African Queen. Irena Böttcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irena Böttcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783944145860
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Zusammenstellung gerechnet.

      »Charles Robertson«, antwortete er, ausgesprochen überrascht.

      Wieder nickte sie. »Ah-deh-toh-kum-boh«, sagte sie dann, langsam und jede Silbe betonend, deutete dabei auf sich selbst. Erst diese Geste ließ ihn erraten, es handelte sich um ihren Namen. »Ah-deh-toh-kum-boh«, versuchte er die Lautfolge nachzusprechen. Sie klatschte lachend in die Hände, und wiederholte: »Adetokumbo.«

      Ihr Lachen war noch nicht verklungen, als er von draußen einen Schrei vernahm. Wenn ihn nicht alles täuschte, war es Hegel, der geschrien hatte.

      Er sprang auf, wandte sich zum Ausgang.

      »Sitzen!« hielt ihn die scharfe Stimme der Frau zurück.

      Ihre mangelhafte Beherrschung seiner Sprache ließ die Anweisung ein wenig lächerlich klingen; dennoch konnte er sich der Autorität in ihrer Stimme nicht entziehen. Zögernd blieb er stehen, drehte sich um.

      »Sitzen!« wiederholte sie energisch und deutete mit dem Finger auf den Platz, den er vorhin eingenommen hatte.

      Ein zweiter Schrei ließ ihn zusammenzucken.

      Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung war sie aufgestanden und hatte sich vor ihm aufgerichtet, blitzte ihn wütend aus ihren dunklen Augen an. Sie war fast so groß wie er; nein, nicht fast – sie war ebenso groß wie er.

      Unsicher zog er die Schultern ein, wollte unwillkürlich vor ihr zurückweichen. Doch dann übermannte ihn der Zorn. Was bildete sie sich eigentlich ein, ihm Befehle zu geben? Schließlich war sie nichts als eine Frau, und draußen wurde ein Kamerad von ihm mißhandelt, gefoltert, benötigte seine Hilfe.

      Er straffte sich. »Ich werde es nicht zulassen, daß Sie den anderen Mitgliedern etwas antun! Und ich werde mir von Ihnen gar nichts sagen lassen, sondern jetzt hinausgehen und nachschauen, was dort geschieht!«

      Zwei Schritte machte er auf das schwere Tuch zu, dann fühlte er plötzlich, wie ihm die Beine weggezogen wurden. Schwer und plump krachte er mit dem Gesicht nach unten zu Boden, ein jäher Stich schoß durch sein linkes Knie und sein Kinn, und schon kniete sie auf seinem Rücken, drehte ihm die Arme nach hinten.

      Sie sprach dabei sehr schnell und sehr böse Laute, die er nicht verstand. Nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte, erklärte sie langsam und betont in seiner Sprache: »Du Mann – Männer tun, was Frauen bestammen.«

      »Bestimmen«, verbesserte er sie spontan. Unmittelbar darauf stöhnte er vor Schmerz – sie hatte seinen Kopf an den Haaren zurückgerissen. Wie Peitschenhiebe prasselten ihre fremdartigen Laute auf ihn herab.

      Sie erhob sich .

      Der Schmerz an seiner Kopfhaut ließ sofort nach, hinterließ jedoch ein unangenehmes Prickeln.

      »Sitzen!« befahl sie ein weiteres Mal.

      Mühsam rappelte er sich auf. Sein linkes Knie tat ihm weh, ebenso sein Kinn, das er sich am harten Boden aufgeschrammt hatte, wie er fürchtete. Von seinem Hinterkopf ganz zu schweigen.

      Er hatte keinerlei Lust auf eine weitere körperliche Auseinandersetzung. Gehorsam setzte er sich im Schneidersitz auf seinen alten Platz.

      Erst dann wurde ihm bewußt, was sie vorhin gesagt hatte. Männer tun, was Frauen bestimmen. Wieder meldete sich das Kribbeln in seinem Bauch, sein untrüglicher Anzeiger dafür, er war etwas auf der Spur.

      »Bestimmen bei Ihnen wirklich die Frauen, was geschieht?« fragte er.

      Sie runzelte die Stirn, horchte seinen Worten nach. Er hatte in seiner Aufregung zu schnell geredet. Langsam wiederholte er seine Frage.

      Nun nickte sie. »Frauen befehlen, ja.«

      Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Und die Männer des Stammes lassen sich das gefallen?«

      »Männern das gefallen, ja«, antwortete sie.

      Wider Willen mußte er lachen über die Zweideutigkeit ihrer Aussage. Verwundert sah sie ihn an. »Männer das mögen«, wiederholte sie. »Männer dann keine – Verwortung, frei sein.«

      »Verantwortung?« vergewisserte er sich. Diesmal akzeptierte sie seine Korrektur. »Ver-ant-wor-tung, ja.«

      Was erzählte sie ihm da? Es sollte Männer geben, die, noch dazu völlig freiwillig, ihren gott- und naturgegebenen Anspruch aufgaben, in einer Gesellschaft, sei sie nun ein wilder Stamm in Afrika oder Südamerika oder ein zivilisiertes Land in Europa, die Befehlsgewalt zu übernehmen? Die sich von Frauen, dem natürlich schwächeren Geschlecht, von den physischen wie von den geistigen Kräften her, Anweisungen geben ließen und diese sogar befolgten?

      In ihm kämpfte die totale Verblüffung mit dem triumphalen Gefühl, recht gehabt zu haben. Wenn bloß seine Kollegen da wären – die, die ihn so oft ausgelacht hatten wegen seiner Vermutung einer Frauenherrschaft.

      Nun wurde ihm unversehens nicht nur für die Vergangenheit, für die Zeit, in der die steinernen Stelen entstanden waren, sondern sogar für die Gegenwart, für das Hier und Jetzt und Heute, der Beweis vor Augen geführt, sie war nicht nur theoretisch denkbar, sondern sie existierte tatsächlich, ganz real und ganz praktisch.

      Auf einmal kam ihm ein völlig verrückter Gedanke. Unter ihrer mißtrauischen Beobachtung zog er aus seiner Brusttasche das kleine, in schwarzes Leder gebundene Tagebuch mit silbernem Drehbleistift, ein Geschenk Sophies, das er ständig bei sich trug und in dem er all seine Erkenntnisse zu verewigen gedachte.

      Mit raschen Strichen zeichnete er aus seiner Erinnerung ein paar der Zeichen auf, die sich in sein Gedächtnis gebrannt hatten, so oft hatte er die gemalten Abbilder dessen studiert, was als Oberstes auf den steinernen Stelen gefunden worden war. Falls er mit seiner Übersetzung richtig lag, bedeuteten sie sinngemäß: »Man muß sicherstellen, daß jede Handelskarawane von ausreichend Männern zur Verteidigung begleitet wird«, mit den beiden stilisierten Frauen für die Begriffe »man« und »Männer«.

      Aufmerksam war sie dem Stift gefolgt, hatte das Buch an sich genommen und studierte nun, was er geschrieben hatte.

      Enttäuschung machte sich in ihm breit. Wahrscheinlich konnte sie gar nicht lesen. Oder wenn, dann war ihr dennoch diese uralte Sprache ersichtlich fremd.

      Sie hob den Kopf. »Frauen Karawanen führen«, sagte sie.

      Jäh klopfte sein Herz schneller. Aufregung nahm ihm beinahe den Atem.

      Noch bevor er antworten konnte, hob sich erneut der schwere Vorhang vor dem Eingang. Der Schwarze, dessen Kette er trug – nein, getragen hatte, denn ein vorsichtiges Tasten bestätigte ihm seinen Eindruck, man hatte sie ihm abgenommen – kam herein, verbeugte sich tief vor Adetokumbo und sprach eifrig auf sie ein. Er erkannte die Laute von vielen Unterhaltungen der Träger, denen er recht gleichgültig und ohne Neugier gelauscht hatte – es mußte Swahili sein.

      Adetokumbo überlegte einen Augenblick, antwortete dann, ebenfalls in Swahili. Sie beherrschte also ihre eigene Sprache, sie beherrschte Swahili – und genügend von seiner, um sich, wenn auch mühsam, verständlich zu machen. Und er konnte lediglich in einer einzigen dieser Sprachen mit ihr kommunizieren; in seiner eigenen – obwohl er sich in ihrem Land befand. Ein leises Gefühl der Beschämung überfiel ihn.

      Danach deutete Adetokumbo auf ihn und fügte etwas hinzu.

      Der Schwarze wandte sich an ihn. »Adetokumbo sagt, ich soll übersetzen, worüber wir gesprochen haben.«

      Dem ehemaligen Träger war seine Sprache also keineswegs so fremd, wie er dies vermutet hatte. Womöglich wäre er sogar ein besserer Dolmetscher gewesen als Hegel.

      »Der Führer eurer Expedition weigert sich«, erklärte der Schwarze, »die angemessene Kleidung anzulegen. Ich hoffe, du kannst ihn zur Vernunft bringen; sonst wird es ausgesprochen unangenehm für ihn.«

      Fragend sah Robertson ihn an. »Was verstehen Sie unter angemessener Kleidung?« Er blickte am Körper des anderen herab und hoffte, die Antwort würde nicht so ausfallen, wie er es allerdings befürchtete.

      Der