African Queen. Irena Böttcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irena Böttcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783944145860
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zögerte.

      »Na los!« forderte Miß Longherd ihn auf. »Übersetz das, was ich gesagt habe!«

      Mürrisch tat er es.

      Adetokumbo runzelte die Stirn. Das Gespräch verlief ganz offenkundig nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Wahrscheinlich schwankte sie nun zwischen der Solidarität, die sie ihrem Geliebten und Gefährten schuldete, und ihrem Glauben an die Überlegenheit der Frauen, der es ihr unmöglich machte, einfach abzutun, was Miß Longherd zu ihrer Verteidigung vorbrachte.

      Es wurde Zeit einzugreifen. Das war ja nun die Höhe – Miß Longherd, diejenige, die sie alle durch ihr unmögliches Benehmen in diese furchtbare Lage gebracht hatte, eine Lage, die allein für ihn gewisse wissenschaftliche Vorteile aufwies, sollte womöglich gar noch als Heldin aus der Sache hervorgehen? Das konnte nicht angehen. Ganz gleich, ob man nun Frauen oder Männer als das vorrangige Geschlecht betrachtete – gewisse Dinge waren und blieben in jedem Fall unabhängig von einer solchen Sichtweise.

      Er stand auf, ohne sich um Adetokumbos mißbilligenden Blick zu kümmern, sah erst ihr, dann Miß Longherd voll ins Gesicht. »Miß Longherd, eines muß ich Ihnen lassen – Sie sind außerordentlich geschickt darin, eine fremde Weltsicht für Ihre Zwecke auszunutzen und so zu tun, als sei das Unrecht, das Sie begangen habe, in Wirklichkeit sogar noch eine Art Heldentat. Damit versuchen Sie, Adetokumbo zu beeindrucken. Aber ich kann Ihnen eines sagen, und ich bitte vorab, meine ungewohnte Deutlichkeit zu entschuldigen – was auch immer Sie zwischen Ihren Beinen tragen, ob ein Anhängsel oder das Pendant dazu, die Anatomie an dieser Stelle allein besitzt keinerlei moralische Wertigkeit. Und sie kann etwas, das falsch ist, nicht richtig machen. Ebenso wenig wie umgekehrt sie allein etwas Richtiges falsch machen kann. Sie haben Obioma geschlagen, und zwar völlig ohne Grund. Selbst wenn in diesem Stamm die Tatsache, daß Sie eine Frau sind, Ihnen besondere Befehlsgewalten einräumt und Ihren Worten ein besonderes Gewicht gibt – das entbindet Sie nicht von gewissen Anforderungen der Ethik, die geschlechtsunabhängig unser Verhalten beeinflussen müssen. Sie haben ein Unrecht begangen, und Sie wissen das. So sehr ich auch Ihre Kaltblütigkeit in der Verteidigung bewundere, bin ich doch gleichzeitig ausgesprochen enttäuscht von Ihrer Feigheit. Wahrer Mut, Miß Longherd, wäre es, jetzt offen zuzugeben, Sie haben einen Fehler gemacht, und tapfer die Konsequenzen zu tragen. In Ihrem kleinmütigen Benehmen, Miß Longherd, beweisen Sie in meinen Augen nur, daß Sie trotz all Ihrer scheinbaren Mannhaftigkeit doch nur eine Frau sind, die zu Ihren Taten nicht stehen kann.«

      Ebenso ruhig, wie er gesprochen hatte, nahm er wieder auf seiner Matte Platz.

      Fordernd sprach Adetokumbo auf Obioma ein, doch der zuckte die Achseln. So gut er auch die fremde Sprache beherrschen mochte, nach einigen Jahren Arbeit auf einer Missionsstation und vielen weiteren Jahren als Träger – in diesem Fall war es ihm unmöglich zu übersetzen, was Robertson gesagt hatte.

      In Miß Longherds Augen spiegelte sich zuerst Verblüffung, dann ein wilder Zorn. »Wie können Sie es wagen, Sie kleiner Pischer! So können Sie vielleicht in England mit den Frauen umspringen – aber nicht hier, wo man erkannt hat, welches Geschlecht in Wahrheit das stärkere ist!«

      Sie war aufgestanden und stand nun drohend vor Robertson, der scheinbar völlig ungerührt zu ihr aufblickte. Was ihre Wut noch verstärkte. »Alle Achtung – da, wo alle anderen auftrumpfen, halten Sie die Klappe und verkriechen sich in Ihr Mauseloch. Und da, wo jeder andere weise schweigen würde, da riskieren Sie Kopf und Kragen. Es beweist eine gewisse Tollkühnheit, die ich Ihnen gar nicht zugetraut hätte. Noch mehr allerdings beweist es etwas ganz anderes – grenzenlose Dummheit!«

      Mit eleganten Bewegungen wie eine Katze erhob sich nun auch Adetokumbo. Auch wenn er nicht verstand, was sie sagte, ihr Ärger war unverkennbar, und die Handbewegung, mit der sie Miß Longherd auf ihren Platz verwies, war es ebenfalls.

      »Adetokumbo weist darauf hin«, dolmetschte Obioma leise, »wir befinden uns in ihrer Hütte, und wenn die fette weiße Frau oder der dünne weiße Mann etwas zu sagen haben, sollen sie es ihr sagen, und nicht einander.«

      Robertson nutzte die vorübergehende Unsicherheit Miß Longherds sofort aus.

      »Sagen Sie Adetokumbo«, wandte er sich geradezu leidenschaftlich an Obioma, »daß die fette weiße Frau lügt und glaubt, damit durchzukommen, weil sie wie Adetokumbo eine Frau ist. Sagen Sie ihr, daß die fette weiße Frau Sie zu Unrecht geschlagen hat und dafür bestraft werden muß!«

      Noch während Obioma übersetzte, stürzte sich Miß Longherd mit einem schrillen, bösen Schrei auf Robertson und begann, auf ihn einzuprügeln.

      Abwehrend hob er die Hände über den Kopf. Dennoch trafen ihn ihre erstaunlich harten Fäuste, mit denen er ja bereits einmal Bekanntschaft gemacht hatte, mehrere Male äußerst empfindlich, bis die Schläge ebenso urplötzlich aufhörten, wie sie begonnen hatten.

      Als er aufblickte, sah er Miß Longherd am Boden, und auf ihr kniete Adetokumbo, hatte ihre Hände im eisernen Griff.

      Ein scharfer Befehl ließ Obioma aufspringen und aus einer Ecke der Hütte eine Rolle Seil holen, das Adetokumbo nun rasch und kunstvoll so um Miß Longherds Schultern, Arme und Beine schlang, daß diese bald hilflos wie ein Paket verschnürt war und sich nicht mehr rühren konnte.

      Ihren schrillen Protestschreien tat dies keinen Abbruch. Doch auch diese beendete oder vielmehr dämpfte Adetokumbo, indem sie blitzschnell einen Streifen von Miß Longherds Männerhemd abriß, das ihr während der Auseinandersetzung aus der Hose gerutscht war, und ihn ihr einfach in den Mund stopfte.

      Weitere Anweisungen an Obioma folgten, die Robertson nicht verstand. Doch bald sollte er sie erraten können. Obioma rannte hinaus und war kurz darauf mit zwei weiteren Männern zurück. Gemeinsam hoben sie Miß Longherd vom Boden auf – all ihr Wehren und Sich-Winden führte lediglich dazu, daß die drei sie einmal beinahe fallen ließen –, und schleppten sie nach draußen.

      Adetokumbo folgte und bedeutete Robertson mit einer Geste, ebenfalls mitzukommen.

      Man brachte Miß Robertson zu einem kleinen, mit Holzstückchen auf dem Boden markierten Platz, der nach allen Seiten hin offen war und lediglich durch ein Dach – soweit er das erraten konnte, aus Leder, also aus enthaarten Tierfellen zusammengenäht – vor der Sonne geschützt. Dort befand sich eine von Steinen umgebene Feuerstelle, auf der in einem riesigen Kessel an einem hölzernen Gestell etwas vor sich hin brodelte. Anscheinend kochte man in diesem Stamm gemeinsam.

      Direkt daneben ragte ein großer Pfahl in den Himmel, von dem Robertson annahm, es sei der verbleibende Stamm eines Baumes, in den man merkwürdige Muster geschnitzt und den man teilweise bemalt hatte.

      Dort löste man Miß Longherds Fesseln – allerdings nur lange genug, um sie umgehend aufrecht und mit dem Gesicht nach vorne an eben jenen Pfahl zu binden, ohne ihren Knebel zu entfernen. Sie wehrte sich sehr stark, und zwei Frauen sprangen hinzu, um den Männern bei ihrer Aufgabe zu helfen.

      Als sie vollendet war, trat Adetokumbo neben Miß Longherd und spuckte vor ihr aus. Dann drehte sie sich um und sagte laut etwas, das Obioma Robertson murmelnd übersetzte. »Es ist eine Schande für jeden Menschen zu lügen, um einer Strafe für ein Unrecht zu entgehen. Eine noch größere Schande ist dies allerdings für eine Frau, die durch ihre von der Göttermutter verliehene Kraft und Überlegenheit der Wahrheit noch um so mehr verbunden sein muß als der schwächere Mann. Die fette weiße Frau hat Obioma geschlagen, und sie hat gelogen, damit sie dafür nicht bestraft wird. Drei Tage und drei Nächte wird sie hier gefesselt bleiben und nur Wasser erhalten – als Beispiel dafür, wohin es führt zu lügen. Danach wird der Rat der Stammesältesten entscheiden, welche Strafe über sie zu verhängen ist.«

      Adetokumbo streckte die Hand aus. Eine der Frauen, die an einer Art Gürtel aus Bast ein Messer trug, zog es heraus und reichte es ihr. Erneut wandte Adetokumbo sich um und zerschnitt mit raschen Bewegungen Hemd, Hose und Unterwäsche – grau aussehende Männerunterwäsche – von Miß Longherd, bis diese völlig nackt dastand.

      Der Anblick der weißen Fettmassen ließ Robertson mehr aus Abscheu denn aus Schamgefühl den Blick abwenden.

      Aber so gerecht