen Blick. »Das ist es. Hilf mir jetzt und wir werden uns wiedersehen, Incubus. Wenn ich meine Erfahrungen gemacht habe. Wenn ich bereit bin.«
»Daran werde ich dich gern erinnern.«
»Tu das. Aber hilf mir! Jetzt!«
Endlich rückte er von mir ab. Ich stieß mich von der Wand ab, straffte die Schultern und gab mir alle Mühe, nicht zu zeigen, wie sehr ich die plötzliche Distanz bedauerte. Es war zu kühl. Die Weihrauchluft schwer und zeratmet.
»Komm!« Er hielt mir die gefalteten Hände hin.
Ich trat darauf, fasste ihn bei den starken Schultern, hielt mich fest, während er mich in die Höhe stemmte. Dann griff ich nach dem Rand des Lochs und zog mich herauf.
Die drei Männer, die dort gerade an der Spendenschlange warteten, sahen mich entsetzt an. Sie redeten aufgeregt durcheinander. Einer lief sogar in die Cathedral, ohne zuvor gespendet zu haben. Gewiss rief er den Pfarrer.
Zeit zu verschwinden.
Vorher griff ich allerdings noch einmal in meine Manteltasche, kratzte nach den letzten Salzkörnern darin.
»Danke!«, flüsterte ich und war mir doch sicher, dass der Incubus jedes Wort verstand. »Wir sehen uns wieder.« Mit einer flinken Bewegung und zielgerichteten Gedanken streute ich das Salz um die Öffnung, verhinderte so, dass er mir folgen konnte. »Wir sehen uns wieder, sobald ich es wünsche.«
Der Dämon bleckte die Zähne zu einem Grinsen.
Ich wandte mich um, schlug die Kapuze über das Haar und verschwand in der Menge. Zu meinem Erwählten. Um herauszufinden, was ich bisher versäumt hatte. Vielleicht würde mehr daraus werden als ein paar geborgte Stunden. Eine Beziehung im Verborgenen womöglich. Liebe. Vielleicht auch nicht. Wer wusste das schon?
Nur eins war sicher: Irgendwann würde ich den Incubus zu mir rufen. Würde mich ihm hingeben und empfangen, was ich heute ausgeschlagen hatte. Nicht weil ich ihn jetzt schon vermisste, Unsinn. Aber was soll ich sagen? Eine Hexe hält nun einmal ihr Wort.
Interview mit einem Sukkubus
Anna Kügler-Stietenroth
A
zareas Schicht ist bislang ziemlich langweilig. Sie sitzt an ihrem Arbeitsplatz, die klauenbewehrten Füße auf die Tischplatte gelegt, und feilt sich die Nägel, als der Vorarbeiter ihr zuruft: »Wir brauchen einen Sukkubus an Portal drei!«
Na toll. Azarea legt die Nagelfeile weg und steht eher widerwillig auf. Und das kurz vor Feierabend! Auf dem Weg lässt sie ihr schwarzes Schuppenkleid verschwinden. Statt einer Dämonin mit Krallen und langem Schwanz schreitet eine schwarzhaarige Frau auf das Portal zu, die gewisse Männer wohl als üppig bezeichnen würden. Nur die Flügel bleiben. Mit einem tief ausgeschnittenen Kleid,