African Queen. Irena Böttcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irena Böttcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783944145860
Скачать книгу
ein Urteil über Sie gefällt hat. Ich kann Ihnen nur raten, machen Sie gute Miene zum bösen Spiel, sonst wird alles nur noch schlimmer.«

      »Von diesen schwarzen Kaffern«, zischte Miß Longherd, »wird niemand mich anfassen, und es wird auch niemand über mich zu Gericht sitzen! Es ist empörend, wie …«

      »Sie haben gut reden!« fiel Dellingham ihr wütend ins Wort. »Ihnen haben wir den ganzen Schlamassel doch zu verdanken! Meinetwegen schlagen Sie Ihre Hausangestellten, wenn Sie sich denn gar nicht beherrschen können – aber doch keine Wilden, die sich ihren Stamm zu Hilfe holen und Rache fordern können!«

      »Ich bin der Meinung«, meldete sich nun Robert Liaud zu Wort, »man hat kein Recht, uns hier festzuhalten. Ich habe mit Hegel vereinbart, daß er so schnell wie möglich die nächste französische Gesandtschaft informiert, damit man uns hier herausholt.«

      Deshalb also war Hegel so leicht bereit gewesen nachzugeben, dachte Robertson erschrocken – er hatte keineswegs eingesehen, daß man sich in Afrika nun einmal den afrikanischen Stammesregeln unterwerfen muß, sondern seine Entschuldigung war allein Teil eines Befreiungsplans.

      Eine Art Verachtung für seine zivilisierten europäischen Genossen stieg in ihm auf. Sie glaubten, überall ungestraft ihren eigenen Wünschen folgen zu dürfen, ohne jede Rücksicht auf das, was sie dadurch anrichteten. Und obwohl sie den Obrigkeitsanspruch ihres eigenen Staates bedingungslos anerkannten, setzten sie sich ohne Nachdenken über jede andere Instanz hinweg. Weder löste die pure Übermacht der Schwarzen ein wenn vielleicht nur rein taktisch bestimmtes Nachgeben aus, noch war da gar auch nur der Schimmer einer Einsicht, daß in fremden Ländern nun einmal fremde Sitten herrschen, denen man sich zu fügen hatte. Sie nahmen ihre Überlegenheit in allen Punkten als gegeben hin und handelten entsprechend.

      Einen Augenblick lang überkam ihn das unangenehme Gefühl, wie ähnlich er reagiert hatte; er hatte die Tatsache der Herrschaft der Frauen in diesem Stamm ebenso überheblich als unnatürlich abgetan wie seine Gefährten das Bestrafungsrecht der Schwarzen. Doch jetzt war nicht die Zeit, solchen Überlegungen nachzugehen.

      »Messieurs Liaud«, begann er einen erneuten Appell an die Vernunft, »gerade wenn Sie mit Ihrer baldigen Befreiung rechnen, ist es doch um so angebrachter, wenn Sie sich die verbleibende Zeit so leicht wie möglich machen. Je mehr Sie sich widersetzen, desto unangenehmer wird alles für Sie.«

      »Wir können ohnehin froh sein«, warf Dellingham ein, »daß wir es hier ganz offensichtlich mit Wesen zu tun haben, die eine enorme Geduld beweisen; so unzivilisiert sie auch sein mögen. In anderen Stämmen wären wir längst im Kochtopf gelandet und man hätte sich nicht einmal die Mühe einer vorherigen Beratung gemacht.«

      Erschrocken zog Robert Liaud die Luft ein, wandte sich dann an seinen Bruder. »Ich glaube, Monsieur Robertson hat Recht. Tun wir einfach so, als ob wir nachgeben – und hoffen, man wird uns sehr schnell suchen. Und finden.«

      Dellingham nickte. »Das sehe ich ebenso. Sie, Miß Longherd, können es ja meinetwegen gerne auf eine körperliche Auseinandersetzung ankommen lassen – ich hoffe nur, ich darf dabei zusehen.« Entschlossen stieg er über das Geländer, und ging mit erhobenen Händen auf Adetokumbo zu, auf deren raschen Befehl hin mehrere Frauen ihn umringten und in eine Hütte brachten.

      Zögernd folgten die Brüder Liaud seinem Beispiel.

      Miß Longherd blieb zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. »Was für minderbemittelte, feige Jammergestalten!« grollte sie. »Und dann sind sie nicht einmal konsequent. Wenn es ihnen schon so egal ist, ob sie sich derart empörenden Gebräuchen beugen, hätten sie sich ebenso gut gleich entschuldigen können und hätten nun alles hinter sich.«

      So unlieb ihm das auch war – in diesem Punkt mußte er Miß Longherd recht geben.

      »Sagen Sie, Robertson«, fragte sie nun lauernd, »ist es richtig, in diesem Stamm geben die Frauen die Befehle?«

      Robertson nickte. »Das müßte Ihnen doch eigentlich liegen«, konnte er sich nicht enthalten zu bemerken.

      »Führen Sie mich zu dieser scheußlich bemalten Wilden«, forderte Miß Longherd ihn auf, »der alle anderen an den Lippen hängen. Ich will selbst mit ihr verhandeln – sozusagen von Frau zu Frau. Ich bin sicher, ohne das Dazwischentreten irgendwelcher zwischen den Beinen behängter Laffen, ob nun mit oder ohne Knochen daran, werden wir sehr schnell zu einer Lösung kommen.«

      Was auch immer während der letzten Augenblicke in ihrem Kopf vorgegangen war – ganz offensichtlich hatte sie sich entschlossen, auf ihre ganz eigene Art einzulenken, statt es wirklich auf einen Kampf ankommen zu lassen.

      Ihm konnte das nur lieb sein.

       6

      GANZ OHNE ZWISCHEN DEN BEINEN BEHÄNGTE LAFFEN FAND DAS GESPRÄCH ALLERDINGS DOCH NICHT STATT.

      In Adetokumbos Hütte, die zwar nicht die größte in der Runde war, aber doch wenigstens mit sehr viel mehr Luxus ausgestattet als die weitgehend kahle, in der er aus seiner Ohnmacht erwacht war, saßen sich nun Adetokumbo, Miß Longherd, Obioma und er gegenüber.

      Während die restlichen drei auf einer einfachen Matte saßen, hatte sich Adetokumbo auf eine Art Hocker gesetzt, ein einfaches, allerdings recht hohes Stück Baumstamm, so vermutete er, jedoch reichhaltig mit Schnitzereien versehen und mit Blättern, Knochenstücken und kleinen Steinchen geschmückt. Auf diesem thronte sie nun über den anderen.

      Eine Weile lang herrschte Schweigen, und neugierig betrachtete er währenddessen seine Umgebung.

      Er hatte in seiner Hütte auf dem Boden gelegen, mit lediglich einer Matte als Unterlage; Adetokumbo jedoch konnte sich auf etwas zur Ruhe legen, das beinahe schon den Namen Bett verdiente. Es war ein podestartiges Holzgestell, auf dem viele geflochtene Matten lagen, wahrscheinlich aus einem Pflanzenmaterial, und zum Teil wunderhübsch eingefärbt. Am Kopfende stand ein merkwürdiges Gebilde; es sah aus wie eine horizontal gelegte Skulptur eines Frauenkörpers, sehr kunstvoll aus Holz geschnitzt und bunt bemalt. Der obenliegende Rückenteil war leicht nach unten gebogen. Ob dieses Teil dem Kopf als Unterlage diente, wie eine Art Kissen?

      Im gesamten Raum lagen unzählige Matten, dazwischen standen zumeist runde Gefäße, zum Teil schlicht aus Holz gefertigt, zum Teil verziert mit Schnitzereien und primitiven Malereien. Solche, wie sie sich auch an den Wänden fanden. An einer Stelle hing dort ein Seil, an dem Löffel in verschiedener Größe befestigt worden waren.

      So fremdartig ihm auch alles war – es strahlte eine Gemütlichkeit aus, der sich selbst Robertson nicht entziehen konnte, der es weitgehend aus wissenschaftlichen Augen heraus begutachtete.

      Ein kaum unterdrücktes Lachen von Miß Longherd holte ihn aus seinen Betrachtungen.

      »Sie sehen wirklich zu komisch aus, mit Ihrem dürren Klappergestell von Alabasterkörper und diesem ulkigen Knochen zwischen den Beinen«, kommentierte sie nun bereits zum dritten Mal seine neue Kleidung, seit er gemeinsam mit Obioma hereingerufen worden war.

      »Ich denke, das ist immer noch ein angenehmerer Anblick, als Sie in der typischen Frauenkleidung dieses Stammes ansehen zu müssen«, konterte er sarkastisch.

      Ein scharfer Ausruf von Adetokumbo brachte sie beide zum Schweigen. Ebenso scharf im Ton war das, was sie an Worten folgen ließ, und was Obioma wiedergab: »Die fette weiße Frau soll sagen, wie sie die Tat wiedergutmachen will, die sie begangen hat.«

      Zu seiner Genugtuung registrierte Robertson, wie Miß Longherd sichtlich zusammenzuckte.

      »Wenn ein Mann sich nicht benehmen kann, dann hat er eine Ohrfeige verdient«, erwiderte sie, erstaunlich ruhig.

      Ganz offenkundig aufgebracht übersetzte Obioma zuerst ihre Aussage, und darauf die nachfolgende Frage von Adetokumbo. »Adetokumbo will wissen, welchen Fehler ich begangen habe.«

      »Ich hatte dir schon tausendmal gesagt, du hast meine Sachen nicht anzufassen«, erklärte Miß Longherd. »Du hast meine Befehle mißachtet – und wer nicht hören will, muß fühlen!«