African Queen. Irena Böttcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irena Böttcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783944145860
Скачать книгу
ersten Auftauchen dieser Songhu-Inschriften ganz ähnliche Gedanken gehabt haben wie er, und da er nicht nur ein Mann des Intellekts und der Schreibstube war, sondern mindestens ebenso sehr ein Mann der Tat, ein Abenteurer, der sich gleich Hals über Kopf in medias res stürzte, um seine Theorie zu überprüfen, war er sogleich zu seiner ersten Afrikareise aufgebrochen. »Man muß Afrika erforschen, solange es dort noch etwas zu erforschen gibt«, war einer seiner Standardsätze.

      Sein letzter Brief, aufgegeben in einer französischen Missionsstation am Tschadsee, war nicht nur voller Zuversicht, sondern auch voller Andeutungen, er habe schon etliche Indizien entdeckt, die darauf hindeuteten, daß er auf der richtigen Spur sei. Leider beließ er es bei diesen geheimnisvollen Andeutungen – und dann verschwand er spurlos.

      Wie Robertson auch hatte er angenommen, daß das unbekannte Volk – die Sprecher jener weiblich geprägten »Inschriften-Sprache« – südwestlich von Oberägypten beheimatet sein müsse, irgendwo in Richtung Tschadsee vielleicht. Oder noch südlich davon, in Richtung Kongobecken. Die Entfernung zu Nubien und erst recht zu Ägypten war natürlich beachtlich – aber Handelsbeziehungen über Tausende von Kilometern hinweg gab es schon in uralter Zeit; man denke nur an die Bernsteinstraße oder das britische Zinn, das schon in vorgeschichtlicher Zeit seinen Weg bis in den Mittelmeerraum fand.

      Robertson seufzte. Langley hatte recht – aufgrund seines Vorwissens war er der ideale Mann für diese Expedition. Und die günstige Gelegenheit einer der seltenen Expeditionen in diese immer noch höchst mangelhaft erforschten Gegenden mitten im Herzen des dunklen Kontinents durfte nicht ungenutzt verstreichen. Eigentlich müßte er es begrüßen, wenn endlich nach Lord Denning geforscht wurde; und eigentlich müßte er es begrüßen, endlich seine eigenen Theorien praktisch überprüfen zu können, ohne dies aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.

      Eigentlich.

      Wenn nur die enormen und unübersehbaren körperlichen Strapazen und Gefahren der Reise nicht wären!

       4

      SANFT UND KÜHL STRICH EINE HAND ÜBER SEINE STIRN.

      »Sophie«, murmelte er. Noch waren seine Augen geschlossen, doch er konnte sie vor sich sehen, in einem hellen, duftigen Kleid, mit dem silbernen Medaillon am hohen Kragen, das ein Bild ihrer verstorbenen Mutter barg, die langen dunklen Haare hochgesteckt, besorgt über ihn gebeugt.

      Zuerst hatte sie ihm Vorwürfe gemacht, daß er sich der Entscheidung der Fakultät so widerspruchslos gebeugt hatte, dann hatte sie vor Angst geweint, ihn nie mehr wiederzusehen, weil er vielleicht so spurlos im afrikanischen Busch verschwinden würde wie Lord Peter.

      Den ganzen Abend lang hatte sie ihn bedrängt, obwohl die Sitzung und die rauhe, plötzliche Konfrontation mit einer Arbeit fern von seinen Büchern ihn ohnehin über Gebühr erschöpft hatten.

      Endlich war sie gegangen, und er hatte sich mitsamt seiner Kleidung aufs Bett fallen lassen, wo er sofort eingeschlafen war.

      Doch nun war sie zurückgekommen, um sich mit ihm zu versöhnen; ihre schlanken Finger, die so liebevoll sein Gesicht berührten, bewiesen es ihm.

      »Sophie«, seufzte er noch einmal.

      Eine leise, warme Stimme antwortete ihm mit Worten, die er nicht verstand.

      Es war nicht Sophies Stimme. Schlagartig drang etwas durch die Nebel seiner schwindenden Bewußtlosigkeit.

      Sophie hatte keinen Schlüssel zu seiner Wohnung; sie hatte nicht zurückkommen können. Sie war nicht zurückgekommen. Und überhaupt war er gar nicht in seiner Wohnung in London.

      Er war in Afrika.

      Erschrocken fuhr er auf, doch energisch drückten ihn die vorher noch so sanften Hände zurück auf sein Lager.

      Neben ihm saß auf dem Boden im Schneidersitz eine Frau, dunkelhäutig, anders als die vier, denen er vorher begegnet war, unbemalt, fast vollständig nackt, bis auf eine Kette um ihren Hals, ähnlich der, die ihm der Träger hinterlassen hatte, und mit langen, ähnlich gearteten Ohrringen in den Ohrläppchen. Seine Erziehung wollte ihn zwingen, schamhaft den Blick von ihrer Blöße abzuwenden, doch er konnte nicht anders, er mußte hinsehen, nahm den straffen Schwung ihrer Brüste wahr, deren dunkle Färbung in der Erhebung heller zu werden schien, mit den wieder vollständig dunklen, dunkelsten Höfen um die Brustwarzen herum als triumphierendem Schlußpunkt.

      Auf einmal war ihm alles wieder eingefallen; der lange Marsch, er immer hinter den anderen, auf dem sie beobachtet worden waren, und dann der Überfall. Der Überfall der Frauenkrieger.

      In seinem Bauch meldete sich das typische Kribbeln, das ihn immer erfaßte, wenn er etwas auf der Spur war. Hatte das Schicksal ihm ganz unerwartet Entdeckungen in den Schoß geworfen, die über irgendwelche von Lord Peter hinterlassenen Briefe weit hinausgingen?

      Das Wort Schoß ließ seinen Blick ein wenig nach unten schweifen, wo die Frau neben ihm ihr intimstes Geheimnis, das in England die Frauen besser behüteten als ihre Aussteuer, so freimütig preisgab, daß heißes Unbehagen ihn erfüllte, von dem er sich nicht gestattete nachzuforschen, ob es noch andere Empfindungen enthielt außer Unbehagen.

      »Wo bin ich?« fragte er und mußte innerlich beinahe schmunzeln über seine Reaktion. Genau das fragten in den Theaterstücken immer die Frauen, wenn sie aus ihrer Ohnmacht erwachten, die sie oft so passend ereilte. Beschämt gestand er sich ein, mit seiner eigenen, eher ausgesprochen unpassenden Ohnmacht wieder einmal bewiesen zu haben, er war kein Held; vielleicht nicht einmal ein richtiger Mann, der etwas taugte, der etwas wert war. Genau das behaupteten einige seiner Kollegen im Institut. Und auch einige seiner weiblichen Bekannten. Sophie war eine der wenigen, die sich nie daran gestört hatten, wie zurückhaltend, wie wenig stark und hart er war.

      Aber Sophie war weit weg; ebenso wie seine Kollegen; mochten sie nun von ihm halten, was sie wollten. Er war allein, auf sich selbst angewiesen.

      Und hatte vielleicht das erste Mal in seinem Leben die Chance zu beweisen, daß er durchaus etwas konnte.

      Die Frau an seiner Seite antwortete etwas. Erneut verstand er sie nicht. Natürlich nicht – wie hätte er auch? Es war allseits für völlig überflüssig erklärt worden, eine Vorbereitung auf die Expedition erfordere es, sich mit wenigstens einem der Dialekte der eigentlichen Bewohner Afrikas vertraut zu machen; Lingala, Hausa oder Swahili. Der ausgewählte Führer sprach Englisch und genügend Swahili, den in der Region wohl am weitesten verbreiteten Sprachstamm, um notfalls zu dolmetschen, bei den Trägern ebenso wie bei den Personen, mit denen er im Rahmen seines Auftrags zu reden hatte.

      Allerdings erinnerte ihn das, was die Frau sagte, nicht an das, was er bei den schwarzen Trägern gehört hatte.

      Sie sprach immer weiter, gestikulierte dazu.

      Er hob ungehalten die Hand, um sie zu stoppen, doch sie wollte sich ausschütten vor Lachen, verstummte erst, als ganz plötzlich ein heller Strahl Sonne in den kleinen Raum fiel. In dessen Licht erkannte er erstmals, daß er sich wahrscheinlich in einer Lehmhütte von runder Form befand, mit einem Dach aus etwas, das er aus Stroh bezeichnet hätte, ohne zu wissen, ob dieser Begriff korrekt war. Der Ausgang war geschützt durch ein schweres Tuch, das sich nun langsam wieder senkte.

      Eine weitere Frau schritt auf sein Lager zu, und respektvoll erhob sich seine bisherige Gesellschafterin, neigte vor ihr den Kopf und verschwand nach draußen.

      Angesichts ihres ehrerbietigen Verhaltens richtete er sich unwillkürlich vollständig von seinem niedrigen Lager auf, um seine Besucherin gebührend mit einer höflichen Verbeugung zu begrüßen.

      Sie nahm es lächelnd zur Kenntnis, nickte ihm zu, kniete sich neben ihm auf den Boden und bedeutete ihm, ebenfalls Platz zu nehmen.

      Er tat es; wider Willen beeindruckt von ihrer hohen Statur und ihrer imponierenden, beinahe königlichen Haltung. Bei ihr wagte er es nicht, mit den Augen auf den typisch weiblichen Vorzügen zu verweilen; etwas, das ihm dadurch erleichtert wurde, daß ihr Körper bemalt war, wie er es bei den Kriegerinnen gesehen hatte.

      »Wer?« fragte